Der Strukturwandel in der Sauenhaltung geht rasant weiter. Doch das wachsende Ferkeldefizit bietet auch neue Chancen für gut aufgestellte Betriebe.Die deutsche Ferkelerzeugung durchläuft derzeit den größten Umbruch seit 30 Jahren. So ist die Zahl der Sauenhalter in nur fünf Jahren um 35 % zurückgegangen. Auch der Sauenbestand ist mit einem Minus von knapp 10 % rückläufig. In den kleineren Bestandsstrukturen Süddeutschlands sind die Sauenzahlen sogar um bis zu 30 % gesunken. Doch auch die viehstarken Regionen Nordwestdeutschlands bleiben nicht verschont. So weisen Niedersachsen und Schleswig-Holstein rund 10 % geringere Sauenbestände auf als noch vor wenigen Jahren (siehe Übersicht 1). Hier geht der Trend verstärkt zur Mast mit überregionalem Ferkelbezug. Relativ stabil hält sich die Ferkelerzeugung hingegen in den großen Beständen der neuen Bundesländer. Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern haben ihre Sauenzahlen in den letzten Jahren sogar um 5 bis 7 % gesteigert. Mäster wollen große Ferkelgruppen Maßgebliche Antriebskraft für den Umbruch ist der enorme Markt- und Preisdruck. Vor allem größere Mäster fordern zunehmend große, einheitliche Ferkelpartien mit hohem Hygienestatus. Dieser Anforderung sind kleinere Ferkelerzeuger oft nicht gewachsen. Größere Ferkelpartien erzielen nach wie vor beachtliche Preisaufschläge. Diese leisten einen spürbaren Beitrag zur Verbesserung der Rentabilität. Hinzu kommt: Größere Sauenställe ermöglichen geringere Baukosten je Platz und bieten arbeitswirtschaftliche Vorteile. Außerdem bringt die Spezialisierung in größeren Sauenbetrieben nachweisbar höhere biologische Leistungen. Es wundert nicht, dass der Strukturwandel in der Sauenhaltung rasant weiter geht. So wächst die durchschnittliche Sauenzahl pro Betrieb inzwischen jährlich um rund 10 %. Die Bestandsgröße ist im Bundesmittel aktuell auf 110 Sauen gestiegen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Statistik auch viele Nebenerwerbsbetriebe enthält. Organisierte Ferkelerzeuger halten heute im Mittel oft mehr als 200 Sauen. So liegt die Wachstumsschwelle in der Ferkelerzeugung inzwischen bei über 200 Sauen. Die Zahl der kleineren Herden geht hingegen seit Jahren zurück. Vor allem im überwiegend kleinstrukturierten Süddeutschland mit deutlich unter 80 Sauen im Durchschnittsbestand hat die Ferkelerzeugung weiter an Wettbewerbskraft verloren. So ist der einstige Überschuss von fast 2 Mio. Ferkeln binnen weniger Jahre auf nur noch 1 Mio. Stück gesunken. Geringe Überhänge an Ferkeln gibt es auch in den neuen Bundesländern. Jedes 6. Ferkel importiert Der nahezu flächendeckende Rückgang der Sauenzahlen lässt sich durch die steigende Sauenfruchtbarkeit nur teilweise kompensieren. Vielmehr wird die stark steigende Zahl an Mastplätzen in Deutschland in großem Maße durch Importferkel ausgeglichen. Die Dänen und Holländer lie-fern inzwischen rund 7 bzw. etwa 3 Mio. Fer-kel pro Jahr nach Deutschland. Im vergangenen Jahr zeichnete sich allerdings beim Ferkelimport eine deutliche Stagnation ab. Die dänischen Zuwachsraten mit einem Plus von fast 1 Mio. Ferkeln pro Jahr gingen auf fast Null zurück. Auch die holländischen Ferkelexporte nach Deutschland haben im ersten Halbjahr 2010 nicht mehr zugelegt. Sie scheinen sich vorerst auf die Größenordnung von rund 3 Mio. Stück je Jahr einzupendeln. Die spannende Frage ist, wie sich die heimische Ferkelerzeugung im Wechselspiel mit den Importen weiterentwickelt. Für den Blick nach vorn haben wir unterstellt, dass sich der Strukturwandel bis zum Jahr 2014 in etwa so fortsetzt wie bisher. Außerdem wurde eine weitere Steigerung der Produktivität um zwei Ferkel je Sau und Jahr veranschlagt. Unter diesen Annahmen errechnet sich für Deutschland insgesamt ein Verlust von zusätzlich 1 Mio. Ferkel pro Jahr. Das wachsende Ferkeldefizit müsste dann bei gleichbleibenden Mastbeständen durch die Aufstockung der eigenen Produktion oder durch zusätzliche Importe ausgeglichen werden. Die bundesweite Betrachtung zeigt aber nur die halbe Wahrheit. Denn hinter den Durchschnittszahlen zur Ferkelversorgung verbirgt sich eine gravierende Verschiebung der Handelsströme. So wird der Süden – vor allem Bayern und Baden-Württemberg – bis 2014 rund 1,4 Mio. Ferkel weniger erzeugen. Damit tendiert der süddeutsche Ferkelüberschuss gegen Null (siehe Übersicht 2). Gleichzeitig steigt das Ferkeldefizit in Niedersachsen rechnerisch um rund 1 Mio. Ferkel an. In NRW dürfte der geringe Rückgang der Sauenzahl durch die höheren Fruchtbarkeitsleistungen mehr als kompensiert werden. So lässt die Steigerung der Wurfgrößen ein Plus von gut 600 000 Ferkeln erwarten. Das in Nordrhein-Westfalen bestehende Ferkeldefizit wird aber durch den weiteren Ausbau der Mast insgesamt leicht wachsen. Die Veränderungen in den übrigen Bundesländern haben aufgrund der geringen Stückzahlen weniger große Bedeutung. Beim Blick über das Jahr 2014 hinaus könnte das Ferkeldefizit in Deutschland sogar noch größer ausfallen. So ist zu erwarten, dass die ab 2013 greifende Verschärfung der Haltungsrichtlinien den Strukturwandel weiter anheizt. Für etliche Betriebe könnte 2013 somit zum Stichtag für den vorzeitigen Ausstieg aus der Ferkelerzeugung werden. Attraktive Erlöse inRegionen mit Ferkelmangel Besonders stark wirkt sich das in den Regionen mit hohem Ferkeldefizit aus. Hierbei geht es besonders um die größten Zuschussgebiete Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Nach marktwirtschaftlichen Regeln müsste die Ferkelknappheit hier zu einem höheren Preisniveau führen. Denn ein Ferkeltransport in ein Zuschussgebiet lohnt sich nur, wenn die Preisdifferenz mindestens so groß ist wie die Transportkosten zuzüglich einer kleinen Gewinnmarge. Diese Marktregel bestätigt sich, wenn man die Entwicklung der Mastschweine- und Ferkelpreise vergleicht. So lag ihre Relation 2006 bei 1,22. Das heißt: Einem Schlachterlös von 1 €/kg entsprach ein Ferkelpreis von 1,22 €/kg. Im Wirtschaftsjahr 2009/2010 hat sich diese Relation in NRW auf 1,28 zugunsten der Ferkelerzeuger verschoben. In Nieder-sachsen ist die relative Besserstellung der Ferkelerzeugung sogar noch etwas stärker ausgefallen. In den süddeutschen Re-gionen mit Ferkelüberschuss haben sich die Ferkelpreise im Vergleich zu den Schlachtschweine-Notierungen erwartungsgemäß etwas verschlechtert. Erweitert man die Untersuchungen, stellt man fest, dass die Mehrkosten für die Ferkel in den Zuschussregionen in etwa den Transportkosten von 2,50 € je Tier entsprechen. Hierdurch verbessert sich die Wirtschaftlichkeit der Ferkelerzeugung gegenüber der Mast in den Zuschussgebieten. Geht man von einer Preiserhöhung von 2 €/Ferkel sowie 23,5 verkauften Ferkeln/Sau und Jahr aus, steigt der Erlös um 47 €/Sau. Bei Lohnkosten von rund 150 €/Sau und Stallkosten von 250 € je Sau verbessert sich die Netto-Rentabilität um fast 12 %-Punkte. Trotz der positiven Vorzeichen für die Ferkelerzeugung ist nicht davon auszugehen, dass die Entwicklung dauerhaft nur in eine Richtung läuft. Das Pendel der relativen Wettbewerbsfähigkeit zwischen Ferkelerzeugung und Mast wird auch wieder in die gegenteilige Richtung umschlagen. Prozesse dieser Art laufen jedoch in Jahrzehnten ab. Der Ferkelmarkt wirdinternationaler Neben der Entwicklung in Deutschland ist für die Ferkelerzeuger auch wichtig, wie es in unseren Nachbarländern weiter geht. Denn der Ferkelmarkt wird immer internationaler. Fakt ist: Bei den Bestandsgrößen liegt Deutschland mit 110 Sauen je Halter zusammen mit Spanien und Frankreich im EU-Mittelfeld. Sieht man von Polen und einigen anderen europäischen Staaten ab, steht die überwiegende Anzahl der Sauen heute jedoch in Beständen mit mehr als 200 Tieren. Und der Trend zu großen Sauenbetrieben geht weiter. Überragend große Durchschnittsbestände weisen neben Irland auch Dänemark und die Niederlande auf. In den beiden Intensivgebieten ist seit Jahren aufgrund des Umweltdrucks die Obergrenze in der Veredlung erreicht. Die Folge ist die Stagnation bzw. der Rückgang der Veredlung insgesamt. Zudem ist aufgrund der Deckelung der Produktionskapazitäten eine Umstrukturierung von der sehr Vieheinheiten-intensiven Mast hin zur Sauenhaltung zu beobachten. Es wundert nicht, dass das Ferkelangebot in Holland und Dänemark weiter wächst. Die Überschüsse werden zwar überall in Europa vermarktet. Das Gros des Absatzes liegt jedoch im nordwestdeutschen Veredlungszentrum. Die interregionale Arbeitsteilung mit der Mast bei uns und der Ferkelerzeugung in Holland und Dänemark funktioniert solange, wie beide Seiten von ihrer Spezialisierung profitieren. Auf lange Sicht könnten schärfere Umweltauflagen diesen Trend allerdings bremsen. Weniger Sauen in Osteuropa Ein wichtiger Faktor für die internationalen Ferkelströme ist auch Polen. Denn unser Nachbarland besitzt noch vor Dänemark, Frankreich und den Niederlanden den drittgrößten Sauenbestand in Europa. Allerdings findet in Polen derzeit ein Lehrstück in Sachen Strukturwandel statt. So muss ein durchschnittlicher Bestand von nur fünf Sauen je Halter um seine Wettbewerbsfähigkeit kämpfen. Die Folgen sind dramatisch: Seit 2004 ging der Sauenbestand um 20 % zurück. Selbst die auf rund 950 000 Ferkel pro Jahr gestiegenen Importe aus den Niederlanden können den Fehlbedarf nicht ausgleichen. Denn die Strukturschwächen und die Kapitalknappheit bremsen die Entwicklung. Selbst niedrige Löhne, geringe Umweltauflagen und günstige Getreidepreise können die Situation derzeit nicht spürbar verbessern. Es ist daher davon auszugehen, dass der ehemalige Schweinefleischexporteur Polen sich weiter zu einem ausgeprägten Importeur sowohl von Ferkeln und Schweinefleisch entwickeln wird. Auch Deutschland nimmt dabei aufgrund kurzer Transportwege sowie einer hohen Schlagkraft bei der Schlachtung eine herausragende Stellung ein. Die anhaltend günstige Absatzsituation nach Osteuropa unterstützt den hierzulande eingeschlagenen Trend zur Mast. In den übrigen osteuropäischen Ländern ist ebenfalls ein starker Bestandsabbau festzustellen. Von 2004 bis 2009 haben Tschechien und die Slowakei ihre Sauenbestände um 40 bis 45 %, Ungarn um 20 % und die baltischen Staaten ihre Sauenzahl um 15 % reduziert. Der massive Abbau der Ferkelerzeugung im Osten führt zwangsweise zur Einschränkung der Schweinefleischerzeugung im Inland. Denn eine Kompensation durch Ferkelimporte ist aufgrund weiter Transportwege nicht zu erreichen. Bei steigender Nachfrage in diesen Ländern wird ein wachsender Schweinefleischimport notwendig, der ziemlich sicher aus dem Westen kommen wird. Fazit Der Strukturwandel in der Sauenhaltung geht unvermindert weiter. Kosten- und Arbeitszeitvorteile sowie die höheren Leistungen in größeren Beständen sind die treibenden Faktoren. Dennoch wird das Leistungsplus nicht ausreichen, um die Abstockung der Sauen auszugleichen. Vor allem im Nordwesten wächst das Ferkeldefizit. In den nächsten Jahren ist daher vor allem in den Gebieten mit Ferkelmangel mit höheren Markterlösen zu rechnen. Hierdurch verbessert sich die Wirtschaftlichkeit der Ferkelerzeugung gegenüber der Mast. Dennoch ist in der deutschen Ferkelerzeugung ein massiver Umstrukturierungsprozess zu erwarten. Dieser bietet Chancen und Risiken.