Die deutsche Fleischbranche mischt im Rennen um die wichtigsten Exportmärkte ganz vorne mit. Und der Schweinefleisch-Export wird noch weiter steigen. Um die Ausfuhren nicht zu gefährden, müssen Deutschlands Bauern aber ihre Hausaufgaben machen.Deutschland ist Exportland. In den letzten beiden Jahren aber ist der Wirtschaft ein wenig die Luft ausgegangen. Die Ausfuhren von Autos, Maschinen, Elektroartikeln und anderen Konsumgütern sind rückläufig. Erstmals haben die Chinesen mehr Waren exportiert als die Bundes-republik. Der Wert aller chinesischen Ausfuhren belief sich im Jahr 2009 auf 1 201,7 Milliarden US-Dollar, die deutschen Ausfuhren auf umgerechnet 1 121,3 Milliarden US-Dollar. Dass Deutschland den prestigeträchtigen Titel des Exportweltmeisters verloren hat, liegt einerseits an der rasanten Wirtschaftsentwicklung in China. Andererseits hinterlässt die globale Wirtschaftskrise ihre Spuren. Schlachtindustrie gibt Gas Von solchen Entwicklungen ist die bundesdeutsche Fleischbranche weit entfernt. Deren Wachstumskurve zeigt steil nach oben und die Ausfuhraktivitäten der Zunft kennen scheinbar kein Ende. Die aus gewerblichen Schlachtungen erzeugte Fleischmenge stieg 2009 nochmals um 158 000 t auf jetzt 5,25 Mio. t, ein Plus von 3,1 % gegenüber dem Vorjahr. In Deutschland wurden 2009 mehr als 56 Mio. Schweine geschlachtet. Auch das ist Rekord und bedeutet einen Zuwachs von mehr als 10 Mio. Schweinen gegenüber dem Jahr 2004 (siehe Übersicht 1). Die Prognosen für 2010 sagen weiteres Wachstum voraus. Man rechnet mit 57,5 Mio. Schlachtungen und einer Produktionsmenge von 5,40 Mio. t. Das wäre ein weiteres Plus von 2,4 %. Für das kommende Jahr prognostizieren Experten sogar 60 Mio. Schlachtungen. Sollten sich die Vorhersagen bestätigen, verschärft sich die Exportabhängigkeit Deutschlands in den kommenden Jahren weiter. Die letztjährige Ausfuhrmenge von knapp 2,4 Mio. t Schweinefleisch und -fleischerzeugnissen inklusive Nebenerzeugnissen und Verarbeitungsfleisch (plus 8,4 % gegenüber dem Jahr 2008) wird nochmals übertroffen. Der Export als Vermarktungsalternative und -ventil gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung. Holland und Italien sind wichtige EU-Absatzmärkte Welchen Stellenwert der Export schon heute erreicht hat, zeigt sich anhand der Exportanteile der drei großen deutschen Schlachtunternehmen Tönnies, Vion und Westfleisch, die in Bezug auf die gesamten deutschen Schweineschlachtungen aktuell über 52 % des deutschen Marktes abbilden. So liegt der Ausfuhranteil in der Produktgruppe Schweinefleisch bei der Firma Tönnies Fleisch in Rheda-Wiedenbrück aktuell bei über 40 %, Westfleisch aus Münster exportiert rund 50 % ihres Schweinefleisches ins Ausland und die Vion Deutschland liegt bei knapp 40 %. Zum Vergleich: Bei Westfleisch lag der Ausfuhranteil 1994 erst bei 8 %, bei Tönnies waren es gut 20 %. „Die rasant steigenden Exporte sind nicht verwunderlich“, so Egbert Klokkers, Exportleiter der Westfleisch-Gruppe in Münster. „Der deutsche Markt ist nicht weiter aufnahmefähig, der Selbstversorgungsgrad (SVG) liegt bei fast 110 % und die Produktion steigt weiter an. Wir brauchen daher ständig neue Absatzmärkte. Dabei müssen wir die Schwächen unserer ausländischen Konkurrenten gezielt ausnutzen und unsere eigenen Stärken ausspielen.“ Dies gelingt deutschen Schlachtern bislang sehr gut. Im EU-Binnenmarkt sind Italien und Holland die wichtigsten Absatzmärkte. Nach Italien gingen im letzten Jahr 305 000 t Schweinefleisch- und -erzeugnisse (siehe Übersicht 2). Das entsprach einem Ausfuhranteil von rund 13 %. Allein die Vion-Gruppe schickt jede Woche 220 LKW-Ladungen nach Italien. Exportiert wird hauptsächlich verpacktes Fleisch für die Selbstbedienungstheken italienischer Supermärkte. Für die Tönnies-Gruppe und für Westfleisch gehören auch die Niederlande zu den mengenmäßig größten Abnehmern innerhalb der EU. Die Vion produziert mit eigenen Schlachtstätten vor Ort. Nun darf man sich bei einem niederländischen SVG von über 200 % fragen, warum das so ist. Die Antwort: Auch der holländische Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) sucht sich bewusst Einkaufsalternativen im Ausland. „Der LEH in Europa kauft heute international ein“, bestätigt Norbert Barfuß, Geschäftsführer von Vion Food Deutschland. Hinzu kommt, dass deutsche Discounter in Holland expandieren und dabei auch Fleisch von deutschen Schlachtbetrieben beziehen. Neben den Niederlanden und Italien ist Großbritannien nach wie vor ein wichtiges Absatzventil. Allerdings nimmt dieser Markt eine Sonderstellung ein. Durch Währungsverschiebungen kann sich Großbritannien für in Deutschland ansässige Unternehmen von heute auf morgen zu einem schwierigen Umfeld entwickeln. In diesem Zusammenhang ist die Vion im Vorteil, sie produziert vor Ort. Osteuropa fest im Visier Neben den „alten“ EU-Ländern spielen die in den letzten Jahren neu aufgenommenen EU-Mitglieder eine wichtige Rolle im Exportgeschäft. Während der deutsche Absatz in die alten EU-Länder im Jahr 2009 um lediglich 3,6 % anstieg, legten die Ausfuhren in die EU-Länder Osteuropas um satte 25 % zu! Abnehmer sind in erster Linie die Länder in Mittel- und Osteuropa (Moe-Länder). Dazu zählen Polen, Bulgarien, Ungarn, Tschechien, Rumänien usw. „In diesen Ländern wird die Schweinefleischproduktion nach den politischen Umbrüchen so schnell nicht wieder auf die Beine kommen“, prognostiziert Egbert Klokkers. Gleichzeitig steigt der Fleischverzehr. „Das ist unsere Chance, es besteht ein enormes Absatzpotenzial. Allein in die Moe-Länder schicken wir wöchentlich 100 bis 120 LKW-Ladungen. Das sind über 2 000 t Fleisch“, fügt er hinzu. Auch Norbert Barfuß glaubt nicht daran, dass die Schweinehaltung in den ehemaligen Ostblockstaaten in absehbarer Zeit wieder zu alter Stärke zurückfindet. Es sei denn, es ist politisch so gewollt. Aber das bedeutet noch lange nichts, wie wir am Beispiel Russland sehen. „Der dortige SVG stagniert seit langem bei 66 %“, betont Vion-Manager Barfuß. Dieses brach liegende Potenzial wollen deutsche Schlachtunternehmen weiter ausnutzen. Allein Russland benötigt jedes Jahr knapp 1 Mio. t Import-Schweinefleisch, wie Übersicht 3 zeigt. Diese gewaltige Einfuhrmenge würde die russische Regierung zwar lieber heute als morgen senken. Doch es gelingt der ehemaligen Supermacht bislang nicht, ausreichende Produktionskapazitäten im eigenen Land aufzubauen. Problematisch sind nach wie vor Klüngel und Korruption. Nachfrage in China nimmt weiter zu In China sieht es nicht viel besser aus. Im bevölkerungsreichsten Land der Erde wird mit einer Nachfragesteigerung bis 2015 von plus 17 Mio. t gerechnet. Die Eigenproduktion kann da nicht mithalten, zumal sich die chinesische Regierung nachhaltiges Wirtschaften auf die Fahnen geschrieben hat und sich die Produktionszuwächse damit verlangsamen dürften. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sieht ähnliche Trends und geht ebenfalls von einem wachsenden Fleischverzehr aus. Nach Berechnungen der OECD wird die Nachfrage in den Schwellenländern jährlich um 2,2 % steigen. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Uno (FAO) beziffert das Nachfragewachstum sogar auf 4 % pro Jahr. Es verwundert also nicht, dass Drittländer wie Russland und China sowie Vietnam und Südkorea, hier liegt der SVG bei 70 % und der Importbedarf bei rund 400 000 t pro Jahr, besonders stark im Visier der Exporteure stehen. Was den Drittlandsexport betrifft, ist die Firma Tönnies derzeit gut im Geschäft. Sie exportiert rund 50 % ihrer gesamten Ausfuhren in Drittländer. Die guten Beziehungen von Firmenchef Clemens Tönnies nach Russland scheinen sich auszuzahlen. Aber auch Westfleisch spielt auf dem russischen Markt eine bedeutende Rolle. Sie schickt jede Woche 1 000 t frisches und gefrorenes Fleisch nach Russland, die Vion steht dem in nichts nach. Insgesamt konnten die deutschen Fleischvermarkter und Exporteure im letzten Jahr rund 20 % mehr Ware in Russland absetzen. Ihre EU-Kollegen mussten hingegen Einbrüche hinnehmen. Das zeigt die derzeit starke Stellung der deutschen Unternehmen. Die Drittlandsmärkte bieten neben dem hohen Nachfragepotenzial weitere Vorteile. Beim Russlandexport trägt der Importeur das Währungsrisiko. Alle Geschäfte werden auf Euro-Basis abgerechnet. In China vereinfacht das übersichtliche Zollsystem den Export. Die Chinesen unterscheiden nicht zwischen frischer und gefrorener Ware. Knackpunkte liegen meist in der Vertragsgestaltung. Verträge haben in China keinen hohen Stellenwert. Eine Unterschrift bedeutet noch lange nicht, dass sich die Chinesen auch daran halten. In Russland kommt es immer wieder zu Problemen beim Zollrecht. Häufig ändern sich die Zuständigkeiten der Zollämter. Wohin die notwendigen Exportpapiere zu schicken sind, weiß man oft erst zwei oder drei Monate später. Vertrauensbildung wichtig Damit die Drittlandsmärkte dauerhaft zugänglich bleiben, müssen alle an der Produktions- und Verarbeitungskette Beteiligten ihre Hausaufgaben machen. Für die Schlachtindustrie gilt, Vertrauen zu den jeweiligen Handelspartnern aufzubauen. Das Zwischenmenschliche muss passen, Kontakte müssen ständig gepflegt werden. Das kostet viel Zeit. „Gehen Sie davon aus, dass Sie bei einer einwöchigen Reise nach Russland oder China zwei volle Tage zum Kennenlernen benötigen. An beiden Tagen darf das Geschäftliche keine Rolle spielen, zuerst stehen die privaten Dinge ihres Gegenübers im Vordergrund“, berichtet Josef Tillmann aus eigener Erfahrung. Und vieles, was in Deutschland üblich ist, stößt in anderen Ländern auf Ablehnung. „In China wird das Preisschild aus Höflichkeit nicht entfernt. So weiß der Gegenüber, welchen Wert er beim Gegentreffen zurückzuschenken hat“, musste Dr. Wilhelm Jäger jüngst feststellen. „In Deutschland wäre so etwas undenkbar“, betont der bei der Firma Tönnies-Fleisch für landwirtschaft-liche Angelegenheiten zuständige Experte. Das Beispiel zeigt sehr gut, wie verschieden die Mentalitäten und Volksgruppen sind. Wer die Spielregeln und Gepflogenheiten seiner Abnehmer nicht kennt, wird keinen Geschäftsabschluss tätigen. Genauso wichtig ist es, Leute vor Ort zu haben, die die Muttersprache beherrschen. „Nur so kommt man an die wirklichen Entscheidungsträger heran“, lautet der Tipp von Egbert Klokkers. „Zusätzlich sollten sie Verkaufsbüros vor Ort haben, sonst geht gar nichts“, ergänzt Norbert Barfuß. Qualitäten müssen stimmen Entscheidend im Exportpoker sind außerdem gute Warenqualitäten, Produktfrische, eine lange Haltbarkeit und eine optimale Produkthygiene. Alle Produkte müssen mindestens dem IFS-Standard (International Food Standard) genügen. Dieser definiert u. a. inhaltliche Anforderungen an die Ware, den Ablauf und die Bewertung eines Audits sowie das Anforderungsprofil für die Auditierungsorganisationen. Nicht minder wichtig ist, dass landwirtschaftliche Betriebe die QS-Vorgaben erfüllen. Über das deutsche QS-System wird unter anderem nachgewiesen, welche Arzneimittel eingesetzt und welche Hygienemaßnahmen umgesetzt wurden. „Die Nachweisbarkeit der Prozessqualitäten und die Nachhaltigkeit der Produktion sind wichtige Verkaufsargumente“, erklärt Norbert Barfuß. Auch der Tierschutz in Deutschland spielt für die Abnehmer in den Drittländern eine Rolle, ergänzt Josef Tillmann. „Dort werden zum Teil schon heute Diskussionen darüber geführt, ob Produkte von Schweinen, die bei uns auf Vollspaltenboden gemästet wurden, künftig überhaupt noch importiert werden dürfen. Mit diesem Thema werden wir uns in Zukunft verstärkt auseinandersetzen müssen.“ Zankapfel Rückstandsproblematik Außer den international gültigen Qualitätsstandards erfolgen zusätzliche Kontrollen. Länder wie Russland fordern vor jeder Lieferung Veterinärbescheinigungen und Fleischproben. Diese werden vor Ort untersucht. Erst wenn alles in Ordnung ist, darf die Ware importiert werden. Gleichzeitig verlangt man einen regelmäßigen Einblick in die Produktion in Deutschland. So sollen russische Inspektoren in diesem Jahr beabsichtigen, mehrere hundert landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland zu besuchen und die Einhaltung von Hygienevorgaben und den Arzneimitteleinsatz zu überprüfen. EU-Vorgaben oder europäische Grenzwerte haben bei den Kontrollen meist keine Bedeutung, vielmehr werden eigene Grenzwerte willkürlich festgelegt. Welche Folgen das haben kann, wurde Ende 2009 deutlich. In mehreren nach Russland importierten Chargen Schweinefleisch hat man minimale Tetracyclinwerte nachgewiesen. Die Russen nahmen dies zum Anlass, mehr als ein Dutzend deutscher Exporteure zu sperren. Hinter solch einer Vorgehensweise stecken meist marktpolitische Gründe, man will Druck auf die Exporteure aufbauen, die Spielregeln selbst bestimmen und zeigen, wer Herr im Hause ist. Sollten wir uns solche Spielchen gefallen lassen? „Ob solch ein Katz- und Maus-Spiel richtig ist oder nicht, steht nicht zur Diskussion. Darüber brauchen wir uns nicht den Kopf zerbrechen, die Russen verlangen eine Nulltoleranz. Wollen wir im Geschäft bleiben, haben wir uns an die Vorgaben zu halten“, betont Josef Tillmann. In diesem Zusammenhang appellieren Dr. Wilhelm Jäger und Norbert Barfuß noch einmal eindringlich an alle Schweinehalter, dass Thema Rückstandsproblematik nicht zu vernachlässigen. „Diesbezüglich müssen die Landwirte ihre Hausaufgaben erledigen. Besonders in Bezug auf den Arzneimitteleinsatz sind wir auf die Kooperation der Landwirte angewiesen. Nur wenn die Schweinehalter offen mit dem Thema umgehen und die Informationen innerhalb der Produktionskette lückenlos fließen, können wir solche Vorfälle verhindern.“ Genauso sieht es Egbert Klokkers von Westfleisch. Auch er fordert die Landwirte zu mehr Offenheit in Bezug auf den Arzneimitteleinsatz gegenüber den Vermarktungsunternehmen auf, um den Export nicht zu gefährden. Über 30 ct Preisverfall bei Pestausbruch Besonderen Zündstoff birgt das Thema Schweinepest. Sollte in Deutschland tatsächlich ein Pestfall auftreten – egal ob bei Haus- oder Wildschweinen –, ist der Export sofort tot. Allein durch das Auftreten eines einzigen Pestfalls bei einem Wildschwein im rechtsrheinischen Rheinland im Januar 2009 ist der lukrative japanische Markt seit über einem Jahr für deutsche Lieferanten dicht. Die Japaner legen sehr hohen Wert auf Produktsicherheit und Qualität. Was geschehen würde, wenn ein Pestfall in einer Intensivregion auftreten würde, mag man sich gar nicht erst vorstellen. Die Auswirkungen eines Pestzuges auf den Schweinepreis wären katas-trophal. Sämtliche Importnationen würden ihre Grenzen sofort schließen. Der deutsche Markt würde mit Schweinefleisch überschwemmt. „Pestbedingte Ausfuhrsperren dürften den Schweinepreis um mindestens 25 bis 30 Cent pro kg SG einbrechen lassen“, warnt Josef Tillmann eindringlich vor jeglicher Nachlässigkeit. In ähnlichen Größenordnungen denkt man bei Westfleisch und bei Vion. Und wenn Schlachtnebenprodukte wie Pfötchen, Schwänze oder Ohren nicht mehr in Asien abzusetzen wären, müssten diese in Deutschland entsorgt bzw. verarbeitet werden. Dann wäre die zusätzliche Wertschöpfung von rund 4,20 € pro Schwein, die Westfleisch im letzten Jahr durch den Verkauf dieser Produkte erzielte, futsch. Schlachter suchen noch mehr Tiere Bleibt die Frage: Was bringt die Zukunft, steigt das Exportvolumen weiter an? Nach Meinung der Schlachtunternehmen wird das so sein. Ihr Optimismus stützt sich u. a. auf Expertenaussagen. So wurde auf dem letztjährigen Weltschweinefleischkongress in China prognostiziert, dass bis zum Jahr 2015 ca. 20 % mehr tierische Proteine auf dem Weltmarkt nachgefragt werden. Die OECD geht von ähnlichen Größenordnungen aus. Auch die FAO sagt einen steigenden Fleischkonsum voraus, wie Übersicht 4 zeigt. „Diese Einschätzungen teile ich“, so Egbert Klokkers. Ist das eine Aufforderung an Deutschlands Bauern, weitere Produktionskapazitäten aufzubauen? „Ja. Ich denke, wir können in Deutschland eine weitere Steigerung des Selbstversorgungsgrades vertragen. Diese zusätzlichen Fleischmengen lassen sich im Ausland absetzen“, so Norbert Barfuß. Exportleiter Egbert Klokkers schließt sich der Meinung des Vion-Geschäftführers an. „Im Export haben wir noch Luft. Afrika wird künftig verstärkt in den Fokus der Exportnationen geraten. Sobald sich die politische Lage weiter stabilisiert hat, werden Länder wie Angola oder Nigeria aufgrund ihrer Erdölvorkommen zu größerem Wohlstand kommen. Das stärkt die Kaufkraft und die Leute fragen dann mehr Schweinefleisch nach“, ist sich Vertriebsleiter Klokkers sicher. Erhebliches Absatzpotenzial wird auch in Thailand und den Philippinen gesehen, wo der Pro-Kopf-Verbrauch bei lediglich 11,5 bzw. 17,5 kg liegt. Eine wachsende Mittelschicht und veränderte Essgewohnheiten hin zu einer fetthaltigeren Nahrung bieten Potenzial. Inwieweit der SVG tatsächlich steigen darf, ohne dass es zu größeren Absatzproblemen kommt, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Viele Experten sind sich jedoch darin einig, dass es zu einer weiteren Steigerung kommt. Einige Fachleute halten 120 % für realistisch, mancher in der Branche hält sogar einen SVG von bis zu 140 % für vertretbar. Politik muss Türen öffnen Damit in Zukunft weitere Länder mit deutschen Fleischprodukten beliefert werden können, muss die Politik neue Türen öffnen. „Wir brauchen den politischen Rückenwind aus Berlin. Staatssekretär Müller und seine Kollegen dürfen bei ihren Bemühungen, neue Kontakte aufzubauen und alte Verbindungen zu pflegen, nicht lockerlassen. Gleichzeitig gilt es, auf der ministeriellen Arbeitsebene ein gutes Verhältnis zu pflegen und neue Veterinärabkommen mit potenziellen Abnehmerländern abzuschließen“, fordert Josef Tillmann. Mit Südkorea ist dies Anfang Februar geglückt. Die dortigen Zulassungsbehörden haben die Veterinärzertifikate unterzeichnet. Begrüßenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Agrarausschuss des Bundestages die Fördermittel für den Agrarexport im Haushalt 2010 kürzlich um 3 Mio. € aufgestockt hat. Zusätzlich muss natürlich die von der Wirtschaft getragene Organisation German Meat ihren Beitrag zur Öffnung neuer Exportmärkte leisten. Messeauftritte und andere repräsentative Aktivitäten muss German Meat koordinieren. Um das zu finanzieren, plädiert Egbert Klokkers für einen finanziellen Obolus der Landwirtschaft. „Eine gute Export-förderung kostet Geld, wir brauchen jede Unterstützung“, betont der umtriebige Manager. „Machen wir in puncto Exportförderung einen guten Job und haben Geld zur Verfügung, liefern wir weiterhin top Qualitäten und gehen wir auf die Bedürfnisse unserer Abnehmer ein, fürchte ich die internationale Konkurrenz nicht“, so Klokkers. Das dürften alle Beteiligten aus der Schlachtbranche ähnlich sehen. Die Konkurrenten sitzen vielmehr in Rheda-Wiedenbrück, Münster, Emsteck, Perleberg, Essen in Oldenburg oder Dissen – alles bundesdeutsche Standorte. Fazit Der Export von deutschem Schweinefleisch boomt. Gute Rohstoffqualitäten, eine wachstumsorientierte Fleisch verarbeitende Industrie, hervorragende Verarbeitungsprozesse, die Technologieführung in puncto Verpackungstechnik sowie der zentrale Standort Deutschlands in Europa sind Grundlagen des Erfolgs. Neben Italien und Holland sind die mittelosteuropäischen Länder wie Polen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien usw. bedeutende Zielmärkte. Zudem werden die Drittlandsmärkte in Russland, China und Südkorea weiter erheblich an Bedeutung gewinnen. Afrika könnte mittelfristig verstärkt in den Fokus rücken. Vor diesem Hintergrund halten deutsche Branchenkenner einen hiesigen Selbstversorgungsgrad von rund 120 % für vertretbar. Man traut sich zu, noch mehr Ware im Ausland abzusetzen. Die deutsche „Export-Erfolgsstory“ wird allerdings nur dann weitergehen, wenn in allen Produktionsstufen die von den Abnehmerländern geforderten Hygienestandards strikt eingehalten werden und die Rückstandsproblematik unter Kontrolle ist. Dafür ist eine lückenlose Informationskette vom Bauern bis zum Abnehmer sicherzustellen. Gleichzeitig gilt es, die Schweinepest unter Kontrolle zu halten. Ein Pestausbruch würde einen Exportstopp mit ungeahnten Folgen auf den Schweinepreis zur Folge haben. Dies dürfte die Existenz vieler deutscher Schweinehalter bedrohen.