Die schmerzfreie Ferkelkastration und das Aus der CMA waren 2009 beherrschende Themen. Wo wir aktuell stehen und welche neuen Auflagen auf uns zukommen, erläutert der Zentralverband der Deutschen Schweineproduktion (ZDS).Trotz Bundestags- und Europawahl hat es im vergangenen Jahr kaum eine Atempause in der Regulierungsflut gegeben. Begonnene Projekte wurden fortgeführt und werden zu neuen Erschwernissen führen, wie z. B. der Leitfaden zur Bewertung von Stickstoffdepositionen. Hinzu kommen Maßnahmen, die der Markt verlangt, wie z. B. aus Gründen des Tierschutzes die Suche nach einer Alternative zur Ferkelkastration. In jedem Falle sind pragmatische Lösungen zu finden. Denn die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Schweinehaltung darf auf keinen Fall gefährdet, sondern muss weiter gestärkt werden. Der Zentralverband der Deutschen Schweineproduktion begleitet diesen Prozess und bringt sich ein. Im Folgenden wird ein Überblick zu den verschiedenen Gesetzesvorhaben gegeben. Ferkelkastration nicht ohne Schmerzbehandlung Als Reaktion auf die niederländische Initiative zur Ferkelkastration mit Betäubung und zum langfristigen Verzicht auf die Kastration ist auf QS-Ebene die Einführung der Schmerzbehandlung zum 1.4.2009 beschlossen worden. Es handelt sich um eine Übergangslösung, bis eine geeignete Alternative zur Ferkelkastration verfügbar ist. Solange es kein amtlich zugelassenes Schmerzmittel für diesen speziellen Zweck gibt, muss der Tierarzt eine arzneimittelrechtliche Umwidmung vornehmen. Dies entfällt mit der in nächster Zeit erwarteten ersten Zulassung eines Mittels. Gleichzeitig kann davon ausgegangen werden, dass die Schmerzbehandlung im Rahmen des QS-Programms zum k.o.-Kriterium heraufgestuft wird. Wer dann den Nachweis für die Durchführung der Schmerzbehandlung nicht erbringen kann, muss Sanktionen befürchten. Forschung für die Ebermast Mit dem QS-Beschluss zur Schmerz-behandlung ist der Auftrag verbunden, eine praxistaugliche Alternative zur Ferkelkastration zu entwickeln. Dies führte zu der Entscheidung, die Machbarkeit der Jungebermast wissenschaftlich zu prüfen. Hierfür wurden verschiedene Forschungsprojekte initiiert: Züchtung: In diesem Projekt erfolgt eine Bestandsaufnahme zum Vorkommen des so genannten Geschlechtsgeruchs in der deutschen Genetik. Aus der Untersuchung von 1 000 Endprodukt-ebern sollen Zuchtstrategien zur Verminderung des Geschlechtsgeruchs abgeleitet werden. Sensorik: Geschlechtsgeruch muss sicher identifiziert werden können. Zu diesem Zweck wird eine spezielle Expertengruppe in der Wahrnehmung und Unterscheidung von Gerüchen geschult. Das Ergebnis dieses Projektes bildet die Basis für die automatische Geruchsdetektion (Elektronische Nase), um geruchsbelastete Schlachtkörper aufzu-spüren und eine Geruchsklassifizierung vorzunehmen. Fütterung/Haltung: In diesem Projekt zur Haltung und Fütterung sollen die besonderen Anforderungen von Jungebern an die Haltungsumwelt und an die Fütterung sowie die biologischen und wirtschaftlichen Leistungen erfasst werden. Vermarktung: Eine spezielle Schlachtkörperbewertung ist erforderlich, um eine wertgerechte Klassifizierung und Bezahlung von Jungeber-Schlachtkörpern vornehmen zu können. Außerdem gilt es, Verarbeitungstechnologien zu entwickeln und zu optimieren, die geeignet sind, geruchsfreie Verkaufsprodukte zu garantieren. Sauen: Gruppenhaltung rechtzeitig planen! Während der Stall für tragende Sauen in allen Neubauten bereits seit 2003 für die Gruppenhaltung ausgestattet sein muss, gilt diese Forderung ab 2013 auch für Altbauten. Aktuelle Umfragen zeigen, dass EU-weit eine Vielzahl von Betrieben noch keine Umrüstung vorgenommen hat. Angesichts der seit Jahren anhaltend schlechten Ertragslage in der Ferkelerzeugung gibt es daher Stimmen, die nach einer Fristverlängerung rufen. Allerdings ist kaum vorstellbar, dass hierfür eine EU-Mehrheit gewonnen werden kann. Um eine Kürzung von Direktzahlungen aufgrund einer Cross Compliance-Beanstandung zu vermeiden, sollten die Betriebe, die bislang noch nicht umgerüstet haben, umgehend entsprechende Planungen vorantreiben. Die bevorstehende EuroTier-Ausstellung in Hannover mit einem besonderen „Special“ zur Gruppenhaltung bietet eine günstige Gelegenheit, sich einen Überblick über geeignete Systeme zu verschaffen. Leider ist zu befürchten, dass vielen Ferkelerzeugern das Geld und die wirtschaftliche Perspektive für diese Investition fehlen und es daher nach Ablauf der Frist eine hohe Zahl „Aussteiger“ geben wird. Pestbekämpfung weiter im Fokus Als wichtigste Maßnahme gegen die Schweinepest muss nach wie vor die intensive Schwarzwildbejagung genannt werden. In den Bundesländern und Kreisen sind hierzu viele Gespräche zwischen den Beteiligten, insbesondere den Jägern, den Behörden und den Landwirten geführt worden. Das Verständnis und die gegenseitige Unterstützung konnte hierdurch deutlich verbessert werden. Allerdings gibt es anhaltend erheblichen Handlungsbedarf. Angesichts der starken Vermehrung der Wildschweine darf die Intensität der Bejagung auf keinen Fall vermindert werden. Hinsichtlich der Untersuchungsauflagen, z. B. Trichinen, Schweinepest und AK, müssen von behördlicher Seite größtmögliche Erleichterungen und Entlastungen für die Jäger geschaffen werden. Sowohl die Kosten als auch der zeitliche Aufwand für diese Untersuchungen müssen auf ein Minimum reduziert werden, um das Interesse an der Schwarzwildjagd zu sichern. Insbesondere für Frischlinge lohnt sich die Jagd nicht, wenn sie mit zeitlichem und finanziellem Aufwand für Behördengänge verbunden ist. Die Konsequenzen eines Seuchengeschehens in einer Veredlungsregion, sei es bei Schwarzwild oder bei Ausbruch in einem Hausschweinebestand, wären angesichts der Exportabhängigkeit des Schweinemarktes dramatisch und würden alles Bisherige in den Schatten stellen. Zur Früherkennung und zur schnellen Eingrenzung eines Seuchenausbruches ist die Schweinehaltungshygieneverordnung im Juni 2009 dahingehend ergänzt worden, dass eine Ursachenfeststellung nicht nur bei gehäuften Todesfällen, Kümmerern und Fieber im Bestand, sondern auch bei maximal zweimaliger erfolgloser Antibiotikabehandlung eingeleitet werden muss. Darüber hinaus sollen Konzepte für eine verbesserte Gestaltung von Schutzzonen im Seuchenfall entwickelt werden. Unter Berücksichtigung bestehender Vermarktungswege und Infrastrukturen sollen zum Beispiel regionale „Kompartimente“ gebildet werden, in denen Tierverkehr erlaubt ist und die ggf. über einen längeren Zeitraum als Schutzzone autark bestehen bleiben können. Einzelheiten hierzu sind noch zu klären. „Ohne Gentechnik“-Siegel ist falsches Signal In einer überraschenden Aktion wurde von Bundesministerin Ilse Aigner Mitte 2009 ein Siegel für GVO-freie Produkte eingeführt. Dabei wird Gentechnik zunehmend in allen Lebensbereichen genutzt und der weltweite Anbau von GVO-Pflanzen expandiert. So erscheint es in höchstem Maße riskant, GVO-freie Ware zu deklarieren. Schließlich steigt mit einer ständigen Verbesserung der Labortechnik das Risiko des Nachweises einer GVO-Kontamination. So reichen z. B. geringe Mengen GVO-Mais, um eine ganze Schiffsladung Sojaschrot als GVO-Ware abzustempeln. Damit verbindet sich das wirtschaftliche Risiko, kontaminierte Rohstoffe zurückweisen oder Produkte zurückrufen zu müssen. Hinzu kommt, dass auch bei der Kennzeichnung als „GVO-frei“ eine Toleranz von 0,9 % für die Kontamination mit zugelassener GVO-Ware gestattet ist. Die Nutzung des Labels stellt also letztlich eine Verbrauchertäuschung dar. Vielmehr fordert der ZDS gemeinsam mit anderen Verbänden der Agrarwirtschaft eine beschleunigte Zulassung von GVO-Ware, um die deutschen und europäischen Schweinehalter nicht durch eine Verknappung von zugelassenem Soja im interna-tionalen Wettbewerb zu isolieren. Exportförderung und Imagearbeit Mit der Auflösung der CMA durch ein höchstrichterliches Urteil mussten die Auslandsaktivitäten der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft neu gebündelt werden. Nach schwierigen Verhandlungen und verschiedenen Initiativen wurde schließlich die GEFA „German Export Association for Food and Agriproducts“ gegründet. Getragen und finanziert wird diese Kopfstelle der Exportförderung im Wesentlichen von den Wirtschafts-verbänden der Fleischwirtschaft (German Meat), der Tierzucht (German Livestock), der Süßwarenindus-trie (German Sweets) und anderen mehr. Das BMELV stellt Fördermittel zur Unterstützung der GEFA-Aktivitäten im Ausland zur Verfügung. Auch die Image- und Öffentlichkeitsarbeit ist nach dem Aus der CMA neu zu formieren. Auf Initiative des Bundesmarktverbandes für Vieh und Fleisch soll hier-für baldmöglichst eine neue, „schlanke Kopfstelle“ geschaffen werden, die in der Lage ist, auch im Krisenfall effizient, schnell und gezielte Medienarbeit zu leisten. Über den Bedarf dieser Einrichtung sind sich alle Branchenverbände einig. Einzelheiten der Ausgestaltung und insbesondere der Finanzierung sind allerdings noch zu klären.