Die Würfel sind gefallen. Deutschland hat einen neuen Landwirtschaftsminister, mit dem wohl keiner gerechnet hat. Der bisherige Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich tritt die Nachfolge von Ilse Aigner an. Der 56-jährige Jurist stammt aus einer ländlichen Region in Oberfranken. Landwirtschaft stand bei ihm bisher wenig auf der Tagesordnung. Wichtiger ist, wie er sich in die neue Thematik einarbeitet und sein Ministerium führt. In seinem ersten Interview als Landwirtschaftsminister verspricht er zwar, sich für den Erhalt einer unternehmerischen Landwirtschaft mit den vielen Familienbetrieben einzusetzen. Insgesamt bleibt er jedoch vage. Fakt ist: Friedrichs Ministerium verliert teilweise die Zuständigkeit für den Verbraucherschutz. Viele sehen dies als Schwächung. Aus Sicht der ISN kann die Konzentration auf die Landwirtschaft und Ernährung auch von Vorteil sein. Und zwar dann, wenn der Minister die Bedeutung der Landwirtschaft im Kabinett herausstellt. Doch bleibt die Sorge, dass die Landwirtschaft in der nächsten Legislaturperiode zur Unterabteilung im Wirtschafts- oder Umweltressort wird. Die Arbeitsaufträge der neuen Koalition in Bezug auf die Tierhaltung stehen fest. Das Ergebnis ist aus Sicht der ISN grundsätzlich positiv. Es wird nun darauf ankommen, wie die eher unkonkreten Formulierungen ausgestaltet werden. Sprengstoff bergen kann durchaus das Ziel der flächengebundenen Nutztierhaltung. Soll dies eine grundsätzliche Absage an die gewerbliche Nutztierhaltung sein? Der angekündigte wissenschaftliche Diskurs über die Bestandsgrößen bei tiergerechter Tierhaltung ist eigentlich bereits von Wissenschaftlern beantwortet. Tierschutz ist keine Frage der Größe des Betriebes! Beschlossen hat die Koalition zudem eine Tierwohloffensive, welche das Tiergesundheitsgesetz und das Tierarzneimittelrecht zusammenführen soll. Die Regeln zur Verringerung des Antibiotikaeinsatzes will die Große Koalition unbürokratisch und praxisnah umsetzen. Aber auch hierbei ist noch offen, wie das konkret erfolgen soll. Kritisch sieht die ISN das geplante Prüf- und Zulassungsverfahren für Tierhaltungssysteme. Schon jetzt erfüllen unsere Haltungssysteme höchste Ansprüche im Hinblick auf Tierwohl und Tiergesundheit. Ein Tierschutz-TÜV verursacht mehr Bürokratie und Kosten und bremst Innovationen aus. Erfreulich ist, dass es laut Koalitionsvertrag kein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände auf Bundesebene geben soll. Jedoch ist diese Kuh nicht vom Eis. Denn was auf Bundesebene bislang abgewendet wurde, ist in den Bundesländern mit grünen Landwirtschaftsministerien teilweise schon eingeführt wie in NRW oder auf dem Weg wie in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. An diesem Beispiel wird deutlich: Die Agrarpolitik in einigen für die Tierhaltung wichtigen Bundesländern läuft in eine andere Richtung als die im Bund. Und der Einfluss der grünen Landwirtschaftsministerinnen und -minister, die eine Agrarwende wollen, wächst. Mittlerweile regieren in Deutschlands Bundesländern bereits sechs grüne Agrarminister (siehe Karte). Der sogenannte grüne Halbmond erstreckt sich inzwischen von der Nordsee bis zum Bodensee. Während alle nach Berlin schauen, arbeiten die grünen Landesagrarminister fleißig weiter an Verschärfungen im Bereich der Tierhaltung. Zum einen nutzen sie ihr gemeinsames Gewicht im Bundesrat. Zum anderen treiben sie mit einzelnen Vorstößen in den Ländern die Verschärfungen voran. Durch die Besetzung vieler Länder-agrarressorts mit grünen Ministern verschieben sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. SPD und Grüne können mit eigenen Gesetzesinitiativen Druck auf die Bundesregierung ausüben oder den Gesetzesprozess hinauszögern. So hat die rot-grün geprägte Länderkammer beispielsweise die Gesetzesinitiative zum Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung im März 2013 vorerst gestoppt. Das Gesetz war den grünen Ministern unzureichend. Darüber hinaus wurde die einflussreiche Stellung der rot-grünen Landwirtschaftsministerien im Ringen um die EU-Agrarreform deutlich. Im Spätsommer 2013 legten die grünen Landesagrarminister ein eigenes Konzept für die Umsetzung vor. Alle 16 Minister haben sich schlussendlich auf einen Kompromiss geeinigt, der eine starke Berücksichtigung der grünen Agrarminister fand. Daran wird deutlich, wie stark die Marschrichtung der grünen Landesminister inzwischen nach Berlin ausstrahlt. Doch damit nicht genug. In vielen Bundesländern gibt es inzwischen runde Tische, Verbändeanhörungen etc. zur Tierhaltung. Der bekannteste und umfangreichste Austausch findet in Niedersachsen im Rahmen des dortigen Tierschutzplanes statt. Dieser ist bereits von der schwarz-gelben Vorgängerregierung ins Leben gerufen worden. Erfreulicherweise hat die neue Landesregierung den Ball aufgenommen und führt den Dialog mit den Bauern und den gesellschaftlichen Gruppen weiter. Ziel war bislang immer der ergebnisoffene konstruktive Dialog. Der Wind scheint diesbezüglich allerdings rauer zu werden. Positiv zu bewerten sind die umfangreichen finanziellen Projektmittel, die das Land Niedersachsen zur Lösung wichtiger Fragen bereitstellt. Wenig erfreulich verläuft aus Sicht der ISN der Dialog in NRW. Hier werden die verschiedensten Verbände seitens des Landwirtschaftsministeriums zu Anhörungen eingeladen, um im Anschluss mit entsprechendem Ordnungsrecht die Keule herauszuholen. Ein Beispiel ist die NRW-Bundesratsinitiative zur Änderung der Nutztierhaltungsverordnung. Hier wurde zunächst zum Thema leistungsmäßige Überforderung der Tiere eingeladen, im Kern ging es aber direkt um die genannte Initiative. Auch in Schleswig-Holstein hat der grüne Minister Robert Habeck mittlerweile einen runden Tisch zum Tierschutz in der Nutztierhaltung ins Leben gerufen. Die entsprechenden Untergruppen orientieren sich inhaltlich am Tierschutzplan Niedersachsen. In Baden-Württemberg hat Agrarminister Alexander Bonde einen Diskussionsprozess zur Tierhaltung angestoßen. Das Besondere bei diesem runden Tisch ist, dass er nur mit Beteiligung von Wirtschaftsfachleuten stattfindet und Tierschutzorganisationen nicht eingebunden sind. Rheinland-Pfalz hängt sich aufgrund seiner untergeordneten Bedeutung im Schweinesektor an die Entscheidungen anderer Länder an. Wie sich Hessen mit seiner neuen grünen Agrarministerin aufstellt, bleibt abzuwarten. Der fachliche Austausch zwischen den grünen Länderministerien funktioniert gut. Die beiden Agrarministerien in NRW und Niedersachsen bezeichnen sich gelegentlich sogar als Schwesterministerien. Dies ist zunächst positiv. So weichen die Vorgaben für die Bauern weniger stark voneinander ab. Das einheitliche Vorgehen heißt aber auch, dass die jeweiligen Vorstöße – z.B. im Bundesrat – wechselseitig unterstützt werden. Auch hier platzieren sich die grünen Agrarministerien in NRW und Niedersachsen als Vorreiter. Die übrigen Länder fahren im Windschatten mit. Die Themen zur Schweinehaltung sind in allen Bundesländern die gleichen. Im Fokus stehen Eingriffe am Tier, die Haltungssysteme sowie das Emissions- und Düngerecht. NRW ist beispielsweise Treiber in Sachen Haltungsauflagen. Dieses wird in der NRW-Bundesratsinitiative zur Verschärfung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung deutlich. Diese sieht viele Verschärfungen vor – von der Säugezeit über den Rohfaseranteil im Futter bis zu höheren Platzvorgaben. Auch wenn viele dieser Forderungen wohl nicht kommen werden, so wurde mitten im Bundestagswahlkampf massiver Druck über den Bundesrat auf die Gesetzgebung ausgeübt. Dieser Druck ist noch nicht abgelassen. In Niedersachsen wird neben dem Tierschutz aktuell insbesondere ein Fokus auf den Bereich Nährstoffmanagement und Emissionen gelegt. Minister Meyer hat in seinen ersten Amtshandlungen den sogenannten Filtererlass für große Ställe nach dem Vorbild aus NRW in Niedersachsen mehr oder weniger übernommen. Auch die Forderung sogenannter Keimgutachten hat er nach dem Beispiel aus NRW umgesetzt, und sogar noch um strengere Vorgaben bezüglich Gesundheits- und Immissionsschutz beim Stallbau erweitert. Aktuell stehen in Niedersachsen weitere Verschärfungen an. Aus dem im November 2013 vorgelegten niedersächsischen Nährstoffbericht zieht Christian Meyer den Schluss, der Gülleüberschuss sei zu hoch. So hat er ein flächenbezogenes Güllekataster auf den Weg gebracht. Insgesamt untermauern die grünen Agrarminister den Ruf als Verbotspartei. Ordnungsrecht steht bei ihnen hoch im Kurs. So hat jüngst Minister Meyer in einem Brief an die ISN betont, das Ordnungsrecht müsse mehr Gewicht beim Grundwasserschutz bekommen. Doch gerade in diesem Bereich gibt es schon viele Kooperationen zwischen Landwirten und Wasserwirtschaft. Hier liegt das Problem der grünen Minister – an der Spitze Johannes Remmel und Christian Meyer: Sie glauben mit gesetzlichen Vorgaben mehr zu erreichen als durch die Eigenverantwortung der Landwirte. Dabei verdeutlichen sie wiederholt, dass sie den konventionellen Bauern nicht vertrauen. Eine positive Ausnahme scheint Schleswig-Holsteins Minister Habeck mit einem offenen Ohr für die Tierhalter zu sein. Der Einfluss der Grünen auf die Tierhaltung wächst. Auf Länderebene haben die grünen Agrarminister bereits etliche Verschärfungen verhängt, weitere sind geplant. Über den Bundesrat wird zusätzlich Druck auf Berlin gemacht. Auch nutzen Remmel, Meyer & Co. gezielt die Medien, um z. B. wie jüngst auf der Grünen Woche gegen den Hormoneinsatz bei Sauen Stimmung zu machen. Dadurch spitzt sich der Widerspruch zwischen hohen Umwelt- und Tierschutzanforderungen und dem Wunschbild der grünen Minister nach dem Idealbild kleinbäuerlicher Familienbetriebe weiter zu. Denn genau diese Familienbetriebe fallen gesetzlichen Verschärfungen als erstes zum Opfer. Oder geht es im Grunde nur darum, Tierhaltung zu verhindern? Der von der grünen NRW-Landtagsfraktion kürzlich initiierte runde Tisch gegen Massentierhaltung lässt dies zumindest vermuten. Stärkere Kopplung an Fläche Bund und Länder oft uneins Druck über den Bundesrat Runde Tische zur Tierhaltung Länder stimmen sich ab Remmel und Meyer vorweg Grüne als Verbotspartei Wie geht’s weiter? -Gesa Lampe, ISN- In Berlin bleibt das Agrarressort in CSU-Hand. Doch auf Länderebene regieren bereits sechs grüne Agrarminister. Was heißt das für die Tierhalter?