Der Schlachtschweinemarkt präsentierte sich im Sommer äußerst stabil. Getragen vom knappen Angebot und der Grillsaison kletterte der Preis in wenigen Wochen um mehr als 25 Cent auf 1,81 €. Dort hielt sich die Notierung bis Anfang Juli über fünf Wochen.
Doch was dann am Schweinemarkt ablief, versetzte selbst Insider in Staunen. So hatte die Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) ihre Notierung in zwei Wochen bereits um 11 Cent auf 1,70 € gesenkt. Dennoch setzten Tönnies, Vion, Westfleisch und Danish Crown Hauspreise von 1,67 € fest. Sie forderten sogar die Preissenkung auf 1,65 €.
Trotz des Drucks beließ die VEZG die Notierung bei 1,70 €. Denn aus ihrer Sicht hatte man mit der Absenkung um 11 Cent angemessen auf die typische Marktschwäche zum Ferienbeginn reagiert. Gegen eine weitere Preissenkung sprachen mehrere Gründe:
- Das Lebendangebot blieb fortlaufend knapp – insbesondere im Süden.
- Der Mittelstand und die Schlachter im Süden zahlten die VEZG-Notierung.
- Im benachbarten Ausland blieben die Notierungen stabil.
- Der deutsche Preisdruck sorgte für Unverständnis bei den Nachbarn.
Hauspreisfront bröckelt
Dass die VEZG richtig lag, bestätigte sich in den folgenden Wochen. Zwar dehnten die großen Schlachthöfe ihre Hauspreise offiziell auf drei Wochen aus (siehe Übersicht 1). Doch hinter den Kulissen bröckelte die Preisfront, die zumindest aus Sicht des Kartellrechts Fragen aufwirft.
So stiegen Danish Crown und Westfleisch in der zweiten bzw. dritten Hauspreiswoche aus und zahlten wieder die Notierung. Die Vertragsmäster der Westfleisch waren ohnehin weniger stark betroffen, da sie einen abgemilderten Hauspreis erhielten.
Auch die hartnäckigen Hauspreiszahler Tönnies und Vion mussten Zugeständnisse machen. Um genug Tiere zu bekommen, zahlten sie verschiedene Boni auf den Hauspreis. Fraglich ist, ob Tönnies Lifestock den Hauspreis der eigenen Konzernspitze umsetzte oder den VEZG-Preis zahlte.
So gelang es den Erzeugergemeinschaften im Juli gut, die Hauspreissünder zu umfahren. Auch aufgrund des knappen Angebots ließen sich zahlreiche Schweine an Schlachthöfe umleiten, die weiter die Notierung zahlten.
Das bekam insbesondere Tönnies zu spüren. Der Marktführer musste z.B. seine Schlachtungen in Sögel merklich herunterfahren – ein Novum für den wachstumsorientierten Konzern.
Doch die Hauspreisphase im Juli brachte weitere Erkenntnisse:
- Die vier großen Schlachthöfe zeigten sich zumindest zu Beginn der Hauspreisphase erstaunlich einig. Bisher waren meist zwei Große vorgeprescht, die anderen zahlten Notierung.
- Mit drei Wochen war die Hauspreis- phase ungewöhnlich lang. Bisher lenkte nach einer Woche entweder die rote oder grüne Seite ein.
- Die Hauspreise trafen im Juli auf einen fallenden Markt. Bislang wollten die Schlachthöfe meist eine Preissteigerung der VEZG nicht mitgehen.
Verlierer auf beiden Seiten
Auffallend ist auch, dass bei den Hauspreisen zunehmend Tönnies vorangeht. So präsentierte sich das Unternehmen im Juli als Vorreiter bei der Meldung eines abweichenden Preises. Zudem hatte Tönnies am längsten auf dem Hauspreis beharrt.
Auch bei der Frequenz der Hauspreise kommt es offenbar zu Verschiebungen. So gaben Danish Crown und Vion im Jahr 2015 und 2016 mit bis zu neun Abweichungen die meisten Hauspreise heraus (siehe Übersicht 2). Dieses Jahr führt Tönnies mit fünf Hauspreisen die Negativ-Liste zusammen mit Vion an.
Egal wer die Hauspreise in den Markt ruft, das Gezerre um die Notierung hinterlässt auf beiden Seiten Schäden. So erhalten etliche Mäster schlechtere Auszahlungspreise. Zwar gleichen die Erzeugergemeinschaften, Genossenschaft und Händler die Differenz aus der Rücklage aus. Doch bei drei Hauspreiswochen in Folge ist die Kriegskasse schnell erschöpft.
Ungleiche Machtverteilung
Auch die Schlachthöfe müssen Federn lassen. Denn nichts ist im knappen Fleischgeschäft schlimmer als leere Schlachthaken. Und wer Zuschläge auf den Hauspreis zahlt, büßt seinen Einkaufsvorteil schnell ein.
Letztlich schneiden sich die Schlachthöfe mit dem Hauspreis ins eigene Fleisch. So wird der Lebensmittelhandel niedrigere Erzeugerpreise sofort als Argument nutzen, um seinerseits den Einkaufspreis zu drücken.
Doch warum beharrten die großen Schlachthöfe im Juli so hartnäckig auf ihren Hauspreisen? Im Kern geht es wohl um mehr Einfluss auf den Schlachtschweinepreis. So verlangt die Schlachtindustrie schon länger eine stärkere Berücksichtigung ihrer Belange. Die Lage an den Fleischmärkten müsse mehr in die Erzeugerpreise einfließen, so die Forderung.
Die VEZG hält davon wenig. So zeigen umfangreiche Auswertungen, dass die Fleischpreise nicht eng genug mit der Schlachtschweinenotierung korrelieren. Die wesentliche Stellgröße für die Erzeugerpreise bleibt damit das Lebendangebot. Dieses wird von der VEZG wöchentlich erfasst und mit dem Bedarf abgeglichen. Beim Preiskampf im Juli hatte insbesondere das knappe Lebendangebot die Notierung geprägt.
Gegen mehr Einfluss der Schlachthöfe bei der Preisfindung spricht auch die ungleiche Machtverteilung am Schweinemarkt. Hier haben die Erzeuger ohnehin die schwächste Position. So liefern in Deutschland mehr als 15000 Mäster an eine geringe Zahl von Schlachtbetrieben. Dabei kontrollieren allein die drei größten Schlachtkonzerne mehr als 55% des Marktes.
Mehr Preismelder einbinden
Doch wie können die Erzeuger ihre Position stärken? Eine Schlüsselrolle spielt die Zahl der Preismelder in der VEZG. Momentan geben Mittwochvormittags rund 30 Erzeugergemeinschaften ihre Markteinschätzung ab. Die Preismelder verkaufen zusammen rund 220000 Schweine pro Woche, was knapp 25% des Marktes entspricht.
Ziel ist, die Zahl der Preismelder weiter zu erhöhen. Momentan bereitet die VEZG die Einbindung fünf weiterer Preismelder vor. Das Wochenvolumen der Melder steigt damit auf 300000 Schlachtschweine bzw. 30% des Gesamtmarktes. Eine der fünf neuen Erzeugergemeinschaften darf bereits Preise melden, vier weitere befinden sich in der Zulassung. Voraussetzung für die Preismeldung ist die Anerkennung nach dem neuen Agrarmarktstrukturgesetz.
Um eine weitere Konzentration in der Schlachtstufe zu verhindern, sollte man eine möglichst vielfältige Schlachthoflandschaft er- halten. Wichtig ist daher auch, den Mittelstand zu unterstützen. Der Preiskampf im Juli hat noch mal deutlich gezeigt, wie wichtig die kleineren und mittelgroßen Schlachtbetriebe für faire Erzeugerpreise sind.
Auch die Mäster können dazu beitragen, indem sie bei fallenden Preisen nicht mit Panikverkäufen reagieren. Denn diese heizen negative Preistrends an. Im Juli hat auch die besonnene Reaktion vieler Schweinehalter geholfen, den weiteren Preisrückgang zu vermeiden.
Häufig kommt die Steuerung des Angebots ins Gespräch. Dies ist in der Geflügelbranche üblich, doch aufgrund der deutlich längeren Produktionszyklen beim Schwein nicht realistisch.
Letztlich wird weiter die Relation zwischen Lebendangebot und Schlachtkapazitäten den Preis stark prägen. Tierwohlprogramme und Verschärfungen im Bau- und Umweltrecht lassen in den nächsten Jahren eher ein leicht rückläufiges Angebot erwarten.
Gleichzeitig fördert ein gewisser Überstand an Kapazitäten in der deutschen Schlachtbranche den Wettbewerb ums Schwein.
Fazit
Die dreiwöchige Haus- preisphase im Juli hat den Schweinemarkt kräftig durchgewirbelt. Getragen vom knappen Angebot konnte sich der VEZG-Preis am Ende durchsetzen. Dennoch bleibt der Eindruck, dass die vier großen Schlachthöfe ihre Marktposition verstärkt nutzen wollen, um auf die Erzeugerpreise einzuwirken.
Um gegenzuhalten, will die VEZG die Zahl ihrer Preismelder weiter erhöhen. Gleichzeitig gilt es, die mittelständischen Schlachtbetriebe zu fördern. Wichtig ist zudem, dass die Mäster im fallenden Markt besonnen reagieren und Panikverkäufe vermeiden.