Die Rahmenbedingungen für die Schweinehalter ändern sich derzeit rasant. Zum einen nimmt der globale Handel mit Schweinefleisch zu. Dabei gilt der steigende Verbrauch als Wachstumssignal. Zum anderen stößt die hiesige Produktion immer öfter an Grenzen. Neben steigenden Futterkosten sind vor allem die Verschärfungen beim Stallbau sowie der Mangel an Nutzflächen zu nennen. Fakt ist: Etliche Betriebe haben die Grenze ihres Wachstums erreicht. Umso wichtiger wird es, die vorhandene Produktion zu sichern. Dies gilt insbesondere für den Tierschutz. Denn gerade hier läuft eine massive Diskussion in den Medien und der Politik. In dieser Situation erscheint die Initiative Tierwohl als Licht am Horizont. Bundesweit sollen Schweinehalter die mit mehr Tierwohl verbundenen Kosten erstattet bekommen. Zwar muss das Kartellamt noch grünes Licht geben. Doch verhaltener Optimismus ist berechtigt. Weitere Details zu den Pflicht- und Wahlkriterien für Sauen, Ferkel und Mastschweine können Sie in der SUS 5/2013 ab Seite 18 nachlesen. Die konkrete Ausgestaltung der Initiative Tierwohl wird wohl erst in einigen Monaten bekannt. Dennoch lässt sich eine erste Zwischenbilanz ziehen. Positiv ist, dass die Teilnahme an der Initiative freiwillig ist und die Schweine nicht alle Produktionsstufen durchlaufen müssen. So kann ein Mäster auch teilnehmen, wenn sein Ferkelerzeuger nicht mitmacht und umgekehrt. Die Beurteilung der einzelnen Tierwohl-Maßnahmen muss für jede Produktionsstufe separat und betriebsindividuell erfolgen. Im Kern geht es in erster Linie um die Umsetzbarkeit und die Kosten. Es ist zu bedenken, dass es sich bei den Boni um Nettobeträge handelt. Für Pauschalierer kommen noch 10,7 % Umsatzsteuer hinzu. Zunächst zur Mast. Hier gelten für die Teilnahme an der Initiative insgesamt sieben Grundkriterien: Die ersten sechs Anforderungen sind in der Regel gut zu erfüllen. Auch wenn dies einen zeitlichen oder finanziellen Mehraufwand verursacht. Knackpunkt kann allerdings die Fensterfläche sein. Laut Vorgabe muss die Größe der Fenster mindestens 1,5 % der Stallgrundfläche betragen. Da die Kriterien für alle Tiere mit selber VVVO-Nummer gelten, muss die Fensterfläche in allen Abteilen erfüllt sein. Das heißt: Ältere Ställe müssen unter Umständen mit zusätzlichen Fenstern nachgerüstet werden. Wenn die Basiskriterien erfüllt sind, muss der Mäster prüfen, welches der zwei Wahlpflichtkriterien er umsetzt. Hier können die Betriebe zwischen einem höheren Platzangebot für die Tiere oder der Bereitstellung von Raufutter wählen. Die Vergütung eines um 10 % höheren Platzangebotes wurde auf Grundlage eines durchschnittlichen Deckungsbeitrages (DB) mit 2,80 €/Tier kalkuliert. Die Schaffung von mehr Buchtenfläche kann lukrativ sein. In der Regel fällt das Ergebnis bei Großgruppen günstiger aus als bei Kleingruppen. Es gilt abzuwägen, wie hoch der DB im Betrieb ist und welchen Verlust die Senkung der Belegdichte verursacht. Ausgangspunkt ist die gesetzliche Vorgabe von 0,75 m2/Tier. Wichtig ist auch, welche weiteren Folgen die Senkung der Belegdichte bringt. In viehintensiven Regionen geht es besonders um den Nährstoffanfall. Wer Gülle teuer abgeben oder Flächen teuer pachten muss, sorgt mit einer geringeren Belegdichte für Entlastung. Dennoch kommen 20 bzw. 40 % mehr Fläche nur in Einzelfällen in Betracht. Wer sich bei den Wahlpflichtkriterien für Raufutter entscheidet, bekommt 2 € Bonus je Tier. Beim Wühlturm, Raufen etc. sind damit die Vollkosten sicher gedeckt. Beim Raufutter entscheidet eher das Handling, in welchem Umfang dieses Kriterium zum Einsatz kommt. Es geht vor allem um die Verfügbarkeit, Qualität, Lagerplatz, Mehrarbeit und die Verträglichkeit im Güllesystem. Bei den Wahlkriterien reichen die Boni von 20 Cent für die Luftkühlung bis zu 2,50 € je Schwein für die Komfortliegefläche. Letztere ist jedoch nur in Verbindung mit einem 40 % erhöhten Platzangebot zulässig. Sicher ist, dass die Schaffung zusätzlicher Klimareize und Auslauf nur für Betriebe in Betracht kommt, die bereits über entsprechende Stallsysteme verfügen. Ein Umbau lässt sich mit den Boni nicht finanzieren. Besonderes Augenmerk gilt dem Bonus von 1,50 € für die Ebermast. Denn aufgrund der hohen Futterverwertung arbeiten bereits etliche Mäster damit. Neben der Auswahl der Einzelkriterien ist zu beachten, dass die Mäster einen Mindestbonus von 3 € je Tier erreichen müssen. So ergeben sich bevorzugte Kombinationen. Interessant kann z. B. das Angebot von 10 % mehr Buchtenfläche und eine Luftkühlung sein. Wer zusätzlich organisches Beschäftigungsmaterial bereitstellt – das kann ein gewerbliches Produkt wie z. B. MIK-Toy, aber auch eine gute Eigenbaulösung sein – erhöht den Bonus auf 4 € je Schwein. Eine Besonderheit ist das Ringelschwanz-Kriterium. Hier kann der Bonus nur über alle drei Produktionsstufen generiert werden. Wer das Kriterium wählt, kann dies nur mit Begleitung qualifizierter Berater. Zudem muss er auch in den vorgenannten Bereichen an der Initiative teilnehmen. In der Ferkelaufzucht decken sich die Grundanforderungen und deren Konsequenzen bis auf eine Ausnahme mit denen in der Mast. Beim Wahlpflichtprogramm liegen die gleichen Kriterien wie in der Mast vor, die Boni sind analog kalkuliert. So ergeben sich für 10 % mehr Buchtenfläche 80 Cent und für die Verfügbarkeit von Raufutter 40 Cent Bonus je Ferkel. Die Reduzierung des Flächenbedarfs lässt sich nicht so einfach wie in der Mast realisieren. Denn in der Regel steht die eigene Sauenherde vor der Aufzucht. Für ein größeres Platzangebot in der Aufzucht müsste man die Sauenherde reduzieren, um keinen Baubedarf auszulösen. Raufutter als zweites Pflichtkriterium ist in der Ferkelaufzucht relativ gut umsetzbar. Denn die notwendigen Strohmengen sind recht gering. Bei den Wahlkriterien liegen die Boni in der Aufzucht zwischen 20 und 50 Cent je Ferkel. Den geringsten Bonus gibt es für die Schaffung eines Mikroklimabereiches. Dies kann ein klappbarer Deckel an der Wand sein, den viele Betriebe bereits zur Senkung der Heizkosten nutzen. 50 Cent Bonus gibt es für eine Komfortliegefläche. Dieses Kriterium kann allerdings nur mit 40 % mehr Platzangebot gewählt werden. Die Schaffung zusätzlicher Klimareize und Auslauf ist wie in der Mast nur für Betriebe interessant, die entsprechende Ställe haben. In der Ferkelaufzucht konzentriert sich die Auswahl auf das Mikroklima, Beschäftigungsmaterial, Scheuermöglichkeiten und die Beckentränke. In der Ferkelaufzucht beträgt der Mindestbonus 1 € je Ferkel. Gut umsetzbar ist die Kombination von Raufutter mit dem Mikroklimabereich und einer Scheuermöglichkeit. Das bringt in Summe 1 € Bonus je Ferkel. Sofern dies mit dem Raumprogramm in der Sauenherde vereinbar ist, lassen sich auch ein 10 % höheres Flächenangebot und organisches Beschäftigungsmaterial kombinieren. Der Gesamtbonus beträgt dann 1,10 € je Ferkel. Bei den Grundkriterien in der Sauenhaltung liegt die größte Hürde ebenfalls in der Forderung nach einer Tageslichtfläche von mindestens 1,5 %. Auch bei den Sauen muss man sich entscheiden, ob als Wahlpflichtkriterium mehr Buchtenfläche oder Raufutter infrage kommt. Das höhere Flächenangebot muss in der Gruppenhaltung zur Verfügung stehen und mindestens 10 % betragen. Der Bonus ist 1,40 € je Ferkel. Die Umsetzung ist aber weitaus schwerer als in der Mast. Denn eine Reduzierung des Sauenbestandes bringt in der Regel die gesamte Raumplanung durcheinander. Ein Ansatz kann die Vergrößerung der Sauengruppen sein. Denn bei größeren Gruppen lässt die Haltungsverordnung ein kleineres Platzangebot zu. So sinkt die Platzvorgabe von 2,25 auf 2,05 m2 je Sau, sobald die Gruppen mehr als 40 Sauen umfassen. Insgesamt ist die Bereitschaft für eine neue Baumaßnahme wohl eher gering. Denn viele Ferkelerzeuger mussten ihre Ställe kürzlich für die Gruppenhaltung umbauen. Die Raufuttervorlage in der Gruppenhaltung muss mit organischem Nestbaumaterial in der Abferkelbucht kombiniert werden. Nur dann gibt es 90 Cent Bonus je Ferkel. Im Vergleich zum höheren Flächenangebot ist dieses Kriterium für viele Betriebe leichter umzusetzen. Unabhängig von der Initiative Tierwohl bieten bereits etliche Ferkelerzeuger ihren Sauen Raufutter an. Bei den Wahlkriterien ist das Spektrum bei den Sauen am größten. Die Boni beginnen bei 7 Cent für Beckentränken in der Gruppenhaltung und reichen bis 2 € je Ferkel beim Verzicht auf Ferkelschutzkörbe. Nennenswert sind organisches Beschäftigungsmaterial mit 1,15 € Bonus, die Gruppenhaltung ab dem sechsten Tag nach Belegen mit 1,40 € und vierwöchige Säugezeiten mit 1 € Bonus. In der Sauenhaltung ist ein Mindestbonus von 2 € je Ferkel erforderlich. Eine mögliche Variante kann die Raufuttervorlage mit organischem Nestbaumaterial kombiniert mit der vierwöchigen Säugedauer und dem abgedeckten Ferkelnest sein. Dies bringt einen Gesamtbonus von 2 € je Ferkel. Im Einzelfall sind auch größere Lösungen denkbar. So könnte ein Ferkelerzeuger, der bislang mit dreiwöchiger Säugedauer produziert, seine Sauen abstocken. Ziel ist, mit den vorhandenen Abferkelbuchten die vierwöchige Säugedauer zu erreichen. Damit erfüllt er in der Gruppenhaltung und in der Ferkelaufzucht das 10 % höhere Platzangebot. Ergänzend könnte er Raufutter anbieten. In der Ferkelerzeugung erzielt er so 3,30 € Bonus je Ferkel und in der Aufzucht 1,20 € Bonus. Insgesamt beträgt das Plus 4,50 € je Ferkel. Dennoch gilt genau zu prüfen, ob die finanziellen Nachteile einer Abstockung mit den Boni kompensiert werden! Bis zum Start der Initiative Tierwohl in etwa einem Jahr sind noch viele Details zu klären. Dennoch sollten die Schweinehalter die Zeit nutzen und prüfen, ob eine Teilnahme infrage kommt. Jedoch sind die Boni zunächst nur für drei Jahre zugesichert. Der Fokus liegt daher auf Kriterien, die keine oder nur geringe Investitionen verursachen: Produktion absichern Knackpunkt Fensterfläche Mast: Belegdichte anpassen Raufutter: Eine Frage des Handlings Aufzucht: Stroh gut machbar Sauen: Mehr Platz schwer umsetzbar Raufutter funktioniert Wie geht’s weiter? Teilnahme an QS Jährliche Betriebsaudits Antibiotika-Monitoring Schlachtbefundauswertung Klima-Check Tränkewasser-Check Mindestens 1,5 % Fensterfläche In der Mast ist die Senkung der Belegdichte ein gangbarer Weg. Dies entlastet auch die betriebliche Nährstoffbilanz. In der Ferkelerzeugung sind 10 % mehr Fläche oft nicht ohne Abstockung der Sauen machbar. Hier sollte der Fokus daher auf Raufutter liegen. In allen Stallbereichen kann die Basisvorgabe zur Größe der Fensterflächen zum Problem werden. Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, sollte der Betrieb eine qualifizierte Beratung in Anspruch nehmen. -Peter Spandau, Landwirtschaftskammer NRW- Die Kriterien und Boni der Initiative Tierwohl stehen fest. Wer die Maßnahmen clever kombiniert, kann seine Wertschöpfung steigern.