Wie positioniert sich die ISN-Interessengemeinschaft zur Preiskrise, Initiative Tierwohl und zur Schweine-Notierung? SUS hat mit den ISN-Chefs diskutiert.
Preiskrise meistern
Schweinehalter sind Preisschwankungen gewohnt. Ist die aktuelle Krise anders?
Staack: Ja, die derzeitige Krise ist etwas Besonderes und nicht allein dem Schweinezyklus zuzurechnen. Sie begann im Frühsommer, wo wir saisonal eigentlich gute Fleischverkäufe und steigende Preise kennen. Die Krise trifft erneut besonders die Ferkelerzeuger. Viele sind betriebswirtschaftlich notwendige Wachstumsschritte gegangen und haben in die Gruppenhaltung investiert. Sie mussten viel Geld in die Hand nehmen. Jetzt machen die Banken zunehmend Druck.
Dierkes: Hinzu kommt die fehlende Wertschätzung unserer Arbeit. Negativberichte in der Presse, zunehmende Auflagen und zahlreiche behördliche Kontrollen gehen auf die Moral. Nicht wenige Betriebsleiter sehen keine Perspektive mehr.
Trotz der prekären Lage sind Sie gegen lautstarken Protest. Warum?
Staack: Wir sind nicht gegen Protest, im Gegenteil: Protest ist wichtig. Die Frage ist nur, wie? Wenn wir jetzt mit großen Treckern auf die Straße gehen, stößt das eher auf Unverständnis. Die Leute werden sich sagen, denen geht es doch gut. Das haben auch die kritischen Reaktionen nach der Demo in Brüssel gezeigt. Derzeit überlagern andere Themen unsere Probleme, z.B. die Flüchtlinge.
Dierkes: Ganz genau, deswegen brauchen wir eine klare Botschaft und müssen die auf ein Thema zuschneiden. Klar, man kann überzogene Auflagen oder Kontrollen kritisieren. Das darf man aber nicht mit den Preisen in einen Topf werfen. Die Politik ist beim Thema Preis der falsche Adressat.
Wie bewerten Sie die radikalen Proteste französischer Schweinehalter?
Staack: Frankreichs Bauern haben die mediale Aufmerksamkeit. Bei uns sind die radikalen Proteste kritisch aufgenommen worden. Zwar haben die Bauern Paris ein Hilfsprogramm abgerungen. Doch für den Einzelbetrieb ist die Hilfe gering. Frankreichs Veredlungsbranche hat Strukturprobleme. Die kann man mit Hilfsprogrammen nur kurz überdecken, aber nicht lösen.
Dierkes: Unser Ziel ist vielmehr, mit den Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik möglichst auf Augenhöhe zu verhandeln. Wer mit radikalen Protesten auffällt, setzt die Gesprächsbereitschaft aufs Spiel. Unser Motto ist daher: Politik statt Protest.
Gehen Ihre Mitglieder mit?
Dierkes: Größtenteils ja. Natürlich haben wir auch Mitglieder, die demonstrieren wollen. Ich sage dann: Wir haben ein hohes Schweineangebot bei schwachem Absatz. Der Markt ist brutal. Meist wächst im Gespräch das Verständnis für unsere Strategie, Markt und Politik nicht zu vermischen.
Wie macht die ISN auf die schwierige Lage im Schweinesektor aufmerksam?
Staack: Wir stehen in der direkten Diskussion mit den Bundes- und Landesagrarministern. Zudem setzen wir auf gezielte Nadelstiche. Dabei handeln wir immer Anlass-bezogen. Ein Beispiel ist die Aktion gegen das Verramschen von Fleisch bei Netto und real. Unsere Botschaften verbreiten wir auch über das Internet bzw. die sozialen Netzwerke. Hier hat unsere Kritik viel Anklang gefunden. Ich bin überzeugt, dass negative Gespräche über Billig- Fleisch den Supermärkten weh tun.
Dierkes: Ähnlich funktioniert unsere Aktion zur Initiative Tierwohl. Mit großformatigen Plakaten an Straßen fordern wir weitere Unternehmen auf, bei der Initiative mitzumachen. Wir sprechen dabei Unternehmen aus dem Lebensmittelhandel oder der Großgastronomie namentlich an. Aus Rückmeldungen wissen wir, dass die Unternehmen unsere Aktion ernst nehmen.
Tierwohl weiterentwickeln
Wie muss sich die Initiative Tierwohl jetzt weiterentwickeln?
Dierkes: Oberstes Ziel ist, alle Betriebe auf der Warteliste möglichst schnell aufzunehmen. Unter den Praktikern schwindet zunehmend der Glaube an das System. Etliche Betriebe haben viel Geld und Zeit in die tierfreundliche Weiterentwicklung der Ställe gesteckt und gehen bislang leer aus. Sie sind zu Recht gefrustet.
Ist eine schnelle Lösung in Sicht?
Staack: Nein, leider nicht. Es zeichnet sich ab, dass die Betriebe auf der Warteliste weiter Geduld aufbringen müssen. Wir hoffen, den Knoten bis Ende des Jahres durchschlagen zu können.
Wie steht es um neue Einzahler?
Staack: Trotz intensiver Bemühungen konnten nur einzelne neue Unternehmen hinzugewonnen werden. Auch die Aufstockung der Beiträge der beteiligten Einzahler bleibt schwierig.
Droht das Scheitern der Initiative?
Dierkes: So negativ sehe ich die Lage nicht. Allerdings deckt die Initiative Tierwohl derzeit nur einen geringen Teil der deutschen Schweinehaltung ab. Der politische und gesellschaftliche Druck ist hoch. Wenn wir beim Tierwohl nicht große Teile der Produktion einbinden, drohen uns gesetzliche Verschärfungen. Das gefährdet unsere Wettbewerbsfähigkeit.
Notierung stärken
Was tut die ISN, um die Marktnotierung wieder zu stärken?
Staack: Die Übermacht der Schlachthöfe hat sich verstärkt. Aus unserer Sicht hat die Vereinigung der Erzeugergemeinschaften (VEZG) bei der Preisfindung zu spät und zu wenig darauf reagiert, was wir deutlich kritisiert haben. Das war wie ein reinigendes Gewitter. Inzwischen arbeiten wir wieder konstruktiv zusammen. Derzeit soll die Melderbasis ausgebaut werden. Ziel ist, ein Gegengewicht zum Oligopol der Schlachthöfe zu bekommen.
Dierkes: Zudem wollen wir für die Preisverhandlungen mit den Schlachthöfen besser gewappnet sein. Denn einige Schlachthöfe haben den Markt wiederholt kaputtgeredet. Daraufhin folgten Hauspreise. Um gegenzuhalten, brauchen wir noch mehr Informationen aus dem Fleischgeschäft.
Was können die Schweinehalter tun?
Dierkes: Wichtig ist, dass die Mäster im fallenden Markt besonnen reagieren und nicht zusätzlich Schweine zur Vermarktung anmelden. Sonst wird der Trend zum Preisverfall verstärkt und eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt. Markt hat viel mit Psychologie zu tun.
Welche Funktion hat die Schweinebörse?
Staack: Trotz der im Vergleich zum Gesamtmarkt relativ geringen Umsätze hat sich die ISN-Schweinebörse zum wichtigen Preis-Barometer entwickelt. Genau das wollen wir erreichen: Immer wieder eine Diskussion über den Preis, der am Markt möglich ist.
Politik einbinden
Wie kann die Politik helfen?
Dierkes: Wir sind die Organisation der marktorientierten Schweinehalter und lehnen staatliche Eingriffe ab. Insbesondere die Private Lagerhaltung (PLH) schadet mehr als sie nutzt. Eine Preisstützung wurde selbst laut EU-Agrarkommissar Phil Hogan nicht erreicht. Die ab März eingelagerten Mengen kamen im Sommer zurück und haben den Markt zusätzlich belastet. Die jüngste Entscheidung für eine weitere PLH kritisieren wir daher scharf.
Staack: Eine wichtige Aufgabe der Politik besteht in der Exportförderung. Wir haben daher Agrarminister Christian Schmidt in einem Brief aufgefordert, die Exportförderung zur Chefsache zu machen. Denn unsere föderale Struktur behindert Exporte. Insbesondere unseren Fleischkunden in Drittländern ist oftmals unklar, welche Behörde in Deutschland zuständig ist. Hier brauchen wir dringend Vereinfachungen im Veterinärsystem. Wir haben den Eindruck, dass unsere Botschaft bei Minister Schmidt angekommen ist.
Doch in vielen Ländern haben grüne Minister das Sagen.
Staack: Ja, beim Thema Export laufen die Gespräche auf Länderebene oft sehr zäh. Allerdings sehen wir bei den grünen Agrarministern ein gewisses Umdenken, übrigens nicht nur bei diesem Thema. Die Grünen mussten erkennen, dass der Marktanteil der Bio-Branche trotz starker Förderung nicht steigt. Wer das Tierwohl ehrlich verbessern will, muss auch mit den konventionellen Tierhaltern sachlich zusammenarbeiten.
Wie bewerten Sie die niedersächsische Ringelschwanz-Prämie?
Dierkes: Die von Agrarminister Christian Meyer initierte Prämie allein kann die Probleme nicht lösen. Wir brauchen eine effiziente Tierwohlförderung, damit wir in dieser Frage weiterkommen. Darum sind wir froh, dass wir den Rahmen dafür in einem gemeinsamen Eckpunktepapier mit Minister Christian Meyer abgesteckt haben. Das anvisierte Kupierverbot ist damit zwar nicht aus der Welt, aber das ursprünglich fixe Datum ist vom Tisch.
Allianzen schmieden
Wie läuft der Dialog mit Tierschützern?
Staack: Die Gespräche sind sachlicher geworden. Im Rahmen der Initiative Tierwohl waren der Deutsche Tierschutzbund (DTB) und ProVieh mit am Tisch. Das hat zumindest das Verständnis für die gegenseitigen Positionen verbessert.
Dierkes: Jüngst haben wir sogar mediale Mithilfe vom Deutschen Tierschutzbund und ProVieh bekommen. Dies betrifft unsere Aktionen gegen das Verramschen von Fleisch und die Kritik an den LEH-Unternehmen, die sich bislang nicht an der Initiative Tierwohl beteiligen. Das hilft natürlich, weil diese Organisationen in der Öffentlichkeit ganz anders wahrgenommen werden.
Wie ist der Draht zum LEH?
Staack: Wenn es ein Problem gibt, dann packen wir das direkt an. Ein Beispiel ist unsere Kampagne gegen Ramschpreise für Fleisch. Das große Feld der Nachhaltigkeit ist das Leitthema im Handel. Wir müssen mit dem LEH im Dialog bleiben, weil das auch unser Thema ist. Die ISN achtet darauf, dass der Handel die Produktion nicht mit weiteren Auflagen verteuert. Ein Beispiel sind die Forderungen zum Verzicht auf GVO-Soja. Eine wichtige Botschaft ist: Wir können Nachhaltigkeit und Tierwohl nicht zum Null-Tarif verbessern.
Dierkes: Unsere Gesellschaft ist beim Lebensmittelkauf extrem sparsam. Gleichzeitig soll die Urproduktion steigende ethische Vorgaben erfüllen. Das passt nicht zusammen. Die Kommunikation zum Verbraucher ist daher ein zentraler Punkt, den wir nicht allein dem LEH überlassen dürfen.
Wir bedanken uns für das Gespräch.