Der Entwurf zur neuen Dünge-Verordnung sorgt für heftige Kritik aus der Praxis.Was kommt auf die Schweinehalter zu?
Kurz vor Weihnachten präsentierte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt den Entwurf der neuen Dünge-Verordnung. Das Papier schlug ein wie eine Bombe. Denn Berlin will neben der Stickstoff- auch die Phosphor-Düngung massiv beschneiden. Geplant sind zudem Verschärfungen bei der Güllelagerung und den Sperrfristen.
Heftige Kritik aus der Praxis
Entsprechend groß ist der Aufschrei der Praktiker. Sie befürchten, dass sie spürbar weniger Gülle auf ihren Nutzflächen ausbringen dürfen. Betroffen sind insbesondere die Veredlungsregionen. Die hohen Kosten für Pachtflächen und die Gülleabgabe werden hier weiter angeheizt. Im Extremfall droht die Abstockung des Schweinebestands.
Trotz der Kritik rechnen Fachleute nur noch mit kleinen Korrekturen am Entwurf. Denn Minister Schmidt steht unter Druck. So hat Brüssel ein Vertragsverletzungsverfahren angestoßen. Der Vorwurf: Nicht-Einhaltung der EU-Nitratrichtlinie.
Zudem haben sich die Bundesländer und Berlin bereits auf den aktuellen Entwurf verständigt. Der Deal: Die Länder stimmen bei der Anlagenverordnung für Jauche, Gülle und Sickersaft (JGS) dem Bestandsschutz für Altanlagen zu. Dafür erhalten sie bei der Dünge-VO neue Länderöffnungsklauseln.
Es ist daher zu erwarten, dass Berlin den Entwurf zur Dünge-VO in dieser bzw. ähnlicher Form zügig umsetzt. So wurde das Papier bereits an die Länder und Verbände geschickt, die bis Ende Januar Stellung nehmen konnten. Läuft aus Sicht von Berlin alles glatt, könnte die Abstimmung im Bundesrat noch vor der Sommerpause erfolgen. Die neue Dünge-Verordnung könnte dann ab Herbst in Kraft treten.
Auch Gärreste mitrechnen
Die Betriebsleiter sollten sich daher mit den Konsequenzen auseinandersetzen. Zunächst zum Stickstoff: Hier bleibt es bei der Grenze von 170 kg Stickstoff/ha aus Wirtschaftsdüngern. Doch sind künftig organische und organisch-mineralische Dünger einzubeziehen. Hier sind insbesondere Biogas-Gärreste zu nennen. Denn sie fallen regional in großen Mengen an.
Die Folgen dieser Verschärfung hängen von den Bundesländern ab. Denn sie könnten im Rahmen der sogenannten Degorationsregelung Ausnahmen zulassen, wenn diese Bestandteil der Dünge-VO werden sollten. So wären bei Gärresten mehr als 170 kg N/ha möglich, wenn diese zur Düngung nachwachsender Rohstoffe dienen. Diesbezüglich wird eine Obergrenze von 230 bzw. 250 kg N/ha diskutiert. Wobei die genaue Interpretation der Degorationsregelung noch zu klären ist.
Eine praxisnahe Umsetzung ist diesbezüglich zu begrüßen. Denn sollten Gärreste künftig komplett unter die 170 kg N-Grenze fallen, steigt der Gülleflächenbedarf regional extrem an.
Weniger Stickstoff über die Gülle
Weitere Verschärfungen beim Stickstoff sind bei der Berechnung des Nährstoffanfalls aus Tierhaltung angedacht. So sollen die zulässigen Abzüge für unvermeidbare Stall- und Lagerverluste von 30 auf 20 % sinken. Folge: Die Obergrenze von 170 kg N aus Wirtschaftsdüngern wird früher erreicht.
Bislang kann der Betrieb inklusive 30 % Stall- und Lagerverluste mit einem Brutto-Nährstoffanfall von 243 kg N/ha kalkulieren, ohne die 170 kg N-Grenze zu überschreiten. Künftig wäre bereits bei einem Brutto-Anfall von 212 kg Stickstoff/ha Schluss.
Die Konsequenzen zeigt ein Beispielbetrieb mit 100 ha Güllefläche. Aktuell darf der Betrieb 2 170 Mastplätze umfassen, ohne die 170 kg N-Grenze zu überschreiten. Hierbei ist ein Stickstoffanfall von 11,2 kg je Mastplatz unterstellt. Nach künftigem Recht würden die Gülleflächen nur noch für 1 893 Mastplätze ausreichen. Das sind minus 13 %.
Zudem sollen die gekappten Abzüge für Stall-, Lager- und Ausbringungsverluste in die Berechnung des N-Saldos im Nährstoffvergleich fließen. Hier kann der Betrieb früher an Grenzen stoßen und muss die Düngung drosseln.
Ab 2018 kann sich die Lage weiter verschärfen. Denn dann will Berlin den zulässigen Stickstoff-Saldo von 60 kg auf 50 kg/ha kappen. Das heißt: Im mehrjährigen Mittel darf die rechnerische Stickstoffzufuhr im Durchschnitt des Betriebes nur noch um 50 kg über dem Entzug liegen.
Phosphor-Salden gekappt
Auch beim Phosphor plant Berlin Verschärfungen. Dies ist für die Veredlungsbetriebe besonders kritisch. Denn schon jetzt ist Phosphor oft der limitierende Faktor bei der Gülledüngung.
Im Fokus stehen die P-Salden. Aktuell ist im Mittel von sechs Düngejahren ein P-Saldo von 20 kg/ha zulässig. Dieser Wert soll je nach P-Menge im Boden drastisch sinken. Die erste Stufe betrifft Flächen mit mehr als 20 mg P2O5 je 100 g Boden (CAL-Methode). Dies entspricht je nach Bodenart den Versorgungsstufen C bis E. Auf diesen Flächen soll der P-Saldo künftig auf Null gekappt werden. Das heißt: Die Düngung darf maximal dem Entzug durch die Pflanzen entsprechen.
Die Folgen für die Schweinebetriebe wären dramatisch. So müssten etliche Betriebe den Gülleeinsatz auf ihren Flächen deutlich zurückfahren und mehr Nährstoffe abgeben. Vor allem in den Veredlungsregionen weisen viele Nutzflächen höhere P-Gehalte auf.
Wie groß das Problem ist, zeigt eine Kalkulation für Weser-Ems. Hier müssten nach Kappung des P-Saldos jährlich rund 14 Mio. kg Phosphat zusätzlich exportiert werden. Hierfür müsste man 200 000 ha Güllefläche beschaffen!
Noch heftiger soll es für Betriebe kommen, die über sehr hoch mit Phosphor versorgte Böden verfügen. Die neue Dünge-VO versteht hierunter Flächen mit mehr als 35 mg P2O5. Auf leichteren Standorten entspricht das der Versorgungsstufe E, auf schwerern Böden den Stufen D und E.
Auf diesen Ackerflächen soll ab dem Jahr 2018 nur noch eine Phosphor-Düngung in Höhe von 75 % des pflanzlichen Entzugs zulässig sein. Ab dem Jahr 2020 soll dieser Wert sogar auf 50 % des pflanzlichen Entzugs sinken!
Die Folgen zeigt ein Beispiel: Hier sind eine reine Düngung mit Gülle und ein pflanzlicher Entzug von 70 kg P2O5/ha unterstellt. Inklusive des zulässigen P-Saldos von 20 kg/ha darf der Betrieb also aktuell 90 kg P2O5/ha düngen. Bei einem Nährstoffanfall von 5,1 kg P je Mastplatz sind gut 17 Mastplätze je Hektar möglich (siehe Rechnung, S. 12)
Laut geplanter Dünge-VO müsste der Mäster die Düngung auf Flächen mit hohen P-Gehalten stark zurückfahren. So sind bei Kappung des P-Saldos auf Null nur knapp 14 Mastplätze/ha möglich. Bei sehr hohen P-Gehalten im Boden dürfte der Betrieb auf den betroffenen Flächen ab 2018 nur noch die Gülle von zehn Mastplätzen ausbringen. Ab 2020 wären auf sehr hoch P-versorgten Böden nur noch sieben Mastplätze/ha möglich! Das ist ein Minus von 60 % zur aktuellen Lage.
Fachleute schätzen, dass in viehstarken Landkreisen in Nordrhein-Westfalen bis zu 15 % der Ackerflächen unter die verschärften P-Grenzen fallen. In Südoldenburg ist der Anteil möglicherweise noch höher. Einzelbetrieblich kann der Anteil der sehr hoch mit Phosphor versorgten Flächen demnach bis zu 50 % betragen.
Längere Sperrfristen
Neben der Drosselung der N- und P-Düngung zielt die neue Verordnung auf die Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsdüngern. So soll die winterliche Sperrfrist auf Ackerflächen von drei auf vier Monate verlängert werden. Dies hat mehrere Konsequenzen:
- Die Betriebe benötigen u. U. zusätzliche Lagerkapazitäten.
- Die Gülleausbringung konzentriert sich stärker auf das Frühjahr. Es kann zu logistischen Engpässen kommen.
- Je nach Witterung und Befahrbarkeit der Böden können Flächen für die Gülledüngung wegfallen.
- Die Düngung in stehende Kulturen muss ausgedehnt werden. Das erhöht die Ammoniak-Verluste.
Weitere Konsequenzen stehen allen Betrieben mit einem Viehbesatz von mehr als 3 GV/ha ins Haus. Sie sollen bis 2020 ihre Kapazitäten für neun Monate Lagerdauer ausbauen. Je nach Ausgangssituation kann dies erhebliche Investitionen auslösen.
Mehr Einfluss der Länder
Heftige Kritik haben zudem die geplanten Länderöffnungsklauseln ausgelöst. Denn hiermit erhalten die Bundesländer erstmals Kompetenzen bei der Ausgestaltung der Dünge-VO.
Allerdings sind die Länderöffnungsklauseln an Vorgaben geknüft. So dürfen die Länder beim Stickstoff nur bei starker Nitrat-Belastung im Grundwasser eingreifen. Hierunter fallen Grundwasserkörper mit mehr als 50 mg Nitrat je Liter und solche mit mehr als 40 mg Nitrat, die steigende Werte zeigen.
Bei Überschreitungen können die Länder u. a. etwas größere Lagerkapazitäten für Gülle anordnen. Dies wird als tolerabel für die Praxis bewertet.
Kritisch ist aber die Deckelung der N-Düngung zu sehen. Konkret geht es um die Berechnung des Düngebedarfs. Hier können die Länder z. B. eine Kappung der anrechenbaren N-Zuschläge auf 10 % anordnen.
Auch beim Phosphor können die Länder weitere Verschärfungen vorgeben, wenn sie auf hoch mit Phos-phor versorgten Böden Schäden für das Grundwasser feststellen. Praktiker befürchten, dass insbesondere die Länder mit grünen Agrarministern den Spielraum ausnutzen werden.
Fazit
Die geplante Novelle der Dünge-Verordnung hat einen Aufschrei der Praxis ausgelöst. Denn es drohen drastische Einschränkungen beim Gülle-Einsatz. Es geht vor allem um diese Punkte:
- Es ist geplant, dass Biogas-Gärreste auch unter die 170 kg N-Grenze fallen.
- In der Nährstoffbilanz sollen die zulässigen Stickstoff-Mengen sinken.
- Bei hohen Phosphorwerten im Boden soll die P-Zufuhr stark sinken.
- Die Sperrfristen und die Lagerzeiten werden ausgedehnt.
- Fachleute rechnen mit einer schnellen Umsetzung des Entwurfs.
- Die Betriebe in den Veredlungsregionen befürchten, dass die Pacht- und Güllepreise weiter steigen.