In Bayern verliert die Ferkelproduktion immer mehr an Boden. Zu viele kleinstrukturierte Betriebe können die von den wachsenden Mastbetrieben geforderten großen Ferkelpartien nicht liefern. Der Strukturwandel in der deutschen Sauenhaltung ist dramatisch. Kleinere Betriebe geben auf und die Zukunftsbetriebe in vielen Regionen wachsen nicht schnell genug. Die Folge: Mit Ausnahme der neuen Bundesländer sinken die Sauen-bestände in allen Teilen Deutschlands, wie die Karte rechts zeigt. Süden: In zehn Jahren fastein Viertel weniger Sauen Besonders deutlich sind die Rückgänge im Süden der Republik. In Bayern ging die Zahl der Sauen in den letzten zehn Jahren um über 22 % zurück. Laut Viehzählung vom Mai 2009 werden im Freistaat heute nur noch 349 000 Sauen gehalten. Die Zahl der spezialisierten Ferkelerzeuger ist auf etwa 3 500 gesunken. In den letzten drei Jahren entspricht das einem Rückgang von 16 %! Damit liegt Bayern neben Baden-Württemberg – hier wurden in den letzten zehn Jahren sogar fast 25 % der Sauen abgeschafft – an der Spitze der Länder mit rückgängigen Sauenbeständen. Auch das Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern (LKV) spürt die Veränderungen. Die Zahl der im LKV organisierten Betriebe nahm von 2007 auf 2008 um 7 % auf 2 500 Höfe mit Sauenhaltung ab. Dass überwiegend kleine Erzeuger aufgehört haben, zeigt sich daran, dass die Zahl der Sauen nur um 3,4 % abnahm. Ähnlich dramatisch sehen die Auswertungen des Fleischerzeugerringes Oberbayern-West aus. Ende 2008 wurden erstmals weniger als 15 000 Zuchtsauen betreut, in zehn Jahren nahm die Zahl der Mitgliedsbetriebe um 43 % ab. Viele Ferkelerzeuger haben inzwischen Arbeit in der Industrie gefunden. So ist zum Beispiel der Autobauer Audi zu einer guten Einkommensalternative für Sauenhalter geworden. Trotz rückläufiger Sauenzahlen konnte die Zahl der in Bayern produzierten Ferkel nahezu konstant gehalten werden. Aufgrund steigender Fruchtbarkeitsleistungen werden Jahr für Jahr noch immer gut 6,5 Mio. bayerische Ferkel produziert, rund 4 Mio. davon stammen aus den im LKV organisierten Betrieben. Die Ferkelbilanz, das heißt der jährliche Ferkelim- und -export, ist ausgeglichen. Josef Weiß, Chefökonom an der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in München (LfL) beobachtet, dass kleinere Mischpartien nach Nordwestdeutschland oder Kroatien exportiert werden und im Gegenzug größere Ferkelpartien aus dem Norden nach Bayern importiert werden. Ferkelerzeuger stehen unter Druck, die Mast brummt Bei der Suche nach den Gründen für den rasanten Strukturwandel wird man schnell fündig. Schlechte Ferkelerlöse: In den Jahren 2007 und 2008 waren die miserablen Ferkelpreise sowie die hohen Futter- und Energiekosten wesentliche Auslöser für Betriebsaufgaben. Kleinstrukturierte Ferkelproduktion: Die Bestandsstrukturen in der Ferkelproduktion sind unterdurchschnittlich. Gut 3 % der bayerischen Sauen stehen in Kleinstbeständen mit weniger als zehn Sauen, knapp 50 % der Sauen in Beständen mit maximal 100 Tieren. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen liegen die Anteile bei 0,6 % bzw. 13 %. Einzelhaltung von Sauen: Weggebrochen sind Höfe mit Kleinstbeständen sowie Betriebsleiter, die ihre Sauen in älteren Ställen in Einzelhaltung hielten. Davon gibt es in Bayern noch reichlich. Experten gehen davon aus, dass noch immer über 70 % aller Sauen im Freistaat in Einzelhaltung, zum Teil mit Anbindehaltung, stehen. Schlechte Leistungen: In der Produktion bestehen Leistungsdefizite. Die 25 % schlechteren Ferkelerzeuger ziehen nur 15,9 Ferkel pro Sau und Jahr auf. Die 25 % besseren Betriebsleiter erreichen 23,8 Ferkel, der Schnitt kommt auf 20,6. Betriebe investieren in die Mast: Selbst Ferkelerzeuger sehen in der Mast bessere Zukunftschancen und bauen ihre Ställe um. Mittlerweile bleiben 5,5 Mio. Ferkel zur Mast in Bayern. Im Fleischerzeugerring Oberbayern-West haben die Ringassistenten im Jahr 2007/2008 erstmals mehr als 150 000 Mastschweine betreut. Im Schnitt hielt jeder Mäster bereits 1 683 Tiere. Kleineren Ferkelproduzenten brechen die Abnehmer weg: War bislang die Metzgervermarktung gerade für kleinere Mäster eine gute Einkommensquelle, bricht dieser Weg für sie heute mehr und mehr weg. Viele Metzger können sich die kostspieligen Hygieneauflagen nicht mehr leisten und kaufen sich die benötigten Teilstücke lieber in den Fleischzentren zu. Dadurch brechen vielen Ferkelerzeugern die mästenden Abnehmer weg. Große Mäster wachsen weiter: Daten der LfL zeigen, dass bereits 63 % der spezialisierten Schweinemäster zwischen 400 und 2 000 Mastplätze bewirtschaften. Der Run auf größere Partien ist ungebrochen. Bayerische Mäster brauchen heute 150er- bis 200er-Gruppen. Weil diese Partien im Freistaat von heimischen Erzeugern noch zu wenig angeboten werden, machen oft Holländer, Dänen und Lieferbetriebe aus Ostdeutschland das Rennen. Nur wer wächst, hat noch eine Chance Die Liste der Probleme ist lang. Doch was ist zu tun, damit die bayerische Ferkelerzeugung nicht ganz wegbricht? Gibt es überhaupt Lösungen? Für Josef Weiß steht fest, dass man dringend mehr Familienbetriebe mit 250 bis 300 Sauen aufbauen muss, die im Mehrwochenrhythmus große Ferkelpartien produzieren. Hier muss die Beratung noch stärker ansetzen. Gleichzeitig müssten Betriebe mit mehr als 500 Sauen entstehen, um auch die steigende Nachfrage der „Großmäster“ zu befriedigen. Dem Ökonom ist dabei natürlich bewusst, dass dieser Weg für viele Ferkelerzeuger derzeit unerreichbar ist. Die katastrophalen Ferkelpreise in den letzten Jahren, die unterdurchschnittlichen biologischen Leistungen sowie das neuerliche Preistal lassen Sauenhaltern wenig Spielraum für Wachstum. Kein Wunder, dass bayerische Sauenhalter derzeit verstärktes Interesse an dänischen Sauen zeigen, da sie sich davon einen Leistungsschub erhoffen. Ob das aber der richtige Weg ist, wird sich erst noch zeigen müssen. Für viele bayerische Fachberater sind arbeitsteilige Systeme oder Kooperationen keine echte Alternative, um die massiven Strukturdefizite zu lösen. „Wenn wir davon ausgehen, dass von 18 500 bayerischen Betrieben 13 000 Schweinehalter maximal 25 Schweine halten, bringen uns Kooperationen nicht weiter. Da müssten sich schon zehn oder zwölf Landwirte zusammenschließen, um überhaupt einigermaßen marktkonforme Lieferpartien zu produzieren. Das ist illusorisch“, gibt ein Berater zu. Hinzu kommt die geringe Risikobereitschaft der Ferkelerzeuger, viele Landwirte sind durch den letzten Preiseinbruch völlig verunsichert. „Letztendlich muss man damit rechnen, dass die Zahl der Ferkelerzeuger sowie die Anzahl der Sauen weiter sinkt“, prognostiziert Josef Weiß. Dafür spricht außerdem die Tat-sache, dass der Fleischanteil oft nicht mehr das entscheidende Vermarktungskriterium ist. Stattdessen wird die Partiegröße immer wichtiger. Das wissen Holländer und Dänen. Schweine aus diesen Ländern sind in Bayern in den letzten vier bis fünf Jahren vermarktungsfähig geworden. Und wenn das nicht funktioniert, werden die ausländischen Ferkel zuerst nach Bayern transportiert, dort gemästet und dann wieder zurück in den Norden zum Schlachten gefahren. Transportbeschränkungen scheinen kein Hindernis zu sein. Die Verlierer dieser Entwicklung sind die kleineren bayerischen Sauenhalter, die in der Vergangenheit mit ihren „Hochprozentern“ jedem Eindringling aus dem Norden Paroli bieten konnten. Einen Lösungsansatz für die Probleme könnten die Erzeugergemeinschaften bieten. Durch zusätzliche Preisanreize müssen sie es schaffen, dass die Ferkelerzeuger größere Partien produzieren. Die jetzt angestrebte Fusion von vier Erzeugergemeinschaften in Schwaben und Franken dürfte der richtige Weg sein. Steht die Fusion, werden auf einen Schlag rund 1,7 Mio. Ferkel pro Jahr gebündelt vermarktet. Und sollte man es hinbekommen, gesunde Großpartien zusammenzustallen, dürfte die Nachfrage der Mäster nicht lange auf sich warten lassen. Letztlich müsste die Förderung angepasst werden. Aktuell liegt der Standardfördersatz für Ferkelerzeuger und Mäster bei 20 % der Nettoinvestitionssumme. Um die Sauenhaltung zu stärken, müssten mehr Gelder in diesen Betriebszweig fließen. Doch wer traut sich schon, dies den Mästern beizubringen. Auch sie sind Wähler, und die CSU steht ohnehin in der Kritik vieler Bauern.