Ab 2018 soll die Stoffstrombilanz für viele Schweinehalter zur Pflicht werden. Wie die Praktiker reagieren können, hat SUS mit zwei Experten diskutiert.
Fred Schnippe, SUS
Seit Juni ist die neue Dünge-Verordnung in Kraft. Berlin will damit Defizite in der Umweltwirkung der Tierhaltung mindern. Zudem drohen Strafzahlungen wegen Verstoß gegen die EU-Nitratrichtlinie.
Beim neuen Düngerecht fallen für die Schweinehalter vor allem die Reduzierung der N- und P-Salden und die Senkung der Stall- und Aufbringverluste ins Gewicht. Etliche Betriebe müssen schon bei der Einhaltung dieser Vorgaben mit neuen Problemen rechnen.
Ab 2018 kommt es noch dicker. Denn dann müssen zahlreiche Schweinehalter erstmals die neue Stoffstrombilanz erstellen. Zwar steht die finale politische Freigabe noch aus. Doch es zeichnet sich ab, dass viele Schweinebetriebe mit erheblichen Überschüssen beim Nährstoff-Saldo rechnen müssen.
Welche Schweinebetriebe müssen eine Stoffstrombilanz erstellen?
Bunge: Nach vorliegendem Verordnungsentwurf sind vor allem in den Veredlungszentren zahlreiche Haupt- erwerbsbetriebe mit Schweinen betroffen. So gilt die Pflicht zur Stoffstrombilanz bei mehr als 2,5 GV/ha bzw. über 50 Großvieheinheiten. Dies sind nur gut 50 Sauen bzw. gut 300 verkaufte Mastschweine. Selbst Nebenerwerbsbetriebe können betroffen sein.
Bunge: Nach vorliegendem Verordnungsentwurf sind vor allem in den Veredlungszentren zahlreiche Haupt- erwerbsbetriebe mit Schweinen betroffen. So gilt die Pflicht zur Stoffstrombilanz bei mehr als 2,5 GV/ha bzw. über 50 Großvieheinheiten. Dies sind nur gut 50 Sauen bzw. gut 300 verkaufte Mastschweine. Selbst Nebenerwerbsbetriebe können betroffen sein.
Schneider: Auch Vieh haltende Betriebe, die nur wenige Tiere halten, müssen laut derzeitigem Entwurf eine Stoffstrombilanz erstellen, wenn sie Wirtschaftsdünger aufnehmen. Die Grenze ist mit 750 kg Gesamt-N bzw. umgerechnet rund 130 m3 Schweinegülle niedrig angesetzt.
Was sind die wichtigsten Unterschiede zur bisherigen Feld-Stall-Bilanz?
Bunge: Bei der Feld-Stall-Bilanz steht die Flächenbewirtschaftung in puncto Düngung und Ertrag im Fokus. Hingegen geht es bei der Stoffstrombilanz um die Nährstoff-Effizienz im Gesamtbetrieb. Hierbei werden anstelle von Tabellenwerten die realen Daten des Betriebes genutzt. Das macht die neue Bilanz genauer. Zudem wirken sich z.B. eine schlechte Futterverwertung oder Krankheiten im Stall viel stärker aus als bei der Feld-Stall-Bilanz.
Bunge: Bei der Feld-Stall-Bilanz steht die Flächenbewirtschaftung in puncto Düngung und Ertrag im Fokus. Hingegen geht es bei der Stoffstrombilanz um die Nährstoff-Effizienz im Gesamtbetrieb. Hierbei werden anstelle von Tabellenwerten die realen Daten des Betriebes genutzt. Das macht die neue Bilanz genauer. Zudem wirken sich z.B. eine schlechte Futterverwertung oder Krankheiten im Stall viel stärker aus als bei der Feld-Stall-Bilanz.
Schneider: Wichtig ist auch, dass die neue Stoffstrombilanz die Feld-Stall-Bilanz vorerst nicht ersetzt. Das heißt: Viele Schweinehalter müssen bereits beide Bilanzen erstellen.
Welche Daten werden benötigt?
Schneider: Die Stoffstrombilanz erfasst alle Nährstoffe (N und P), die das Hoftor passieren. Hierzu benötigt man die Ein- und Verkaufsbelege von Futter, Getreide, Tieren, Wirtschafts- und Mineraldünger. Beim Saatgut müssen nur Getreide-, Mais- und Körnerleguminosen sowie Kartoffeln erfasst werden. Auch die N-Bindung durch Leguminosen ist aufzunehmen.
Wo findet man die Daten?
Schneider: Die N- und P-Gehalte sind der vorgeschriebenen Kennzeichnung, eigenen Laboranalysen oder Tabellen zu entnehmen. Die Nährstoffgehalte wichtiger Einzelfuttermittel finden sich z.B. in Tabelle 4 des Bundestagsbeschlusses zur Stoffstrombilanzverordnung. Weitere Werte stellen die zuständigen Stellen der Bundesländer bereit.
Wie groß ist der Zeitaufwand?
Bunge: Das hängt davon ab, wie gut die Ein- und Verkaufsbelege sortiert sind. Wer erstmals eine Stoffstrombilanz erstellt, sollte für das Suchen und Ordnen der Belege durchaus einen halben Arbeitstag kalkulieren. Für die Dateneingabe am PC fallen in einem typischen Familienbetrieb mit 2000 Mastplätzen und 80 ha Nutzfläche weitere anderthalb bis zwei Stunden an. Da anfangs Rückfragen nötig sind oder Belege fehlen, veranschlage ich für die erste Dateneingabe drei Stunden.
Kann der Landwirt die Stoffstrombilanz selbst erstellen?
Schneider: Wenn man sich mit der Thematik intensiv beschäftigt und seine Unterlagen gut geordnet hat, ist dies möglich. Jedoch ist bei der Menge an Daten und Belegen in vielen Betrieben eine bessere Büroorganisation nötig. Erschwerend kommt hinzu, dass man die deklarierten Nährstoffgehalte z.B. beim Sojaextraktionsschrot oder Mineralfutter umrechnen muss. So wird in der Stoffstrombilanz nicht Rohprotein, sondern Stickstoff erfasst. Hier ist die Industrie gefordert, ihre Deklarationen an die neuen Anforderungen anzupassen. Bei der Erstellung der Stoffstrombilanz sowie der Ableitung von Anpassungsmaßnahmen ist eine fachkundige Beratung daher sinnvoll.
Wer hilft bei der neuen Bilanz?
Bunge: Erster Ansprechpartner wird in vielen Bundesländern die Landwirtschaftskammer bzw. die staatliche Beratung sein. Erzeugerringe und Güllebörsen werden vermutlich ebenfalls Berater schulen und den Service anbieten. Zusätzlich wird die Mischfutterindustrie Hilfe bei der Stoffstrombilanz anbieten, auch um Kunden zu binden.
Wird es PC-Programme geben?
Schneider: Ja, viele Landwirtschaftskammern und die Landesanstalten arbeiten bereits an Excel-basierten Programmen für die Stoffstrombilanz. Das Ordnen und Eingeben der Daten bleibt aber Handarbeit. Komfortabler soll die Lösung sein, die ein großer Landhändler entwickelt. Sie soll Daten z.B. aus dem Einkauf von Dünger, Futter etc. automatisch in die Stoffstrombilanz übernehmen. Wer diesen Weg wählt, ist allerdings an einen Lieferanten gebunden.
Wie schneiden Mäster mit der Stoffstrom-bilanz ab?
Bunge: In den Veredlungsregionen achten viele Mäster bereits darauf, dass sie den Phosphor im Futter effizient nutzen. Mäster mit modernen Futterkonzepten haben beim P-Saldo wenig Probleme zu erwarten. Hingegen können beim N-Saldo bei etlichen Mästern erhebliche Überhänge auftreten. Betroffen sind auch Mäster, die bisher mit ihrem Saldo aus der Feld-Stall-Bilanz bzw. der Grenze von 170 kg N/ha aus Wirtschaftsdünger klarkommen. Hier ist zu beachten, dass die anrechenbaren Lagerverluste reduziert wurden.
Wie können die Mäster reagieren?
Schneider: Es gilt die Wege zur Rohproteinabsenkung bei Abdeckung des Bedarfs an Aminosäuren zu nutzen. Wir müssen Sicherheitszuschläge abbauen und mehr freie Aminosäuren einsetzen. Zudem gewinnt die Verdaulichkeit des Proteins bzw. der Aminosäuren mehr Gewicht. So können heimische Eiweißträger oder Raps wegen der geringeren Aminosäurenverdaulichkeit an Vorzüglichkeit verlieren. Das ist aber einzelbetrieblich im Gesamtsystem mit dem Pflanzenbau zu sehen. Unter dem Strich sehe ich in der Mast genug Einsparpotenzial, um die Auswirkungen der Stoffstrombilanz über die Fütterung auszugleichen.
Bunge: Die Mäster sollten zudem das Güllemanagement optimieren. Hier gibt es oft erhebliche Reserven. So können die punktgenaue, bodennahe Ausbringung oder Nitrifikationshemmer die Wirksamkeit der Gülle steigern. Bei gleichem Ertrag wird weniger Mineraldünger benötigt. Die höhere Effizienz senkt dann den Nährstoff-Saldo.
Wie schneiden Ferkelerzeuger ab?
Bunge: Die Verschärfungen im Düngerecht treffen die Sauenhalter besonders stark. Denn der Schub bei den Ferkelzahlen schlägt in der Stoffstrombilanz voll durch. Zudem haben Ferkelerzeuger oft eine knappe Flächenausstattung. Viele Sauenbetriebe müssen daher in der Stoffstrombilanz mit erheblichen Nährstoffüberschüssen rechnen – bei Stickstoff und Phosphor!
Was raten Sie den Sauenbetrieben?
Schneider: Den größten Hebel bietet wie in der Mast die nährstoffreduzierte Fütterung. Allerdings wurde diese bisher in der Ferkelerzeugung, insbesondere aus Sorge um die Fruchtbarkeit oder die Milchleistung, noch zu wenig umgesetzt. Das heißt: Im Bereich der nährstoffreduzierten Sauenfütterung müssen wir die Forschung weiter vorantreiben. Hauptaufgabe ist jedoch, das vorhandene Wissen in den Sauenbetrieben umzusetzen. Hier ist die einzelbetriebliche Beratung jetzt stark gefordert.
Wo ist konkret anzusetzen?
Bunge: Zunächst gilt es Sicherheitszuschläge abzubauen. Im Tragefutter reichen 0,43% und im Säugefutter 0,5% Phosphor aus. Hierfür sind die Rohwaren stärker anhand ihrer P-Gehalte auszuwählen. Bei den Faserträgern können Strohpellets z.B. Kleie ersetzen. Die Eiweißgehalte lassen sich am besten über die Zugabe freier Aminosäuren senken. Aufgrund des enormen Drucks müssen wir auch die Ferkel nährstoffreduziert füttern. Bei 30 ab- gesetzten Ferkeln je Sau gehen nahezu 50% des Futters in die Aufzucht.
Reicht die Futteroptimierung aus?
Bunge: Unsere Daten auf Basis des aktuellen Verordnungsentwurfes zeigen, dass nährstoffreduziertes Futter für flächenarme Ferkelerzeuger teils nicht ausreicht, um Überhänge abzubauen. Diese Betriebe können theoretisch mehr Gülle abgeben. Doch dann fehlen u.U. Nährstoffe im Ackerbau, die mineralisch zugekauft werden müssen. Als letzter Weg bleibt nur die Zupacht oder die Abstockung der Tiere.
Um welche Größenordnung geht es?
Bunge: In flächenknappen Familienbetrieben mit 300 bis 400 Sauen kann trotz Futteroptimierung ein Überhang in der Größenordnung von 500 kg N und 250 kg P2O5 bestehen bleiben. Das entspricht bei Leistungen von 30 abgesetzten Ferkeln dem Nährstoffanfall von rund 15 Sauen inlusive Ferkeln.
Oft ergibt sich also eine Verschärfung zur Feld-Stall-Bilanz?
Schneider: Ja, es kann sich eine Verschärfung ergeben. Auch Betriebe, die mit der Feld-Stall-Bilanz und der 170 kg N-Grenze klarkommen, können mit der Stoffstrombilanz Probleme bekommen. Das liegt auch daran, dass die Stoffstrombilanz die realen Leistungen im Stall und im Ackerbau abbildet. Letztlich ist die Stoffstrombilanz ein gutes einzelbetriebliches Instrument. Die Betrachtung des Mittelwertes von drei Jahren in der Bewertung macht das System relativ robust.
Wie wirken sich ertragsschwache Ackerflächen aus?
Bunge: Diese Böden werden meist normal gedüngt, liefern aber weniger Getreideertrag. Wenig Effizienz heißt bei der Stoffstrombilanz, dass der Nährstoff-Saldo steigt. Wir empfehlen, die 5 bis 10% schwächsten Böden mit Ackergras zu bestellen und dies zu verkaufen. Das Gras braucht keinen Mineraldünger und liefert auch auf schwächeren Böden gute Erträge. Es ist dann besser, das für die Fütterung fehlende Getreide zuzukaufen. Die Nährstoff-Effizienz muss künftig stärker in die Planung einfließen. Wichtig ist generell die Düngung nach Bedarf. Basis hierfür sind die tatsächlichen Ernteerträge.
Wann ist die Stoffstrombilanz erstmals zu erstellen?
Schneider: Das bereits verabschiedete Düngegesetz datiert den Start der Stoffstrombilanz auf den 1.1.2018. Die Ende September kurzfristig verschobene Abstimmung zur Stoffstrombilanz-VO im Bundesrat ändert den Zeitablauf vorerst nicht. Es ist richtig, sich jetzt schon mit der Stoffstrombilanz und der nährstoffreduzierten Fütterung zu beschäftigen. Dafür gibt es in Bayern ein Projekt, bei dem 21 Schweinehalter vom Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft, dem LKV Bayern und der staatlichen Beratung betreut werden.
Was droht, wenn die Bilanz nicht passt?
Bunge: Der jüngste Entwurf sieht vor, dass der zulässige N-Saldo im Mittel von drei Jahren um 10% überschritten werden darf. Gelingt das nicht, muss der Betrieb an einem Beratungsprogramm teilnehmen. Fruchtet dieses nicht, drohen Bußgelder. Die genauen Sanktionen muss die Politik noch festlegen. Beim Phosphor-Saldo besteht bislang nur die Pflicht zur Aufzeichnung. Die Vorgaben zur P-Bilanzierung sollen bei der nächsten Evaluierung der Verordnung folgen.
Wie wirkt sich die Stoffstrombilanz auf den Güllemarkt aus?
Schneider: Neben den Schweinehaltern müssen auch Geflügel-, Milchvieh- und Bullenhalter sowie Biogasbetriebe mehr Gülle abgeben. Gleichzeitig ist zu befürchten, dass weniger Betriebe Gülle abnehmen, weil sie bei Aufnahme von über 750 kg N pro Jahr eine Stoffstrombilanz erstellen müssen. Insbesondere in den Veredlungsregionen drohen daher höhere Abgabekosten.