Welche Rechte und Pflichten hat ein Landwirt bei Kontrollen durch das Veterinäramt? SUS hat bei Rechtsanwalt Heiner Thölke nachgefragt.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Die Veterinärkontrollen sind schärfer geworden. Was steckt dahinter?
Thölke: Der Tierschutz ist für unsere Gesellschaft von zentraler Bedeutung. Die Amtsveterinäre stehen unter öffentlichem Druck. Einige Landkreise haben personell aufgestockt und kontrollieren intensiver. Im Zweifel werden auch weitere verwaltungs-, bußgeld- oder strafrechtliche Schritte auf den Weg gebracht.
Wie sollten Schweinehalter auf den Besuch seines Amtsveterinärs reagieren?
Thölke: Dies ist für viele eine unangenehme Situation. Einige Schweinehalter verfallen sogar in Schockstarre, weil sie nicht vorbereitet sind. Dabei dürfen die Amtstierärzte auch ohne offiziellen Durchsuchungsbeschluss Ställe besichtigen und Tiere untersuchen. In einer solchen Situation rate ich ruhig und sachlich zu bleiben.
Was ist, wenn der Betriebsleiter nicht anwesend ist?
Thölke: Bei einem unangemeldeten Besuch wird in der Regel zunächst der Betriebsleiter benachrichtigt. Kann dieser binnen einer halben Stunde dazukommen, bittet man den Amtsveterinär, auf ihn zu warten. Ist der Landwirt länger abwesend, sollte auf keinen Fall eine andere Person mit in den Stall gehen. Vielmehr ist dann der Termin zu verschieben. Zwar sind Familienangehörige und Mitarbeiter verpflichtet, Auskünfte zu erteilen. Sie sollten dies unter Hinweis auf das Zeugnisverweigerungsrecht aber nicht tun, um sich nicht selber zu belasten.
Sollte der Hoftierarzt informiert und hinzugezogen werden?
Thölke: Es geht auch im Interesse des Landwirts um eine sorgfältig erstellte und gut dokumentierte Bestandsaufnahme. Dabei sollte nicht nur der einzelne Tierschutzmangel, sondern der Gesamteindruck seinen Niederschlag in den Akten findet. Der hinzugezogene Hoftierarzt kann hierbei helfen. Er kennt den Bestand und kann Fachwissen beisteuern.
Darf der Schweinehalter auf das Einduschen bestehen?
Thölke: In Zuchtbetrieben sind Einduschen sowie Schweinefreiheit gängige Vorsichtsmaßnahmen. Versierte Amts-tierärzte werden sich dem nicht widersetzen. Wenn dies allerdings ein Mäster fordert, besteht der Verdacht, dass der Betriebsleiter den Stalldurchgang herausschieben möchte. Darauf wird sich der Veterinär nicht einlassen.
Dürfen Proben oder Ferkel zur weiteren Untersuchung mitgenommen werden?
Thölke: Dafür muss es einen Grund geben. Wenn sich der Landwirt z.B. weigert, die Instrumente für die Nottötungen vorzuführen, besteht der Verdacht, dass nicht lebensfähige Ferkel tierschutzwidrig notgetötet werden. Dann wird der Veterinär möglicherweise den Kadaver eines solchen Ferkels für die Sektion mitnehmen wollen.
Oft werden Sachverhalte per Foto dokumentiert. Darf der Kontrolleur das?
Thölke: Ja. Es spricht aber auch nichts dagegen, wenn der Betriebsleiter eigene Handy-Fotos macht und die Situation z.B. aus einem anderen Blickwinkel fotografiert. Die Betriebsleiter sollten dem Veterinär anbieten, die Bilder zur Verfügung zu stellen.
Welche Grundregeln sollte der Betriebsleiter beherzigen?
Thölke: Ich empfehle, den Veterinär aktiv zu begleiten. Wird der Vorwurf einer Überbelegung wegen Überschreiten einer Gewichtsgrenze erhoben, gehören die Tiere sofort auf die Waage. Werden die Lichtverhältnisse beanstandet, ist nachzumessen. Der Landwirt sollte nach der Messmethode fragen und ob diese anerkannt ist. Bei all dem ist auf eine angenehme Gesprächs-atmosphäre zu achten. Auch ist es nicht verboten, den Kontrolleur auf eine Tasse Kaffee einzuladen, um den Gesamteindruck zu besprechen.
Darf der Kontrolleur Unterlagen wie Schlachtabrechnungen einfordern?
Thölke: Um sich einen Gesamteindruck zu verschaffen, hilft oftmals auch der Blick auf die letzten Auswertungen, zum Beispiel zu den Schlachthofbefunden oder Verlustraten. Hat der Landwirt diese gerade nicht zur Hand, sollte er anbieten, die Statistiken im Nachgang zuzuschicken.
Welche Konsequenzen hätte ein Verstoß gegen das Tierschutzrecht?
Thölke: In diesem Falle drohen eine tierschutzrechtliche Verfügung, ein Bußgeldverfahren oder ein strafrechtliches Verfahren. Mit der tierschutzrechtlichen Anordnung soll erreicht werden, dass der Missstand abgestellt wird. Zum Beispiel könnte gefordert werden, dass unverzüglich Krankenbuchten bereitgestellt werden müssen. Durch das Bußgeldverfahren werden kleinere Verstöße sanktioniert. Bei größeren Vergehen ermittelt die Staatsanwaltschaft und es kommt zu einer öffentlichen Gerichtsverhandlung.
Kann der Landwirt im Nachgang Stellung zu den Vorwürfen beziehen?
Thölke: Ja. Die Behörde verschickt zunächst einen Anhörungsbogen. Dies eröffnet die Chance, eventuell zusammen mit einem Berater oder dem Hoftierarzt mit den Behördenvertretern zu reden und Akteneinsicht zu bekommen. Betroffene sollten einen solchen Termin auf jeden Fall wahrnehmen. Aus meiner Sicht lohnt es immer!
Kann man bei kleineren Verstößen besondere Umstände geltend machen?
Thölke: Ja, wenn glaubhaft vermittelt werden kann, dass es eine besondere Situation war und der Missstand bereits behoben wurde. In einem Falle herrschte wegen Grippe absolute Personalnot. Während dieser Zeit wurden erkrankte Tiere nicht bzw. zu spät separiert sowie schlecht versorgt. In einem anderen Fall beruhte die Überbelegung in der Mast auf ein Missverständnis bei der Ferkelbestellung. Sanktionen können also durchaus in Einzelfällen abgewendet werden.
Welche Bedeutung haben tierschutzrechtliche Verfügungen?
Thölke: Bei Mehrfachverstößen kann dies den Weg für die Untersagung der Tierhaltung ebnen. Deshalb sind tierschutzrechtliche Verfügungen nicht zu unterschätzen.
Gibt es einen Bußgeldkatalog bei Miss-achten des Tierschutzes?
Thölke: Meine Erfahrung ist, dass es völlig unterschiedliche Bußgeldrahmen gibt. Es gibt definitiv keinen Katalog. Oft geht es bei gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Höhe des Bußgeldes. Kleinere Beträge sollten schnell akzeptiert werden, bei größeren lohnt es, zu streiten.
Werden bei Verfehlungen automatisch andere Behörden oder Institutionen wie QS informiert?
Thölke: Es kann durchaus sein, dass die für die Zahlungsansprüche zuständige Behörde über einzelne Tierschutzverstöße in Kenntnis gesetzt wird. Die Staatsanwaltschaft wird ebenfalls benachrichtigt. Private Institutionen wie QS werden aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht routinemäßig informiert.