Das private Schlachtunternehmen hat einen Industriefön für den Geruchstest umgebaut. Rund 4,5 % der Eber werden aussortiert.Tönnies gilt in Deutschland als Motor der Ebermast. Der Branchenprimus ist als Erster in größerem Umfang in das Marktsegment eingestiegen. Zudem schlachtet man bundesweit mit Abstand die meisten Eber. An den Standorten Rheda-Wiedenbrück, Sögel und Weißenfels werden aktuell in Summe rund 28 000 Eber pro Woche verarbeitet. Bis Ende des Jahres will Tönnies die Eberschlachtung verdoppeln! Die Eber stammen aus rund 500 Mastbetrieben – etwa ein Drittel davon aus Holland. Bei der Prüfung auf Ebergeruch setzt Tönnies auf ein dreistufiges System. Die erste Stufe übernimmt ein Mitarbeiter der SGS-Klassifizierung. Er überprüft die Bauchhöhle der Schlachtkörper. Bei dieser Vorselektion fallen Tiere mit starker Geruchsabweichung auf und werden per Farbstift markiert. „Diese Eber müssen wir dann beim Geruchstest besonders kritisch prüfen“, erklärt Dr. Wilhelm Jaeger, der bei Tönnies für den Bereich Landwirtschaft verantwortlich ist. Die zweite und wichtigste Stufe im Geruchstest erfolgt hinter der Schlachtwaage. Hier ist der Strom der Schlachtkörper auf zwei Rohrbahnen verteilt, so dass sich die Bandgeschwindigkeit von 1 300 auf 650 Tiere pro Stunde halbiert. Zudem hängen die Eber im Mix mit weiblichen Tieren am Haken, so dass mehr Zeit für die Geruchsprüfung bleibt. Beim Geruchstest sind parallel vier Personen im Einsatz, also zwei pro Schlachtbahn. Die erste Person erhitzt für ca. 3 Sekunden das innenliegende Nackenfett bis es leicht schmilzt. Hierfür nutzt Tönnies einen Industriefön, wie er auch zum Abspachteln von Lacken eingesetzt wird. Der Fön arbeitet konstant mit 550°C und ist mit einem Abstandshalter nachgerüstet, so dass er exakt 8 cm vom Tier entfernt ist. Diese Normierung erhöht die Sicherheit des Tests. Den Geruchstest übernimmt dann die zweite Person. Sie drückt bei auffälligen Ebern eine Taste und leitet das betreffende Tier auf eine separate Rohrbahn. Die Testpersonen hat Tönnies kritisch ausgewählt und geschult. Denn nur wenige Menschen sind für den Job geeignet. Da man die Tester regelmäßig wechselt, um sie zu entlasten, umfasst das Team für die Geruchsprüfung rund 35 Personen. Die dritte Test-Stufe besteht aus stichprobenartigen Nachkontrollen. Sie kommen in erster Linie bei besonders sensiblen Produkten zum Einsatz. Für die Nachkontrolle wird eine Probe aus dem Nackenspeck in verschlossenen Gläsern für 10 Minuten auf 100°C erhitzt und der Geruch überprüft. „Wenn unser Geruchstest am Band weiter so sicher arbeitet wie bisher, fällt die Nachprüfung künftig weg“, erklärt Dr. Jaeger. Die Kosten für den Geruchstest inklusive Logistik beziffert Tönnies in der momentanen Phase auf 50 Cent pro Tier. Im Schnitt sortiert das Unternehmen 4,5 % Eber wegen geruchlicher Abweichungen aus. „Wir filtern auch Zweifelsfälle bzw. Tiere mit geringsten Abweichungen aus. Wir gehen auf Nummer sicher und nehmen eine etwas höhere Aussortierungs-Quote in Kauf“, schildert Dr. Wilhelm Jaeger. Die aussortierten Tiere gehen in die Verarbeitungsware. Durch Kochen, Pökeln oder Räuchern wird ein späteres Auftreten von Ebergeruch vermieden. Dass Tönnies großzügig aussortiert, ist kein gravierender Nachteil. Denn in der Verarbeitungsschiene erzielt man ebenfalls eine hohe Wertschöpfung. Dennoch will man den Anteil geruchsauffälliger Schweine weiter senken. Eine große Rolle spielen dabei nach Beobachtungen des Schlachtunternehmens die letzten Stunden vor der Schlachtung. So schwankt der Anteil geruchsauffälliger Tiere meist von 3 bis 6 %. An heißen Tagen oder bei langen Transporten kann die Quote aussortierter Eber aber auf bis zu 10 % steigen. Auch die Haltung und Fütterung im Mastbetrieb haben einen Einfluss. In den Auszahlungspreis soll die in den Mastbetrieben festgestellte Quote an Tieren mit geruchlichen Abweichungen aber nicht einfließen. Eber ohne Geruchsabweichung fließen bei Tönnies in die gesamte Produktpalette im In- und Ausland – auch in das Frischfleisch. Die Beanstandungsquote ist hierdurch nicht angestiegen. Denn auch vor Beginn der Ebermast gab es vereinzelt Rückmeldungen wegen geruchlicher Abweichungen. Diese waren z.B. auf Binneneber oder in Einzelfällen auch auf weibliche Tiere zurückzuführen. Bei Tönnies ist man überzeugt, dass sich das Fleisch von Jungebern schnell zur festen Größe im Lebensmittelhandel entwickelt. Dazu Dr. Wilhelm Jaeger: „Momentan können wir die Nachfrage des Handels nicht decken. Wir werden das Jungeber-Segment daher kontinuierlich ausbauen.“ -fs- Geruchs-Test in drei Stufen Testpersonen kritischausgewählt und geschult Kein Preisabzug fürGeruchsabweichler Nachfrage nachunkastrierten Tieren steigt