Mehr als drei Jahre hat Berlin um Verschärfungen beim Baurecht für gewerbliche Tierhalter gerungen. Jetzt liegt die Novelle des Baugesetzbuches auf dem Tisch. Die Kernbotschaft: Es wird schwerer, mitunter unmöglich, größere Tierhaltungsanlagen im Außenbereich zu bauen. So hat die Bundesregierung die Privilegierung für sogenannte gewerbliche Ställe gestrichen, wenn sie der Vorprüfungspflicht oder der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen. Gewerblich sind alle Anlagen, für die der Betrieb nach § 201 Baugesetzbuch weniger als 50 % des Futters selbst erzeugen kann. Für alle gewerblichen Tierhaltungsanlagen wurde im Baugesetzbuch § 35 Abs. 1 Nr. 4 angewandt. Jetzt beginnt die Diskussion, inwiefern Pachtflächen als Nachweis der Futtergrundlage dienen können. Erschwerend kommt hinzu, dass Berlin die relevanten Tierplatzzahlen niedrig ansetzt. So greifen bereits die Grenzen für die standortbezogene UVP-Vorprüfung. Das heißt, gewerbliche Tierhaltungsanlagen mit mehr als 560 Sauen-, 1 500 Mast- oder 4 500 Ferkelaufzuchtplätzen verlieren die Privilegierung. Die Verschärfung des Baugesetzes erhöht die verfahrensrechtlichen Anforderungen an das betriebliche Wachstum, wobei die Folgen je nach Region bzw. Tierdichte unterschiedlich sind: Für die betroffenen Praktiker bieten sich folgende Wege zur Umsetzung: 1. Bebauungsplan: Wer sein Bauvorhaben mit geplanter Tierzahl und Flächenausstattung gewerblich umsetzen will, muss bei der Gemeinde ein Verfahren zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes beantragen. Hierbei wird geprüft, ob die Fläche, auf der die Anlage errichtet werden soll, überplant werden kann. Dies ist aufwendiger als bei Geltung der Privilegierung, da kein Anspruch auf Planung besteht. Auch muss beachtet werden, dass das Bauleitplanverfahren ein Jahr und länger dauern kann. Und die notwendigen Gutachten und Genehmigungen können schnell 30 000 bis 50 000 € verschlingen. Selbst wenn der Bauherr das Geld in die Hand nimmt, bleibt der Ausgang bis zum Ende offen. So setzt der Beschluss eines Bebauungsplanes eine Mehrheit im Gemeinderat voraus. Ein guter Draht zur Gemeinde oder regionalpolitisches Engagement können hier von Vorteil sein. Ein offensives und strategisch geplantes Verfahrensmanagement ist unerlässlich. Einer sinkenden Akzeptanz für Tierhaltungsanlagen muss durch Aufklärung und offene Überzeugungsarbeit entgegengewirkt werden, denn regionale Behörden und Politiker fühlen sich bei der Genehmigung großer Tierhaltungsanlagen oft unter Druck gesetzt. Das gilt insbesondere, wenn z. B. Umweltverbände bereits mit Klagen drohen. Das heißt, der Antragsteller trägt ein hohes planerisches und finanzielles Risiko. Hier spielen neben fachlichen Aspekten die Akzeptanz des Tierhalters im Ort sowie die Einstellung der Anwohner gegenüber der Tierhaltung eine Rolle. 2. Ackerflächen beschaffen: Um den risikoreichen Weg des Bebauungsplanes zu vermeiden, kann der Bauherr versuchen, Ackerflächen zu organisieren und eine landwirtschaftliche Struktur zu schaffen. Sind die Flächen geeignet, um auf ihnen mehr als 50 % des benötigten Futters selbst zu erzeugen, bleibt der Betrieb baurechtlich landwirtschaftlich und behält die Privilegierung. Dies gilt auch für Vorhaben über den UVP-Grenzen. Damit ist die Flächenbereitstellung auf den ersten Blick der beste Weg. Doch der Flächenbedarf ist enorm. So sind für 2 000 Mastplätze je nach Ertragsniveau etwa 80 ha Ackerfläche notwendig. Diese in Veredlungshochburgen bereitzustellen, ist utopisch. Bei geringerer Viehdichte kann die Flächenbeschaffung eine Lösung sein, wobei zu prüfen ist, welcher Pachtpreis vertretbar ist. Auch Kooperationen mit flächenstarken Betrieben sind eine gute Möglichkeit. Wichtig ist: Die Flächen müssen sicher bereitstehen. Sonst droht der Verlust der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. 3. Bauvorhaben verkleinern: Ein weiterer Weg zum Erhalt der Privilegierung ist, unter den vorgegebenen UVP-Grenzen zu bleiben. In der Ferkelerzeugung liegt die relevante UVP-Grenze bei 560 Sauenplätzen, was zumindest für viele Familienbetriebe Spielraum bietet. Hingegen übersteigen in der Schweinemast viele Bauvorhaben die UVP-Grenze von 1 500 Plätzen. Wer kleiner baut, muss genau prüfen, ob der einzelne Stallplatz nicht zu teuer wird. Das gilt besonders, wenn Mehrkosten für die Abluftreinigung oder mehr Tierwohl anstehen. Auch die Banken sehen die Finanzierung kleinerer Anlagen eher kritisch und ziehen diese möglicherweise zurück. 4. Tierplätze splitten: Theoretisch kann der Betrieb auch seine Stallplätze auf mehrere Anlagen bzw. Standorte aufteilen, um jeweils unter der UVP-Grenze zu bleiben. Allerdings werden die Behörden hier nur eine wirklich strikte Trennung akzeptieren. Denn hierbei muss das Kumulationsgebot beachtet werden. Das erhöht die Baukosten und den Betreuungsaufwand. Hinzu kommen genehmigungsrechtliche Hürden. Neben den Problemen für künftige Bauvorhaben kann der Wegfall der Privilegierung auch erhebliche Schwierigkeiten bei laufenden Genehmigungsverfahren bringen. Alle diejenigen, die ihren Genehmigungsantrag nach dem 4. Juli 2012 eingereicht haben, müssen versuchen, eine Entscheidung mit der Genehmigungsbehörde bis zum 19. September 2013 herbeizuführen, da die neue Rechtslage ab dem 20. September 2013 gilt. Diejenigen Antragsteller, die ihren Antrag bereits vor dem 4. Juli 2012 eingereicht haben, bleiben von der Gesetzesänderung verschont, da eine Übergangsfrist gilt. Das heißt, es bestehen nur die in den Punkten 1 bis 4 beschriebenen Auswege – mit allen Nachteilen. Im Vergleich zur ursprünglichen Planung muss der Betrieb mit hohen Mehrkosten rechnen. Im schlimmsten Fall ist sogar die Bankfinanzierung in Gefahr. Ist keiner der Auswege mit vertretbaren Mehrkosten umsetzbar, hat der Bauherr sogar die Genehmigungskosten in den Sand gesetzt! Doch auch vorhandene gewerbliche Tierhaltungsanlagen können betroffen sein. Dies ist der Fall, wenn zum Beispiel umwelt- oder tierschutzrelevante Aspekte eine bauliche Anpassung erfordern, die eine UVP-Pflicht auslöst. Wobei die Behörden diesbezüglich erheblichen Auslegungsspielraum haben. So ist nicht exakt definiert, wann eine einfache Anzeige ausreicht und wann eine Änderungs- oder eine Neugenehmigung zu erbringen ist. Im Kern geht es bei bestehenden Anlagen oft um die Neubewertung der Immissionen verbunden mit entsprechenden Gutachten. Bauliche Maßnahmen, bei denen Behörden unter Umständen eine Änderungsgenehmigung fordern können, sind zum Beispiel: Bei Änderungsgenehmigungen muss beachtet werden, dass nur noch angemessene Erweiterungen ohne Bauleitplanung möglich sind. Das heißt, auch die Frage der baulichen Privilegierung ist neu zu bewerten. Die Konsequenz: Bei zu geringer Futterfläche und Überschreitung der UVP-Grenzen entfällt die Privilegierung. Im Bereich der UVP-Relevanz ist eine angemessene Erweiterung über § 35 Abs. 4 Nr. 6 BauGB möglich. Der Umfang der Erweiterung muss mit den Behörden abgestimmt werden. Die Bundesregierung hat die Privilegierung für gewerbliche Tierhaltungsanlagen gestrichen. Das führt zu Mehraufwand bei der Entwicklung der Veredlungsbetriebe. Für größere Anlagen ist jetzt ein vorhabenbezogener Bebauungsplan notwendig. Dieser setzt einen Mehrheitsbeschluss im Gemeinderat voraus. Das Genehmigungsprozedere wird damit erheblich komplexer. Wichtig ist, dass sich die Bauherren frühzeitig fachlich beraten lassen, um die eigene Betroffenheit zu prüfen. Dann gilt es, ein Konzept zu erarbeiten, das im neuen rechtlichen Rahmen umsetzbar und rentabel ist. Wichtiger denn je ist künftig ein offener und kommunikativer Umgang mit Anwohnern und der Politik vor Ort. Letztere haben bei größeren Bauvorhaben jetzt die Schlüsselposition inne. Hochburgen stark betroffen Vier Auswege mit Tücken Laufende Anträge prüfen Es kann auch vorhandene Ställe treffen! Fazit Am stärksten betroffen sind die Veredlungshochburgen im Nordwesten. Denn hier sind Ackerflächen so knapp, dass die meisten Betriebe nur noch gewerblich bauen können. 70 bis 100 % der Schweine- und Geflügelbetriebe müssen sich auf einen erhöhten Aufwand bei der Umsetzung ihrer Projekte einstellen. Im Osten ist die Tierdichte geringer, was die Lage etwas entspannt. Jedoch liegen Ackerflächen und Tierhaltung oft in unterschiedlichen Unternehmen. Etwa 50 % der Bauvorhaben für Schweineställe bzw. -anlagen sind gewerblich und vom Wegfall der Privilegierung betroffen. Im Süden ist die Betroffenheit geringer, da die Tierdichte niedriger ist und die Bauvorhaben oft kleiner sind. Es gibt aber auch in Bayern und Baden-Württemberg viehstarke Landkreise und Betriebe, die über die UVP-Grenzen hinaus wachsen wollen. Sie werden sich genauso auf die neue Lage einstellen müssen wie Betriebe in Südoldenburg. Umbau der Lüftung, Umbau der Entmistung, Erweiterung der Güllelager, Integration von Auslauf, Umstellung der Fütterung, Wechsel von Sauen zur Mast, Ergänzung um Biogasanlage. -Dr.-Ing. Wilfried Eckhof, Ingenieurbüro Ahrensfelde- Mit der Baurechts-Novelle fällt die Privilegierung für größere, gewerbliche Tierhaltungsanlagen weg. Welche Betriebe sind betroffen? Welche Alternativen bleiben?