Extreme Preisschwankungen, teures Futter und ein scheinbarer Preisdeckel bei 1,60 € verunsichern die Mäster. Was sind die Gründe? Wie geht’s 2012 weiterDie Vermarktung der Schlachtschweine entwickelt sich immer mehr zur Glücksspirale. Insbesondere Anfang dieses Jahres kam es ohne erkennbaren Grund zu massiven Preissprüngen. Rein-Raus-Mäster, die den falschen Verkaufstermin wählten, beklagten nicht selten Verluste von mehr als 1 500 €. Einmalig ist auch der Preiseinbruch im Januar 2011. Im Sog der Dioxinkrise rutschte die Notierung in einem Schlag um 23 Cent ab. Doch was sind die Ursachen für die extreme Preisrallye? Wichtigster Grund ist der Ausbau der Mast in Deutschland. Bereits 2011 hat Deutschland mit gut 59 Mio. Schweinen eine Rekordschlachtung erzielt. Das entspricht einem Selbstversorgungsgrad von rund 115 %. In diesem Jahr ist ein ähnlich hohes Niveau zu erwarten. Damit ist das Preisgeschehen stärker als in früheren Jahren von den Exportmärkten abhängig. Rund 65 % der deutschen Schweineproduktion verbleibt derzeit im Inland. Der Rest wird innerhalb der EU-27-Staaten sowie in immer größerem Maße auf den Drittlandsmärkten platziert. Damit steigen die Risiken für die Preisentwicklung in Deutschland und der EU. Denn das unkalkulierbare Importverhalten wichtiger Absatzmärkte in Europa und Asien kann zu extremen Preisschwankungen führen. In unseren überversorgten Märkten beeinflussen zudem die Wechselkurse zu wichtigen Aufnahmeländern die Preisbildung. Daher gibt zunehmend der Eurokurs unsere Preise vor. In direktem Zusammenhang mit der wachsenden Abhängigkeit vom Export steht auch ein weiteres neues Phänomen am Schweinemarkt. So scheint in den letzten Monaten bei einem Preisniveau von 1,60 € eine imaginäre Schallmauer zu sein. Zumindest zeigt die rote Seite ab diesem Preisniveau eine extreme Gegenwehr in den Preisverhandlungen. Insbesondere die größeren Unternehmen mit hohen Exportanteilen klagen in solchen Zeiten und neigen zu Hauspreisen. So gelingt es häufig nicht, längere Zeit Preise von deutlich über 1,60 € umzusetzen. Die Hauptursache für die scheinbare Deckelung der Schlachtschweine-Notierung ist ebenfalls das Preisgefüge an den internationalen Exportmärkten. Zwar begünstigt der anhaltend niedrige Eurokurs unsere Wettbewerbskraft. Doch insbesondere im Vergleich mit den export-starken Anbietern aus Übersee gehört Deutschland bzw. Europa eher zu den Hochpreisländern. So lagen unsere Schweinepreise in den vergangenen Jahren bis auf wenige Ausnahmen meist deutlich über dem Preisniveau in den USA oder Brasilien (siehe Übersicht 1). Ganz besonders groß war der Preisabstand zu den internationalen Märkten im Jahr 2009. Seinerzeit lag unser Selbstversorgungsgrad allerdings etwa 10 % niedriger als jetzt. Zwar haben sich die Schweinepreise der drei wichtigen Exportnationen im Jahr 2011 etwas angenähert. In letzter Zeit läuft die Preis-Schere an den Weltmärkten aber wieder auseinander. Der Preisabstand zu den USA bzw. Brasilien beträgt Währungs-bereinigt aktuell etwa 14 bis 17 Cent/kg SG. Je nach Transport-Entfernung wird es für die hiesigen Exporteure daher nicht leichter, Ware international zu platzieren. Der Export ist mitunter schwierig und hat direkte Auswirkungen auf unser Preisniveau. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Deutschland im europäischen Preisvergleich seine einstige Spitzenposition verloren hat. Der EU-Preisvergleich der ISN zeigt, dass Deutschland zurückgefallen ist. Spanien führt unverändert das europäische Preisgefüge an (siehe Übersicht 2 auf Seite 12). Allerdings sind die Erzeugungskosten in Spanien insbesondere wegen des teuren Futters deutlich höher. Auch Frankreich hat sich an Deutschland vorbeigeschoben. Aufgeholt hat zudem Dänemark. Es hat vor allem von der guten Weltmarktnachfrage und der Dioxin-bedingten Verunsicherung gegenüber deutscher Ware profitiert. 2011 hat Dänemark inklusive Jahresbonus sogar höhere Schweinepreise gezahlt als Deutschland. Inzwischen hat Deutschland seine Position im internationalen Preisvergleich wieder gefestigt. Und seit Jahresbeginn haben sich weitgehend wieder die früheren Preisabstände eingestellt. So liegt unser Vereinigungspreis etwa 2 bis 3 Cent über den korrigierten Notierungen in Dänemark und Holland. Wir haben damit zumindest im führenden nordwesteuropäischen Veredlungsgebiet wieder die Spitzenposition inne. Zur niederländischen Preiskurve ist jedoch anzumerken, dass vielfach die Preise durch Boni für die Tierwohl-Programme höher ausfallen. Dem stehen aber höhere Produktionskosten gegenüber. Neben der internationalen Rangierung stellt sich die Frage, wie sich das Angebot weiterentwickelt. Vermutlich wird das europäische Schweineaufkommen dieses Jahr geringer ausfallen als die EU-Kommission noch 2011 prognostiziert hat. Die niederländische Rabobank geht mittlerweile davon aus, dass die EU-27-Staaten einen Produktionsrückgang von etwa 3,6 % aufweisen werden. Ob Deutschland die Produktion in diesem Jahr noch weiter steigern kann, ist inzwischen zweifelhaft. Denn die Schlachtzahlen fallen aktuell deutlich hinter dem Vorjahr zurück. Kumuliert liegt das deutsche Schlachtaufkommen der 1. bis 9. Kalenderwoche um etwa 8 % unterhalb den Vorjahreswerten. Damit wird eine erneute Rekordschlachtung für 2012 sehr unwahrscheinlich. In Deutschland verknappt sich das Schweineangebot auch deshalb, weil viele schlachtreife Schweine momentan nach Polen und in andere osteuropäische Länder fließen. Zudem werden weniger ausländische Schweine bei uns geschlachtet. Dieser Trend dürfte sich aufgrund der geringeren Preisanreize fortsetzen. Hinzu kommt der Ausbau der Tierwohl-Programme in Holland. Durch die geringere Belegdichte geht die Erzeugung stärker zurück als erwartet. Mit einem leichten Rückgang ist auch beim Inlandskonsum zu rechnen. Denn erfahrungsgemäß sinkt der Pro-Kopf-Verbrauch, wenn die Preise an der Ladentheke deutlich ansteigen. Demzufolge sind weiter steigende Exporte vor allem in die europäischen Länder und nach Asien zu erwarten. Ein schwacher Euro ist gut für den Export. Insofern hat die Eurokrise für viele Veredlungsbetriebe auf der Absatzseite ihr Gutes. So müssen Wettbewerber aus dem Dollarraum ihre Fleischwaren im europäischen Markt entsprechend billiger anbieten, um auf dem europäischen Binnenmarkt preislich nicht ausgestochen zu werden. Umgekehrt verbessert sich die Wettbewerbskraft der hiesigen Exporteure in den asiatischen Raum. Denn dort wird in der Regel auf Basis des US-Dollars abgerechnet. Neben der erfreulichen Entwicklung der Wechselkurse stimmt die gute Nachfrage nach Schweinefleisch positiv. Beim wichtigen Abnehmer Russland wird eine steigende Nachfrage erwartet. Seit 2012 ist Russland der Welthandelsorganisa-tion WTO beigetreten. Zur Jahresmitte laufen Übergangsfristen ab, so dass Russland die Einfuhrzölle für lebende Schweine von 40 % auf 5 % senken muss. Mit dem WTO-Beitritt verpflichtet sich Russland zur Akzeptanz internationaler Standards und zu größerer Transparenz. Insgesamt wird sich laut Marktbeobachtern der WTO-Beitritt günstig auf die Exportaktivitäten der EU auswirken. Bereits heute werden vor den Toren Moskaus Schweine um 2 €/kg Lebendgewicht gehandelt. Polen und die Slowakei liefern schon jetzt größere Mengen. Hierdurch könnte gen Westen eine Sogwirkung entstehen. Die Absatzsituation in weiteren wichtigen Exportmärkten zeigt sich ebenfalls positiv. Nach Südkorea darf Deutschland seit etwa anderthalb Jahren Schweinefleisch exportieren. Das Land nimmt inzwischen den dritten Platz bei den Exportmengen ein. Seit den Inspektionen der Koreaner im Herbst 2010 ist die Zahl der zugelassenen Schlacht- und Zerlegebetriebe auf 30 gestiegen. Auch China hat drei weitere Schlacht- und Zerlegebetriebe für die Einfuhr von frischem Schweinefleisch zertifiziert. Derzeit dürfen sieben Betriebe in die Volksrepublik liefern, wobei die Chinesen an einer Erweiterung der Produktpalette interessiert sind. Nach letzten Meldungen hat China 2011 die Einfuhr von Schweinefleisch um 80 bis 90 % gesteigert. Hintergrund: Immer wieder wird im Reich der Mitte über Ausbrüche von Tierseuchen, insbesondere der MKS, berichtet. Nur der japanische Markt kann nicht im gewohnten Umfang auf deutsches Schweinefleisch zurückgreifen. Aufgrund der Furcht vor Klassischer Schweinepest sind immer noch vier Bundesländer für den Export gesperrt. Die positiven Signale aus dem Export sind für die deutsche Schweineproduktion derzeit dringend nötig. Denn vor allem die gestiegenen Futterkosten belasten den Sektor. Eine Entspannung ist diesbezüglich nicht abzusehen. Der Getreidemarkt hat sich Mitte Januar unter Schwankungen in einen Aufwärtstrend begeben. Im westlichen Niedersachsen notierte Futtergetreide Mitte März sogar oberhalb der Vorjahreslinie. Bedingt durch die lange Frostperiode sind Auswinterungsschäden auf den nordwesteuropäischen Getreideflächen zu beobachten. Auch bei Eiweißfuttermitteln ist angesichts steigender Terminnotierungen in Chicago und dem schwachen Euro mit steigenden Preise zu rechnen. Bereits jetzt bewegen sich die Futterkosten in Nord-West-Deutschland bei 75 bis 80 € je Mastschwein. Bei steigenden Ferkelpreisen belaufen sich die Produktionskosten eines 96-kg-Tieres auf mehr als 170 €. Das heißt: Wir brauchen Erlöse von über 1,80 €/kg SG, um kostendeckend produzieren zu können. Das rückläufige Schlachtaufkommen in Europa dürfte mit dazu beitragen, dass die Notierungen zum Sommer hin den dringend notwendigen Schritt nach oben realisieren. Der Schweinemarkt befindet sich momentan in einer preislichen Neuausrichtung. Europaweit sind die Schweinehalter durch höhere Futter- und Energiekosten betroffen. Vor dem Hintergrund gestiegener Ferkelkosten benötigen die Mäster heute Erlöse von mindestens 1,80 €. Jedoch lehnt die Schlachtindustrie einen Preisanstieg oberhalb der Grenze von 1,60 €/kg mit dem Hinweis auf schwierige Exportmärkte momentan ab. Aufgrund des knapperen Angebots lässt das Jahr 2012 dennoch deutlich höhere Ferkel- und Schlachtschweinerlöse erwarten. Dies ist insbesondere für die Sauenhalter dringend notwendig. Die höheren Ferkelpreise schmälern allerdings die Margen in der Mast. Der Bestandsabbau in der Sauenhaltung wird dazu führen, dass Ferkel möglicherweise bis weit ins Jahr 2013 knapp bleiben. Vom Export abhängig Hiesige Preise über Welt-Niveau EU-Preisvergleich:Dänen holen kräftig auf Prognose: WenigerSchweine, weniger Verzehr Schwacher Euro stützt Exporte Der Osten braucht Schweine Futter bleibt teuer Wie geht‘s weiter? -Dr. Albert Hortmann-Scholten, LWK Niedersachsen-