Der Schock sitzt tief: Nachdem Nordrhein-Westfalen vorspreschte, schreibt nun auch Niedersachsen den Einbau von Abluftfiltern per Erlass vor. Betroffen sind alle Bauvorhaben der Spalte 1 der 4. BImSch-VO. Das heißt: Bei mehr als 2 000 Mast- oder 750 Sauenplätzen besteht Filter-Pflicht. Und zwar unabhängig davon, ob der Stall überhaupt eine Beeinträchtigung für Anwohner oder Umwelt darstellt oder nicht! Doch auch vorhandene Ställe müssen u. U. mit Filtern nachgerüstet werden. Und selbst bei Mastställen ab 1 500 Plätzen können die Behörden den Einbau von Abluftfiltern fordern. Mit ihren Erlassen setzen die Länderminister um, was bereits der vorherige Minister Gert Lindemann angeschoben hat. Die Praktiker sind verunsichert. Schließlich treiben Abluftfilter die Produktionskosten um mehrere Euro je Tier in die Höhe und gefährden so das gesamte Bauvorhaben. Etliche Landwirte haben daher ihre Neubaupläne zunächst wieder zurückgezogen. Unser Interview zeigt, welche Betriebe die neue Filter-Pflicht konkret trifft und welche Konsequenzen sie erwarten. SUS: Die Filter-Pflicht trifft Ställe mit mehr als 2000 Mast- oder 750 Sauenplätzen. Wie sind die Tierzahlen definiert? Arends: Maßgebend ist der Anlagenbegriff laut BImSchG. Zur Anlage gehören alle Stallbereiche z. B. mit gemeinsamer Zufahrt, Strom- und Wasserversorgung. Bei typisch gewachsenen Hofstellen sind in der Regel alle Tierplätze zu summieren. Auch steuerlich getrennte Betriebe sind bei gemeinsamer Versorgung zusammen zu betrachten. SUS: Wie viele Betriebe sind betroffen? Arends: Das ist regional unterschiedlich. In Veredlungshochburgen sind viele Bauvorhaben ohnehin nur noch mit Abluftfilter realisierbar. Die Verschärfungen treffen daher vor allem Regionen mit geringerem Tierbesatz. Hier deklariert man die Abluftreinigung zum Stand der Technik und zwar unabhängig davon, ob eine Belastung für Anwohner oder die Umwelt zu erwarten ist. SUS: Wie ist die Nachrüst-Pflicht für vorhandene Ställe zu verstehen? Arends: Die Landkreise müssen bestehende Anlagen mit mehr als 2 000 Mast- oder 750 Sauenplätzen auf schädliche Umweltwirkungen bzw. die Schutzanforderungen überprüfen. Unklar ist, wie die Prüfung genau erfolgen soll. Die rechtlichen Anforderungen sind in den letzten Jahren ständig gestiegen. Insbesondere bei Ammoniak sind Probleme zu erwarten, wenn z. B. FFH-Gebiete in der Nähe liegen. SUS: Warum bereitet die Nachrüst-Pflicht den Praktikern so große Sorge? Arends: Beim Neubau kann der Landwirt abwägen, ob das Projekt die Filter-bedingten Mehrkosten tragen kann. Hingegen werden vorhandene Ställe im Nachhinein mit Mehrkosten belastet. Nach Ablauf der Übergangsfrist bleibt nur die Wahl, betroffene Ställe nachzurüsten oder stillzulegen. Die gegenwärtig unklare Lage bei den Prüfbedingungen lässt erheblichen Spielraum zu. Das erhöht die ohnehin große Planungsunsicherheit der Veredlungsbetriebe. SUS: Für Verunsicherung sorgen außerdem mögliche Keimgutachten. Arends: Richtig, denn die Gutachten sind mit bis zu 25 000 € extrem teuer. Die Behörde kann Keimgutachten bereits bei mehr als 1 500 Mast- oder 560 Sauenplätzen fordern, wenn bestimmte Hinweise vorliegen. Hierzu zählen Wohnhäuser im Umkreis von 350 m, Ställe im Umkreis von 1 000 m oder Wohnbebauung in Hauptwindrichtung im Umkreis von 1 000 m. Durch diese Definition kann eine Vielzahl von Standorten betroffen sein. SUS: Was sind die Konsequenzen? Arends: Keimgutachten sind mächtige Steuerungs-Instrumente für die Behörden. Denn das Ergebnis der Gutachten lässt sich für den Bauherrn kaum abschätzen. Im schlimmsten Fall drohen sogar Umwelt-toxikologische Gutachten. Der Bauherr sitzt in der Zwickmühle: Um die Gutachten zu vermeiden, kann er vorsorglich bereits ab 1 500 Mastplätzen einen Abluftfilter einbauen. Oder er zieht das Vorhaben zurück. SUS: Was kosten Abluftfilter? Arends: Bei einem 1 500er-Maststall stehen je nach Ausführung Investitionen von 70 000 bis 110 000 € an. Hinzu kommen Aufwendungen für Strom, Säure, Wartung etc. Die Gesamtkosten betragen 12 bis 20 € (netto) je Tierplatz bzw. 4,50 bis 7,50 € je Tier. Bei größeren Einheiten ergeben sich deutliche Kostendegressionen. In der Vergangenheit wurde mitunter versucht, mit günstigen Filterlösungen die Kosten zu senken. Das rächt sich jetzt oft, weil die Störanfälligkeit steigt oder die Filter Prüfungen nicht standhalten. SUS: Besteht die Gefahr, dass die Filter-Pflicht bundesweit kommt? Arends: Aus fachlichen und ökonomischen Aspekten sollten Abluftfilter nur zum Stand der Technik deklariert werden, wenn der Durchschnitt der Betriebe die Mehrkosten tragen kann. Dies ist jedoch nur bei wenigen Spitzenbetrieben der Fall. Allerdings ist zu befürchten, dass diese Aspekte unberücksichtigt bleiben. So bemühen sich derzeit mehrere Bundesländer, Abluftfilter zum Stand der Technik zu erklären. SUS: Was sind die Folgen für die Schweinehaltung? Arends: Das betriebliche Wachstum wird fortan erheblich gebremst. Bauvorhaben werden in kleineren Einheiten stattfinden, um Abluftfilter zu vermeiden. Die Schweinehalter in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben damit klare Wettbewerbsnachteile gegenüber Berufskollegen in anderen Bundesländern und im Ausland. SUS: Gibt es auch Wechselwirkungen mit der Beschneidung der Privilegierung? Arends: Ja. Für viele Betriebe ist die Einschränkung der Privilegierung gewerblicher Ställe sogar die größere Hürde. Sie überlagert die Filter-Pflicht. Bei gewerblichen Bauvorhaben werden viele Betriebe unter der UVP-Grenze bleiben wollen, um die Privilegierung nicht zu verlieren. Das heißt: Neubauten mit mehr als 1 500 Mastplätzen werden wir zumindest in den Intensivgebieten kaum noch sehen. -Interview: Fred Schnippe, SUS- Niedersachsen und NRW schreiben seit Kurzem Abluftfilter für größere Ställe vor. Über die Konsequenzen hat SUS mit Fachreferent Friedrich Arends diskutiert.