Das Verbundprojekt Eberfütterung hat die Wirkung unterschiedlicher Aminosäurenzulagen geprüft. Wie ist der Einfluss auf die Mast- und Schlachtleistung sowie auf den EbergeruchDie großen deutschen Schlachthöfe treiben die Ebermast kräftig voran. Zudem macht die Bundesregierung Druck. Mit der Novelle des Tierschutzgesetzes soll die betäubungslose Kastration bereits 2017 verboten werden. Viele Landwirte sind verunsichert. Denn nach wie vor sind etliche Punkte zur Haltung und Fütterung der Eber unklar. Auch die Frage, wie viele Tiere Ebergeruch zeigen und wie man damit künftig umgeht, sorgt die Praktiker. Um Licht ins Dunkel zu bringen, haben im Frühjahr 2011 zehn Partner aus Forschung und Wirtschaft unter Koordination der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft ein Verbundprojekt gestartet, das vom BMELV gefördert wird (siehe Kasten). Unter anderem werden in drei ostdeutschen Leistungsprüfanstalten (LPA) insgesamt 432 Eber mit verschiedenen Rationen gemästet. Basis bilden Stickstoff-Bilanzversuche, aus denen die Steigerungsstufen für Aminosäuren abgeleitet wurden. Das Projekt soll bis zum Herbst 2013 abgeschlossen sein. Der wichtigste Versuchsteil fokussiert auf die Frage, ob Eber eine höhere Lysinversorgung benötigen, um hohe Mast- und Schlachtleistungen zu erzielen. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass Eber im Vergleich zu Kastraten andere Gewebeanteile aufweisen. So zeigten Feinzerlegungen im Bundesebermastversuch von 1995, dass Eber über etwa 5 % mehr Muskelmasse, rund 8 % weniger Fett sowie ca. 1 % mehr Knochen verfügen. Diese Ergebnisse lassen in Zusammenhang mit der oft beobachteten geringeren Futteraufnahme sowie einer stärkeren Bewegungsaktivität höhere Anforderungen an die Proteinversorgung der Eber erwarten. Um den Bedarf an Eiweiß bzw. essenziellen Aminosäuren genauer quantifizieren zu können, hat jede LPA die Eber in drei Gruppen aufgeteilt: In der ersten Versuchsserie beendeten über die LPAs hinweg je Versorgungsstufe mindestens 70 Tiere die Prüfung. Die Lebendmassen zum Prüfende lagen zwischen 117 und 122 kg. Das mittlere Zunahmeniveau von deutlich über 900 g je Masttag war hoch. Die Ausschlachtung betrug im Schnitt 78,3 bis 79,3 %. Der Einfluss der Lysinversorgung auf die Fleischleistung war im Versuch gering. So lässt die Prüftagszunahme mit 923 bis 942 g keine statistisch absicherbaren Unterschiede erkennen (siehe Übersicht 2). Auch bei der täglichen Futteraufnahme und dem Futteraufwand im gesamten Prüfabschnitt zeigten sich keine signifikanten Unterschiede, die sich durch die Versorgungsstufe mit essenziellen Aminosäuren erklären ließen. Diese Aussage gilt sowohl innerhalb der LPAs als auch bei der Auswertung über das Gesamtmaterial. Die sich im Vormastbereich andeutenden Vorteile beim Futteraufwand der Gruppen mit der höheren Aminosäurenausstattung bestätigten sich in der Varianzanalyse über das Gesamtmaterial ebenfalls nicht. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Schlachtleistung. Kenngrößen sind hier die ermittelten Fett- und Fleischflächen am Kotelettanschnitt sowie der rechnerisch ermittelte Fleischanteil im Bauch nach Gruber Formel. Sie repräsentieren die Fettauflage auf dem Schlachtkörper, die Fleischfülle und die Qualität des Teilstückes Bauch. Wider Erwarten wurde für keines der Schlachtkörpermerkmale ein signifikanter Einfluss der Versorgungsstufe mit Aminosäuren ermittelt. Auch beim Muskelfleischanteil nach Bonner Formel lagen alle Versorgungsstufen mit einem Niveau von 60 % gleichauf. Die von der LMU München mittels DXA-Scanner zusätzlich vorgenommenen Analysen von je sieben Tieren pro Versorgungsstufe ließen ebenfalls keine signifikanten Unterschiede in der Muskel-, Fett- und Knochenmasse bzw. den Anteilen am Schlachtkörper erkennen. Ebenso unterscheiden sich die Fütterungsgruppen nicht in der Fleischqualität und dem Gehalt an geruchsaktiven Substanzen im Nackenspeck der Eber. Weder für Androstenon noch für Skatol und Indol zeigte sich im Versuch ein signifikanter Einfluss der Lysinversorgung. Die Ergebnisse der Androstenon- und Skatolanalysen weisen einen hochsignifikanten Einfluss des Prüfbetriebes auf. So zeigt Übersicht 3, dass in Dornburg und Ruhlsdorf um 13 bzw. 46 % höhere Skatolwerte gemessen wurden als in Iden. Dies hat mit der Fußbodengestaltung zu tun. Denn in Dornburg und Ruhlsdorf werden die Schweine auf Teilspaltenboden gehalten. Diese weisen einen höheren Verschmutzungsgrad auf als die Vollspaltenböden in Iden. Beim Androstenon zeigt sich mit doppelt so hohen Werten in Iden gegenüber Dornburg auch ein erheblicher Betriebs-Effekt (siehe Übersicht 4). Dieser lässt sich jedoch nicht direkt begründen. Möglicherweise steht der unterschiedliche Wachstumsverlauf mit den Androstenonwerten in Verbindung. Während sich in Dornburg und Ruhlsdorf die Tageszunahmen im Vor- und Endmastbereich auf nahezu einheitlichem Niveau bewegten, realisierten die Eber in Iden in der Vormast rund 100 g niedrigere Tageszunahmen als im Endmastbereich. Androstenon und Skatol gelten nach wie vor als die wichtigsten Komponenten für die Ausprägung des Ebergeruchs. Die analytisch ermittelten Gehalte wurden daher verwendet, um die Gefahr von Geruchsabweichungen bewerten zu können. Als Bewertungsmaßstab dienten die aktuell geltenden Orientierungswerte für Androstenon von 1 000 ng/g Fett und Skatol von 250 ng/g Fett. Besonders groß ist das Risiko für Ebergeruch, wenn beide Orientierungswerte überschritten sind. Dies ist in Dornburg nur bei 2,8 % der Tiere der Fall, wie Übersicht 5 zeigt. In Ruhlsdorf weisen 5,4 % der Eber die gleichzeitige Überschreitung der Androstenon- und Skatol-Orientierungswerte auf. Am höchsten scheint das Riskio für Ebergeruch bei den in Iden geprüften Tieren zu sein. Hier liegen gut 10 % der Schlachtkörper über beiden Orientierungswerten. Um neben den unabhängigen Sensorikprüfungen unter standardisierten Bedingungen bereits zeitnah das Auftreten von Ebergeruch einschätzen zu können, haben bei allen drei LPAs geschulte Mitarbeiter bereits auf dem Schlachthof Kontrollen durchgeführt. Nach einer Abstimmung innerhalb der Projektgruppe wandten die Arbeitsguppen bei den Ebern aus Dornburg und Ruhlsdorf die Prüfung per Heißluftpistole an. Hierbei wird die so genannte Nackenspinne für drei bis fünf Sekunden mit hohen Temperaturen von 600 °C angestrahlt. Bei den Ebern aus Iden erfolgte am Schlachttag eine Kochprobe laut AVV Fleischhygiene. Schlachtkörper ohne Geschlechtsgeruch bekamen hierbei die Note „0“. Traten hingegen unerwünschte Gerüche auf, wurde dies mit der Note „1“ für leichten bzw. „2“ für starken Ebergeruch bewertet. Die Ergebnisse sind nicht in jedem Fall mit den Einstufungsergebnissen der chemischen Analyse beider geruchsaktiven Substanzen deckungsgleich. So traten bei der Geruchsbewertung zwischen den LPAs weitaus stärkere Differenzierungen auf als aus den Androstenon- und Skatolgehaltswerten zu erwarten war. Schon bei den Tieren mit leichtem Ebergeruch gab es große Unterschiede (siehe Übersicht 6). Während von den Dornburger Ebern knapp 10 % solche Beanstandungen zeigten, wurden in Ruhlsdorf rund die Hälfte und in Iden fast zwei Drittel der Eber als leicht abweichend klassifiziert! Hinzu kommt die Bewertung der Eber mit starkem Ebergeruch. In Dornburg wurden knapp 3 % der Tiere entsprechend eingestuft. Demgegenüber war in Ruhlsdorf und Iden die Quote der stark auffälligen Geruchsabweichler mit 12,2 bzw. 17,4 % sehr hoch! Aus den Einzelergebnissen wird deutlich, dass Tiere auch dann als eindeutig geruchsbelastet eingestuft werden können, wenn sie nur in einer von beiden Substanzen hohe Werte aufweisen. Dies kann in einem Betrieb in erster Linie das durch Haltung und Fütterung stärker beeinflussbare Skatol sein, während in anderen Umwelten die Androstenonbildung stärker zu berücksichtigen ist. Deshalb sind die Möglichkeiten der Einflussnahme auf beide Komponenten weiter sehr intensiv zu ergründen. Neben der Geruchsbewertung im Schlachthof wird das Eberfleisch unabhängigen Prüfungen durch ein Sensorikteam der Uni Göttingen unterzogen. Unter Laborbedingungen wird dabei der Nackenspeck von Personen bewertet, die auf die Erkennung von Konzentrationsunterschieden trainiert sind. Die Ergebnisse stehen aus. Für die Fragestellungen des Eberfütterungsversuches lässt sich festhalten: Aminosäuren-Versorgung in drei Stufen Lysin-Zulage: Kaum Effekt auf die Leistung Skatolgehalt stark vomBuchtenboden abhängig Bis zu 17 % Geruchsabweichler Wir halten fest Die Kontrollgruppe erhielt ein Futter, das sich an den aktuellen DLG-Empfehlungen für Masteber orientiert. Mit 11,5 g Lysin je kg Vormast- und 9 g Lysin je kg Endmastfutter bleibt das Kontrollfutter knapp unter der DLG-Norm. In der Versuchsgruppe 1 wurde die Lysinversorgung mit 13,2 g je kg Vor- und 10,4 g Lysin je kg Endmastfutter auf 115 % der Kontrollgruppe angehoben. In der Versuchsgruppe 2 steigt die Lysinversorgung mit 14,9 g bzw. 11,7 g Lysin je kg Futter auf 130 %. Die Erhöhung der Aminosäurengehalte auf 115 bzw. 130 % der aktuellen DLG-Empfehlungen brachte mit dem untersuchten Tiermaterial keine Vorteile bei den Mast- und Schlachtleistungen sowie der Fleischqualität. Nach weiteren Versuchen mit anderer Genetik sind jedoch für die Mastleistung die Wechselwirkungen zwischen Steigerungsstufe und Mastabschnitt gesondert zu prüfen. Bei dem Gehalt geruchsaktiver Substanzen im Eberspeck zeigte sich ein erheblicher Betriebseinfluss. Die Haltung auf Teilspaltenboden führte bei 10 % der Tiere zu deutlich höheren Skatolwerten, die auch Geruchsabweichungen bedingen können. Betriebsspezifisch können Eber ebenfalls hohe Androstenongehalte im Fettgewebe ausbilden. Im Riechtest zeigt sich ein hoher Betriebseinfluss. Bis zu 17 % der Schlachtkörper können geruchsauffällig sein. Die Geruchsabweichungen waren bei mehr als 25 % der Eber nicht durch die Androstenon- und Skatolgehalte zu erklären. -Dr. Simone Müller, TLL Jena,Projekt-Koordinatorin-