100 % Ebermast geht noch nicht!

Je mehr Eber wir schlachten, desto mehr Fleisch mit Geruchsabweichungen muss verarbeitet werden. Das kann zu Problemen führen, mahnen Fachleute.Schweinefleisch soll schmecken und nicht nach Eber riechen. Deshalb werden männliche Ferkel momentan unter Schmerzbehandlung kastriert. Diese über Jahrzehnte bewährte Praxis ist bei Tierschützern allerdings umstritten. Sie fordern den zeitnahen Ausstieg aus der ­Kastration und rufen zur Ebermast auf. Erste Erfahrungen zeigen, dass diese funktioniert. Im letzten Jahr wurden bundesweit rund 1,7 Mio. Jung-eber geschlachtet. Das Fleisch von geruchsbelasteten Tieren fließt in die Verarbeitung. Doch was passiert, wenn wir künftig 30 Mio. Eber schlachten und davon 1 Mio. Tiere geruchsbelastet sind? SUS hat mit zwei Fleisch-Experten diskutiert. SUS: Wo liegen die Unterschiede beim Fleisch von Kastraten und von Jungebern? Müller: Große Unterschiede bei der Fleischqualität gibt es nicht. Allerdings weisen Eber geringere intramuskuläre Fettgehalte und eine geringere Fettauflage auf als Sauen und Kastraten. Zudem haben Eber weicheren Rückenspeck. Dies ist bei der Weiterverarbeitung zu beachten. In Sachen Marmorierungsgrad konnten wir bei Stückware wie Roh- oder Kochschinken keine signifikanten Unterschiede feststellen. Auch bei der Lagerfähigkeit traten in unseren Untersuchungen keine Unterschiede auf. Allerdings haben wir Rosmarinextrakt als Antioxidans zugesetzt. SUS: Wo passt Fleisch von Jungebern hin, wo gibt es Probleme? Müller: Fleisch von Ebern ohne Geruchsabweichungen kann grundsätzlich zu allen Produkten verarbeitet werden. Bei grobkörniger Rohwurst kann u.U. die geringere Fettauflage nachteilig sein, da sich das Schnittbild verschlechtert. Der weichere Rückenspeck der Eber kann außerdem dazu führen, dass Rohwürste etwas weicher ausfallen. Die Speckkonsistenz lässt sich durch die Fütterung von weniger ungesättigten Fettsäuren bzw. höhere Getreideanteile in der Ration verbessern, was jedoch Mehrkosten verursacht. SUS: Laut Schlachtindustrie tritt bei 3 bis 5 % der Eber unerwünschter Eigengeruch auf. Wie wird dieser definiert? Stiebing: Zum Zeitpunkt des Bundesebermastversuches 1995 galt ein gesetzlicher Grenzwert. Schlachtkörper mit mehr als 0,5µg Androstenon je Gramm Fett wurden als genuss-untauglich eingestuft. Daneben wurde ein...