Bei den Auflagen zum Tierschutz gibt es noch Gestaltungsspielraum. Hier sollte sich die Branche stärker einbringen. Unstrittig ist: Keinem Tier dürfen ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Doch abgesehen davon, dass dieser Grundsatz bereits unterschiedlich ausgelegt werden kann, beginnen die Probleme mit weitergehenden Detailregelungen und deren Interpretation durch den Tierhalter und durch die zuständige Behörde. Um die Umsetzung zu unterstützen und aufwändige juristische Klärungsprozesse zu vermeiden, sind Ausführungshinweise zur Nutztierhaltungsverordnung erarbeitet worden. Diese bieten in einigen Punkten individuellen Auslegungsspielraum, was positiv zu sehen ist. An dieser Stelle sind die Landwirte gefordert, sich fachlich einzubringen Gruppenhaltung kreativ umsetzen Ab 2013 müssen EU-weit alle Sauen in Gruppen gehalten werden. Nach nationalen Ausführungshinweisen können Fressliegebuchten und Fressstände unter bestimmten Bedingungen in Gruppenhaltungssysteme einbezogen werden, wenn die Anforderungen an die Gesamt- und Liegefläche erfüllt werden. Allerdings müssen die Stände von den Tieren frei aufgesucht und verlassen werden können. Für den Fall, dass die Gangbreiten hinter den Ständen (noch) nicht den Anforderungen entsprechen, gilt eine verlängerte Übergangsfrist bis Ende 2018. Strittig ist, ob ein Verriegeln der Stände während der Fütterungszeit zulässig ist. Da hierdurch die Tiere ungestört Futter aufnehmen können, ohne von anderen Sauen verbissen zu werden, trägt dies zur Ruhe in der Herde bei. Kurz: Es ist nicht zu erwarten, dass die EU-Auflagen zur Gruppenhaltung zurückgenommen werden. Der Spielraum, den die deutschen Landwirte durch die Einbeziehung von Fress-Liege-Buchten erhalten haben, sollte genutzt und nicht leichtfertig aufgegeben werden. Alle Beteiligten sollten Kreativität und Kompromissbereitschaft zeigen, zumal Ausführungshinweise bei Bedarf überarbeitet werden können. Jungebermast weiter optimieren Die betäubungslose Ferkelkastration ist in der Kritik. Dank der Einführung der Schmerzbehandlung als Sofortmaßnahme ist es in vielen EU-Ländern gelungen, die Diskussion zu entschärfen und Zeit zu gewinnen, um eine allseits akzeptable Alternative zu entwickeln. Deutschland favorisiert die Jungebermast. Bis zur generellen Praxisreife ist es allerdings ein weiter Weg, da noch viele Fragen zu klären sind. Dennoch wächst das Interesse verschiedener Marktbeteiligter. Dies zeigt, dass der eingeschlagene Weg zur wissenschaftlichen Absicherung der Jungebermast fortgeführt werden muss. Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) bietet inzwischen Fördermittel zur „Entwicklung von Verfahren und Systemen für eine wettbewerbsfähige Ebermast in Deutschland“ an. Die Forschungsschwerpunkte : Züchterische Reduktion der Geruchsbildung, Fütterung der Jungeber, einzelbetriebliche Einflussfaktoren für Geruchsabweichungen, Ermittlung von Geruchsabweichungen am Schlachtband, Schlachtkörperbewertung und Verwertungsmöglichkeiten in der Verarbeitungsstufe, Wirtschaftlichkeit der Mast von unkastrierten männlichen Tieren. Bleibt festzuhalten: Diese von der Wirtschaft initiierten Forschungsschwerpunkte müssen konsequent weiterverfolgt werden, um die Zukunft mitgestalten zu können. Anderenfalls droht die Gefahr, nicht praktikable Verfahren aufgezwungen zu bekommen, wie dies z. B. in den Niederlanden mit der CO2-Betäubung geschehen ist. Schwanzbeißen: Nach Ursachen forschen Die Kritik am Vorkommen von Schwanzbeißen bei Schweinen und dem Kupieren der Schwänze wird lauter. Eine Fülle von internationalen Studien führt zu einem breiten Spektrum möglicher Ursachen. Daher können bislang keine praktikablen Maßnahmen zur sicheren Vorbeugung empfohlen werden. Oft bleibt nur das Kupieren der Schwänze. Jetzt soll den Tierhaltern zumindest eine Hilfestellung zur Identifizierung der wichtigsten betriebsspezifischen Einflussfaktoren an die Hand gegeben werden. Das Friedrich-Löffler-Institut (FLI), Celle, plant für diesen Zweck eine umfangreiche Feldstudie und den Aufbau einer Datenbank, aus der die Landwirte sich gezielt Tipps zur Vorbeuge herausziehen können. Bei der Suche nach praxistauglichen Vorsorgemaßnahmen hat das zuständige Düsseldorfer Ministerium inzwischen eine Vorreiterrolle eingenommen. Nach Bekanntgabe eines Erlasses zur Anwendung des Kupierverbotes bzw. der Ausnahmeregelung bemüht man sich jetzt in NRW darum, nach Schlüsselfaktoren für das Schwanzbeißen zu suchen. Hierfür wurde eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Wirtschaft gebildet. Unter anderem sollen über einen längeren Zeitraum in verschiedensten Betrieben systematisch die jeweiligen Haltungsbedingungen inklusive Fütterung, Stallklima und Tierverhalten erfasst werden, um Rückschlüsse auf wesentliche Einflussfaktoren ziehen zu können. Wenn dem Betriebsleiter das Risiko kalkulierbar erscheint, soll auch ein Verzicht auf das Kupieren getestet werden. Der ZDS plädiert an die Schweinehalter und Organisationen, sich jetzt konstruktiv bei den Projekten einzubringen, um mitgestalten zu können. Das Feld darf nicht den Tierschutzorganisationen und Verhaltensforschern überlassen werden. Schweine beschäftigen weitere Lösungen gesucht Schweine wollen ihren Erkundungstrieb ausleben, weshalb ständiger Zugang zu veränderbarem Beschäftigungsmaterial gefordert wird. Leider sind die im EU-Recht beispielhaft aufgeführten Materialien wie Stroh, Torf oder Kompost vor allem aus hygienischen Gründen oft nicht geeignet. Das Problem ist die Verfügbarkeit gesundheitlich unbedenklicher Einstreumaterialien ohne witterungsbedingte Schimmelpilzbelastung. Hinzu kommt das Risiko der Einschleppung von Krankheits- oder Seuchenerregern. Mit den Ausführungshinweisen zur Nutztierhaltungsverordnung werden daher zusätzliche Interpretations- und Gestaltungshilfen gegeben. Die Liste der aufgeführten Möglichkeiten ist nicht abschließend und kann mit einiger Kreativität beliebig erweitert werden. Wichtig: Die „Veränderbarkeit“ der Materialien und das anhaltende „Erkundungsinteresse“ der Schweine ist überzeugend darzustellen. Dies ist insbesondere mit Blick auf Verhaltungsstörungen wie das Schwanzbeißen von Bedeutung. Hilfreich ist die in den Ausführungshinweisen enthaltene Anregung, das „Erkundungsbedürfnis“ von Sauen in Einzelhaltung z. B. durch rohfaserreiche Fütterung, durch die Gabe von organischem Material und/oder durch aufgehängte „Einmal“-Seile zu befriedigen. Auch die Empfehlung, die Materialien aus hygienischen Gründen nicht unmittelbar am Boden anzubieten, kommt der Praxis entgegen. Kurz: Die Liste der in den Ausführungshinweisen zur Nutztierhaltungs-VO angeführten Beschäftigungsmaterialien ist zu erweitern. Auch Fütterungssysteme, mit denen sich die Tiere jederzeit beschäftigen können, müssen in den Katalog aufgenommen werden, zumindest als eine ergänzende Variante. Tiertransporte die Öffentlichkeit schaut zu Der Tiertransport findet nicht hinter verschlossenen Türen sondern in der Öffentlichkeit statt. Dieser Besonderheit sind die Transporteure durch Selbstverpflichtungen, Schulungen, ein Qualitätshandbuch und nicht zuletzt durch Einbindung in das QS-Kontrollsystem gerecht geworden. Grundsätzlich werden die wesentlichen Vorgaben in einer europäischen Tierschutz-Transportverordnung geregelt. Den Mitgliedstaaten ist das Recht eingeräumt worden, national über den EU-Standard hinauszugehen. Deutschland nutzt diesen Spielraum mit einer eigenen Transport-Verordnung. Nach wie vor steht eine Angleichung der Pausenintervalle für Fahrer und Tiere bei Langstreckentransporten aus. Zudem fehlen noch immer konkrete Orientierungswerte für die Temperatur und für die entsprechende Ausstattung der Fahrzeuge. Auf Initiative der deutschen Tierartendachverbände ist hierzu eine Studie für Rinder- und Schweinetransporte durchgeführt worden. Sie bestätigt, dass längere Standzeiten speziell im Sommer zu einer erheblichen Temperaturbelastung führen können. Um Wärme abzugeben, ist eine aus dem Fahrtwind resultierende Luftzirkulation im Fahrzeug vor allem an warmen Tagen unverzichtbar. Aufgrund einer fehlenden Präzisierung in der EU-Verordnung gibt es seit längerem eine Diskussion über die Höhe der Laderäume. Damit sind die Luftzirkulation über den Tieren und das Risiko von Kopfverletzungen verbunden. Aus Hessen hat es aktuell einen Vorstoß gegeben, exakte Maße für die Deckenhöhe über den Tieren festzulegen. Daraus würde ein Verbot doppelstöckiger Rindertransporte und dreistöckiger Schweinetransporte resultieren mit der Konsequenz einer entsprechenden Erhöhung der Anzahl Transporte. Das hätte einen erhöhten Kraftstoffverbrauch, die Verschlechterung der Klimabilanz und die Verteuerung der Transporte zur Folge. Der ZDS meint: Die Beanstandungsquote bei amtlichen Transportkontrollen in Deutschland ist gering. Dies ist ein Indiz dafür, dass Missstände in erster Linie bei Transit-Transporten auftreten. Dazu beigetragen haben auch QS-Kontrollen und die Selbstverpflichtung, höchste Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein beim Tiertransport walten zu lassen. Fazit Das gesellschaftliche Bewusstsein zum Tierschschutz nimmt zu. Fragen rund um das Kastrier- und Kupierverbot, Verhaltensauffälligkeiten und Tiertransporte sind nicht abschließend geklärt. Die aktive Mitwirkung der Branche bei der Suche nach praktikablen Lösungen bietet nicht zuletzt die Möglichkeit, sich öffentlich positiv darzustellen. Ingwersen