Ein neues EDV-Programm verspricht Zeitersparnis und mehr Übersicht bei der Dokumentation von Arzneimittel-Anwendungen. Doch es kann noch mehr.
Heinrich Niggemeyer, SUS
In einer Frage sind sich so gut wie alle Schweinehalter einig: Es kostet sehr viel Zeit, die Medikamenten-Anwendungen so zu dokumentieren, wie es der Gesetzgeber fordert. Davon kann auch Jonas Schäfer ein Lied singen. Zusammen mit sechs Mitarbeitern und einem Azubi betreut er auf dem Betrieb Böckenhoff in Lembeck 1800 Sauen und die dazugehörige Ferkelaufzucht. Klar, dass bei dieser Herdengröße Behandlungen an der Tagesordnung sind, von vorbeugenden Impfungen oder Eisengaben an neugeborene Saugferkel ganz zu schweigen.
„Früher hat mich das Zuordnen der Behandlungen zu den Anwendungs- und Abgabebelegen (AuA) rund drei Stunden pro Woche gekostet. Und ich hatte regelmäßig schlechte Laune, insbesondere dann, wenn durch Urlaub oder Krankheit die Eintragungen nicht zeitnah abgearbeitet wurden. Heute brauche ich nur noch die Hälfte der Zeit, und das Erfassen der Daten macht mir sogar Spaß“, freut sich Schäfer.
Digitaler Abgabe-Beleg
Das von Schäfer eingesetzte, webbasierte Programm FarmTool ist nach den Vorstellungen seiner Tierarztpraxis programmiert worden. Als Mitglied der Erstanwendergruppe hat er neben einigen anderen engagierten Landwirten sogar selbst an den Entwicklungsprozessen mitgewirkt.
Zum Gesamtkonzept gehört ein Modul für die tierärztliche Praxisverwaltung, welches durch eine tierartspezifische Anwendung für die Landwirte ergänzt wird. Über einen passwortgeschützten Login ist sichergestellt, dass jeder Schweinehalter nur auf eigene Daten zurückgreifen kann, nicht aber auf die Daten der anderen Betriebe oder gar der Tierarztpraxis.
Jonas Schäfer erzählt: „Früher hat mir mein Tierarzt die notwendigen Anwendungs- und Abgabebelege zeitnah per Fax geschickt. Diese haben wir dann abgeheftet und in Ordnern aufbewahrt“. Heute wird ein digitaler AuA-Beleg erstellt, der auf einem Server in einem professionell betreuten Rechenzentrum abgelegt wird. „Über das Internet kann ich jederzeit einzelne Belege abrufen und ausdrucken. Das spart viel Papier und verbessert die Übersicht enorm“, so Schäfer.
Elektronischer Kreislauf
Und so läuft der Medikamentenkreislauf konkret ab (siehe Übersicht):
Schritt 1: Der Tierarzt legt auf Grundlage seiner Bestandsbesuche und Untersuchungsergebnisse alle wiederkehrenden Behandlungen im Bestand fest und hinterlegt diese in einem Behandlungsplan. Das sind überwiegend Ferkel- und Sauenimpfungen, Medikamente zur Zyklussteuerung und über kontrollierte Zeiträume auch wiederkehrende antibiotische Behandlungen.
Diese Vorgaben können jederzeit angepasst werden, sofern tierärztliche Bestandsbesuche neue Erkenntnisse bringen. Neben den allgemeinen Hinweisen zum Einsatz des Präparates können in Ergänzung zum Besuchsprotokoll auch individuelle Empfehlungen oder Absprachen festgehalten werden.
Schritt 2: Auf Grundlage des Behandlungsplans kalkuliert der Schweinehalter den Arzneimittelbedarf zum nächsten tierärztlichen Bestandsbesuch und stellt eine Anfrage zusammen. Diese wird online an die Tierarztpraxis weitergeleitet und dort nach Freigabe durch den Tierarzt bis hin zum AuA-Beleg weiterverarbeitet.
Schritt 3: Mit der Medikamentenübergabe erscheint dann der Abgabebeleg in der Web-Anwendung beim Schweinehalter zur weiteren Verarbeitung. Wenn dieser die Anwendungen ins System eingetragen und zugeordnet hat, wird der AuA-Beleg archiviert.
Schritt 4: Sollten Restmengen übrigbleiben, z.B. weil Einzeltiere vorzeitig verenden und nicht behandelt werden, ist dies kein Problem. Dann kann der Landwirt über das System eine Wiederverordnung anfragen. Die restlichen Arzneimittel werden dann an Tiere verabreicht, die zu einem späteren Zeitpunkt erkranken.
Die Anfrage auf Wiederverordnung wird wiederum per Mausklick zur Tierarztpraxis geschickt. Der zu betreuende Tierarzt entscheidet im Einzelfall, ob eine erneute Untersuchung angesagt ist, oder ob ihm die Situation im Betrieb so vertraut ist, dass er eine Behandlungsanweisung für die Restmenge ausstellen kann.
Restmengen-Management
Als Praktiker sieht Jonas Schäfer die Sache so: „Die Medikamentenanfrage ist online viel schneller zu erledigen. Im alten System musste ich alle Positionen mit Angaben zur Tiergruppe, Gewicht usw. per Telefon oder Fax durchgeben.
Auch ist seiner Meinung nach das neue, digitale System viel transparenter und ehrlicher, weil jetzt sehr viel Wert auf die Zuordnungen gelegt wird. Dabei helfen interne Plausibilitätsprüfungen, Zwischenrechnungen und Datenübernahmen. Zum Beispiel kalkuliert das Programm anhand der Anzahl zu behandelnder Tiere, den Gewichtsangaben sowie der hinterlegten Daten zur Dosierung und Therapiedauer exakt die Mengen an Arzneimittel für die nächsten Tage. Denn obwohl der Tierarzt in einem beschränkten Rahmen Arzneimittel im Voraus abgeben kann, darf es nicht auf eine Bevorratung hinaus-laufen.
Auch wird der Schweinehalter gewarnt, sollte das Haltbarkeitsdatum abgelaufen sein. Den meisten Zugewinn an Sicherheit und Genauigkeit generiert das System dadurch, dass die Dosierungen etc. nicht neu eingegeben werden müssen, sondern diese Infos aus dem Behandlungsplan übernommen werden können.
Im Übrigen sieht die Veterinärverwaltung insbesondere die Restmengenverwaltung sowie die Anfragemöglichkeit der Neu- oder Wiederverordnung äußerst positiv. Selbstverständlich können auch die Meldungen zur staatlichen Antibiotika-Datenbank aus diesem System erfolgen.
Wartezeiten-Report
Eine weitere Funktion sind die sog. Reports. Dies ist für Betriebe interessant, die gern mit To-do-Listen oder Arbeitsplänen arbeiten. Auf dem Betrieb Böckenhoff werden z.B. morgens früh alle anstehenden Behandlungen des jeweiligen Tages aufgelistet, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Auch das Erstellen eines Wartezeiten-Reports ist möglich. Dies nutzt Jonas Schäfer aktuell jedoch nicht. „Früher hatte Draxxin eine Wartezeit von 50 Tagen. Da wäre ein solcher Report hilfreich. Aber bei der jetzt verkürzten Wartezeit von 13 Tagen managen wir es ohne Report. Bei uns werden die abgesetzten Sauen so schnell nicht verkauft“, erklärt der Betriebsleiter sein Vorgehen.
Für Mäster könnte diese Liste von größerem Interesse sein. Einige Vermarkter verlangen bereits heute entsprechende Erklärungen hinsichtlich des Antibiotikaeinsatzes. So müssen Mäster schriftlich versichern, dass bestimmte Antibiotika in einem definierten Zeitraum vor der Schlachtung nicht verabreicht worden sind. Im Abgleich mit den Behandlungsdaten kann der Programmanwender eine solche Erklärung mit gutem Gewissen unterzeichnen.
Ereignis-Kalender integriert
Neben dem Erfassen der Behandlungen und den Reports bietet FarmTool noch eine Besonderheit. So können vom Landwirt Ereignisse im System hinterlegt werden, die später in Bezug zu Krankheitseinbrüchen und Medikamenten-Anwendungen gesetzt werden können. Beispiele hierfür sind Futterumstellungen, Mitarbeiterwechsel oder Ausfälle der Stalltechnik. Auch sollen die biologischen Leistungen wie Ferkelzahlen oder Umrauschrate bzw. Schlachtbefunde hinzugefügt werden können. Ebenfalls integriert ist eine Zuordnung des Betriebsstandortes zu den regionalen Wetterdaten. Damit bleibt die Einschätzung der Bedeutung von Hitze- oder Kälteperioden für die Leistung kein Bauchgefühl mehr.
Mithilfe grafischer Darstellungen wird einerseits ein Frühwarnsystem für negative Entwicklungen geschaffen. Andererseits ist der Ereignis-Kalender auch ein wertvolles Instrument zur Bewertung von Managementmaßnahmen. Wie wertvoll solche Aufzeichnungen sein können, hat Jonas Schäfer bereits erfahren. Unabhängig von FarmTool trägt er Woche für Woche relevante Ereignisse in ein Excel-Arbeitsblatt ein, quasi als Gedankenstütze für später. „Dieser zeitliche Bezug ist mir sehr wichtig. Nur so kann ich mein Management weiter verfeinern“, argumentiert der engagierte Sauenexperte.
Neben dem Ereignis-Kalender sehen Schäfer und sein Tierarzt noch weitere Möglichkeiten, veränderte Produktionsbedingungen zu reflektieren. Sie setzen dabei auch auf die überbetrieblichen Auswertungen, die künftig im System möglich sein werden. „Die Auswertungen rund um den Arzneimitteleinsatz sind mir sehr wichtig. Hier können sich neue Impulse für die Beratung ergeben“, freut sich der Betriebsleiter.
Eingaben über App möglich
Mindestens genauso hilfreich wie der digitale AuA-Beleg ist die frisch entwickelte App für Smartphones. Diese steht im Datenaustausch mit der Web-Anwendung und ermöglicht eine schnelle Datenerfassung im Stall.
Zum jetzigen Zeitpunkt leistet die App eine Erfassung der Behandlungen direkt im Stall sowie die Zuordnung zum digitalen AuA-Beleg. Darüber hinaus können Arbeitspläne erstellt und an die Mitarbeiter weitergereicht sowie Besonderheiten für den Ereignis-Kalender dargestellt via App „im Vorübergehen“ festgehalten werden. Und schließlich bietet die App eine bequeme Erfassung nachzubestellender Artikel des täglichen Bedarfs wie zum Beispiel Besamungspipetten. Diese Notizen werden gesammelt und dann von Jonas Schäfer zentral abgearbeitet.
„Genau darauf habe ich schon lange gewartet“, ist Schäfer begeistert. „Jetzt hat es mit der Zettelwirtschaft fast ein Ende.“ Vor allem können jetzt Doppeleintragungen reduziert werden. Bislang wurden z.B. alle Arzneimittelbehandlungen zunächst mit Kürzel auf den Sauen- oder Abteilkarten vermerkt, dann in einen Wochenbericht übertragen und schließlich im Büro den jeweiligen Abgabebelegen bzw. der Abgabebeleg-Nummer zugeordnet.
Fazit
- Mit dem Internet-basierten Programm FarmTool können Arzneimittel-Anwendungen in direkter Anbindung an den jeweiligen Abgabebeleg erlektronisch verarbeitet werden.
- Die Eingaben werden auf Plausibilität überprüft. Das erhöht die Datensicherheit.
- Auch Wieder- oder Neuverodnungen von Restmengen können mit diesem System online angefragt werden.
- Ein Ereignis-Kalender ergänzt das Angebot. Veränderte Produktionsbedingungen lassen sich damit besser reflektieren.
- Überbetriebliche Auswertungen und Abgleiche mit anderen Systemdaten ermöglichen eine fundierte Analyse zum Arzneimitteleinsatz und geben neue Impulse für die Beratung.