Warum Schäden durch Parasiten und andere gesundheitliche Probleme vermehrt bei Bioschweinen auftreten können, zeigt unser Interview mit Prof. Dr. Ute Knierim, Uni Kassel.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Finden Bioschweine bessere Haltungsbedingungen vor?
Knierim: In Bezug auf Tierwohl findet das durchschnittliche Ökoschwein in vielerlei Hinsicht bessere Bedingungen vor als das durchschnittliche konventionelle Schwein. Das betrifft z.B. die Beschäftigungs- und Rückzugsmöglichkeiten oder den Zugang zu frischer Luft. Andererseits bergen Außenklimazugang und Einstreu auch erhöhte Risiken für Infektionen.
Was heißt das bezüglich der Gesundheit?
Knierim: Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass es in der ökologischen Schweinehaltung sowohl Bereiche mit besserer als auch schlechterer Gesundheit gibt. Über alle Erkrankungsarten hinweg sind die Befundraten häufig sehr ähnlich wie im konventionellen Bereich.
Wo gibt es im Ökobereich noch Defizite?
Knierim: Bezüglich vieler infektiöser Erkrankungen einschließlich Parasiteninfektionen. Allerdings werden in der ökologischen Schweinehaltung im Schnitt deutlich weniger Antibiotika eingesetzt. Ob das immer in vollem Umfang angemessen ist, kann man angesichts mancher Ergebnisse infrage stellen.
Welche Befunde treten bei Bioschweinen seltener auf?
Knierim: Bei Atemwegserkrankungen sind sowohl vergleichbare als auch bessere Ergebnisse zu finden. Schäden an der Haut und an den Gelenken sind bei Bioschweinen häufig weniger zu verzeichnen, was auf einen besseren Liegekomfort hinweist. Und dann gibt es Bereiche, zu denen routinemäßig keine Schlachtbefunde erhoben werden, wie zu Magenschleimhautentzündungen. Daher können hierzu leider keine Aussagen gemacht werden, auch wenn diese interessant wären.
Wie kann man Erkrankungen auch mit Auslauf und Stroh vermeiden?
Knierim: Hier steht das Hygienemanagement an erster Stelle. Dies ist häufig gerade in kleineren Betrieben durchaus zu verbessern. Beispielsweise lässt sich durch Rein-Raus-Verfahren, gründliche Reinigung und Desinfektion der Erregerdruck begrenzen. Gleichzeitig erhöhen gute Haltungsbedingungen die körpereigene Abwehr.
Warum ist die Einstreu so wichtig?
Knierim: Sie hat viele Funktionen gleichzeitig. Die Tiere können sich vielfältig mit ihr beschäftigen. Das trägt erheblich dazu bei, das Risiko für Schwanzbeißen zu minimieren. Außerdem erhöht die Einstreu den Liegekomfort, bei niedrigen Temperaturen isoliert sie, bei hohen Temperaturen muss jedoch für ausreichend Abkühlungsmöglichkeit gesorgt werden. Einstreu kann auch von den Tieren gefressen werden und so über die Beschäftigung hinaus einen individuellen Bedarf ausgleichen. Bei Sauen ist außerdem der Nestbau vor der Geburt ein wichtiges Verhalten, das mit Einstreu ausgeführt werden kann.
Was raten Sie in Bezug auf die Strohqualität?
Knierim: Eine gute Strohqualität ist für die Tiergesundheit sehr wichtig und kann in manchen Jahren eine Herausforderung darstellen. Natürlich sollte verpilztes oder schimmeliges Stroh nicht eingesetzt werden.
Wird die Tiergesundheit bei den Kontrollen genügend berücksichtigt?
Knierim: Die Bioverbände haben damit begonnen, neben der Einhaltung der Haltungsvorschriften auch die Tiergesundheit abzuprüfen, auch wenn das noch weiterentwickelt werden muss. Inzwischen ist es bei den ökologisch und konventionell wirtschaftenden Betrieben angekommen, dass z.B. Schlachtbefunde viel stärker in die betrieblichen Eigenkontrollen einbezogen werden müssen. Auf dieser Grundlage sollte dann am Betriebsmanagement gearbeitet werden. Allerdings muss die Befunderhebung an den Schlachthöfen stärker standardisiert und die Kommunikation zwischen dem Schlachthof und den Betrieben sowie Tierärzten und Beratern deutlich verbessert werden.
Wie beurteilen Sie die Möglichkeiten, natürliches Verhalten auszuleben?
Knierim: In dieser Hinsicht haben es die meisten Ökoschweine besser. Schon am Anfang ihres Lebens werden sie länger gesäugt. Mehr Platz, Einstreu und Zugang nach draußen ermöglichen es in deutlich stärkerem Umfang, dass die Tiere sich schweinetypisch verhalten können. Dazu gehört, dass sie ausgiebig wühlen, verschiedenste Gerüche aufnehmen, sich vor Artgenossen ggf. zurückziehen oder Nester bauen können.
Wie müsste sich die konventionelle Haltung weiterentwickeln?
Knierim: Schon allein das Ziel, künftig auf das Schwanzkürzen verzichten zu können, erfordert ein Umsteuern. Haltung und Management müssen wieder viel stärker die Ansprüche der Tiere in den Fokus nehmen. Die Tierbeobachtung muss verstärkt werden, von der Sau bis zum Mastschwein. Das geht nicht von heute auf morgen und hängt auch von der Entwicklung der ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen ab. Ich wünsche mir aber, dass ernsthaft an diesen Ansätzen gearbeitet wird. Dort, wo neu gebaut oder umgebaut wird, sollten flexiblere Stallkonzepte zum Einsatz kommen, in denen neben Gesundheits- auch Verhaltensaspekte verstärkt berücksichtigt werden können.