Sauenhalter Christoph Beth und Tierärztin Saskia Klinkhammer testen die Kastration unter Injektionsnarkose. Doch die Ferkel sind sehr lange außer Gefecht.
Caren Ahrendt, Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp
Vor gut einem Jahr setzte sich Christoph Beth mit dem Kriterienkatalog der Initiative Tierwohl auseinander. Er entschied sich unter anderem für die Kastration mit wirksamer Schmerzausschaltung. „Wir setzen ein Tierwohl-Kriterium um, das weder bauliche Investitionen noch eine Vorlaufzeit mit sich bringt. Dafür müssen wir jetzt Pionierarbeit leisten“, urteilt der Ferkelerzeuger heute.
Beth leitet den Betrieb Engel KG Viehorn in Schleswig-Holstein mit insgesamt 400 Sauen und teilweiser Mast. Bei der Stallarbeit wird er von zwei Fachkräften unterstützt.
Junge Ferkel vertragen Narkose schlecht
Tatsächlich hatte die Engel KG Losglück und konnte mit der Sauenhaltung an der Initiative Tierwohl teilnehmen. Das heißt, Christoph Beth musste ab Mai 2015 die Injektionsnarkose mit der Wirkstoffkombination Azaperon und Ketamin vorschalten. Dieses Verfahren wird auch bei der Operation von Bruchferkeln und Binnenebern angewendet. Innerhalb der Initiative Tierwohl haben sich nur 18 Betriebe für dieses Kriterium entschieden.
Zunächst wurde der Arbeitsablauf rund um das Kastrieren nicht geändert. Lediglich Tierärztin Saskia Klinkhammer kam dazu und legte die zu kastrierenden Ferkel in Narkose. Da der Betrieb im Wochenrhythmus arbeitet, wird immer montags kastriert. Die Ferkel sind dann drei bis vier Tage alt. Die Dosierung von 2 mg Azaperon und 15 mg Ketamin pro kg Körpergewicht wird durch die Tierärztin appliziert. Gleichzeitig erhalten die Ferkel Meloxicam. Nachdem die Tiere in die Narkose fallen, werden sie von der Mitarbeiterin Manuela Dose kastriert.
Doch schnell wurde klar: So funktioniert das System definitiv nicht! Dazu Beth: „Die drei bis vier Tage alten Ferkel vertragen die Narkose schlecht und schlafen sehr lange nach.“ In dieser Zeit liegen sie erst auf der Seite. Nach ein bis zwei Stunden fangen sie an zu rudern und bewegen sich unkontrolliert. Dies führt dazu, dass sie sich vom beheizten Nest fortbewegen und auf den Spalten kalt werden. Auch können Erdrückungsverluste die Folge sein.
Das Wundsekret aus der Kastrationswunde kann durch die Seitenlage nicht ablaufen. Es bilden sich Beulen und einige Wunden entzündeten sich. Außerdem nehmen die Ferkel in der bis zu sechs Stunden andauernden Nachschlafphase keine Milch ab, was zum einen das frisch kastrierte Ferkel zusätzlich schwächt und zum anderen zum Auftreten von MMA bei den Sauen führen kann. „Besonders bei Würfen mit vielen männlichen Ferkeln wird dies zum Problem“, hat der Betriebsleiter beobachtet.
Betäubte Ferkel im Nest fixieren
Die erste Umstellung war, die betäubten Ferkel wurfweise auf dem Nest in einer Kiste zu fixieren. So kann sichergestellt werden, dass die Ferkel nicht orientierungslos auf den Spalten liegen und auskühlen. Die Ferkel bleiben in den Kisten bis sie wieder vollständig fit und wach sind. Dies bedeutet eine intensive Nachkontrolle und Überwachung der Ferkel.
Auch die Einbindung in den normalen Arbeitsablauf war nicht mehr möglich, da die Tierärztin sonst zu lange Wartezeiten hatte und viel länger als nötig im Bestand geblieben wäre. Daher müssen die zu kastrierenden Würfe vorbereitet und vorsortiert werden. Im Idealfall kann die Tierärztin dann nacheinander die männlichen Ferkel betäuben und die Mitarbeiter können diese anschließend kastrieren. Arbeiten wie Ohrmarken einziehen, Eisen spritzen oder Impfungen müssen davor oder danach erfolgen.
Trotzdem blieb das Problem mit der extrem langen Nachschlafphase von bis zu sechs Stunden. Da die Ferkel zur Kastration am dritten Lebenstag nur um die 1,5 kg wiegen, stellt auch die genaue Dosierung der Narkosemittel eine Herausforderung dar. Aus diesem Grund entschieden sich die Tierärztin Saskia Klinkhammer und Christoph Beth nach einigen Durchgängen dazu, ältere Ferkel zu kastrieren und verschoben die Maßnahme auf den siebten Lebenstag der Jungtiere. Unter normalen Umständen ist die Kastration bis zu diesem Alter erlaubt.
Kastrationszeitpunkt verschoben
Um die Dosiergenauigkeit zu gewährleisten, wird je Wurf ein mittleres Ferkel gewogen und als Referenztier für den Wurf genutzt. Die Dosierung des Narkosemittels für die übrigen Tiere erfolgt dann nach Augenmaß entsprechend dem gewogenen Ferkel.
„Die Ferkel schlafen ca. eine Stunde sehr tief, bevor sie anfangen sich wieder unkontrolliert zu bewegen. Tatsächlich aufwachen und sich orientieren können sie aber erst deutlich später, wobei dieser Zeitpunkt von Ferkel zu Ferkel stark variiert“, hat Saskia Klinkhammer beobachtet. Bis dahin muss die Kiste mit einem Deckel abgedeckt sein, um zu verhindern, dass ein orientierungsloses Ferkel aus der Kiste springt und womöglich erdrückt wird. Deshalb ist eine genaue Beobachtung und Kon-trolle in der Aufwachphase nötig.
Die Vorteile des späteren Zeitpunkts sind größere vitalere Ferkel, deren Betäubung genauer dosiert werden kann. Außerdem können Ferkel und die Muttersau zu diesem Zeitpunkt eine geringere Milchabnahme besser verkraften.
Die erhöhte Vitalität der älteren Ferkel erweist sich aber gleichermaßen als Nachteil, da die gesamte Maßnahme für viel Unruhe im Abteil sorgt, wenn ältere Tiere eingefangen und behandelt werden sollen. Hinzu kommt eine größere Kastrationswunde, die deutlich langsamer heilt als bei kleinen Ferkeln. Kleine und schwache Ferkel werden allerdings um eine Woche geschoben und der Tierärztin beim darauffolgenden Besuch vorgestellt.
Was die Narkose kostet
Die Betäubung per Injektion kann der Tierarzt bei guter Organisation und schneller Abarbeitung für rund 1,00 bis 1,50 € pro Ferkel anbieten. Der Preis ist auch von der Menge der Ferkel abhängig, die betäubt werden. Hinzu kommt die Mehrarbeit für Vorsortierung und anschließendes Management der betäubten Ferkel. Die Arbeit bleibt hier beim Ferkelerzeuger, die Kosten können aber unter Umständen an den Mäster weitergereicht werden. In der Initiative Tierwohl wird die Umsetzung des Kriteriums mit 1,50 € je Tier entlohnt, was auch die weiblichen Tiere einschließt.
Da der Betrieb einen Teil der Schweine selbst mästet, wäre auch die Immunokastration mit Improvac eine Alternative. Zuvor müssten sich allerdings die Vermarktung und der LEH für diesen Weg öffnen. Die Kosten für die zweimalige Impfung der Masteber ohne Arbeit lägen bei rund 5 € pro Tier.
Im Nachhinein sieht Christoph Beth mit der Umsetzung des Kriteriums „Kastration unter Narkose“ keinen Beitrag für mehr Tierwohl. Die Nebenwirkungen der Narkose sind zu groß. Nun hofft er auf eine Möglichkeit, Ferkel künftig nur kurz zu betäuben. „Wenn die Tiere nur wenige Minuten betäubt wären, blieben weniger Probleme für Sau und Ferkel“, ist er überzeugt.
Fazit
Die Narkose ist ein tiefer Eingriff für das Ferkel und die Kastration unter Narkose zieht deutlich mehr Arbeit nach sich als die betäubungslose Kastration. Die Abläufe rund um die Kastration müssen den Gegebenheiten der Narkose angepasst werden.
Ältere Ferkel verkraften die Narkose besser. Der Nachteil sind größere Kastrationswunden. Deshalb wird jetzt versucht, den Zeitpunkt der Kastration wieder etwas vorzuziehen, damit die Kastrationswunden schneller abheilen.