Schweinehalter sind in der Regel bestens informiert, wenn es um die Fütterung ihrer Tiere geht. Sie wissen, an welchen Schrauben zu drehen ist, um die Zunahmen zu steigern. Sie feilschen mit dem Fütterungsberater um die Notwendigkeit jeden einzelnen Futterzusatzes. Und sie kennen ihre Futterkosten oft bis auf den Cent genau. Beim Thema Lüftung und Stallklima ist das anders. Hier sind viele Landwirte unsicher. Das kann auch Frans Lemans bestätigen. Den niederländischen Klimaprofi wundert es immer wieder, wie selten Betriebsleiter sich wirklich intensiv mit ihrem Lüftungssystem beschäftigen. „Auf die Frage nach den realisierten Luftraten zum Beispiel ernte ich meist nur ein Schulterzucken“, so Lemans, der seit 15 Jahren in der Klimaberatung tätig ist. Der ausgewiesene Lüftungsexperte, der heute als selbstständiger Berater unterwegs ist, hat schon rund 2 500 Schweineställe von innen gesehen. Bei seinen Besuchen vor Ort lässt er sich nach Möglichkeit immer den ganzen Betrieb mit allen Bereichen zeigen. „Auch wenn ich zum Beispiel nur wegen Problemen in einem bestimmten Aufzuchtabteil gerufen wurde, möchte ich die Vorgeschichte kennen. Es kann einen Einfluss haben, woher die Ferkel kommen und wie es den Müttern erging“, erklärt Lemans. Sobald der Lüftungsexperte einen Stall betritt, stellt er alle Sinne auf Empfang. So findet er selbst in Betrieben mit 30 abgesetzten Ferkeln und 800 g Zunahmen in der Mast noch Fehler bei der Stalllüftung, die die Leistung bremsen oder die Energiekosten in die Höhe treiben. Statt sofort seine Messgeräte einzuschalten und sich allein auf deren Anzeige zu verlassen, scannt Lemans zunächst mit geübtem Blick den Raum auf Auffälligkeiten: Ist der Stall dicht? Wodurch könnte die Luftverteilung behindert werden? Ist es warm oder eher zu kühl? Dabei bewertet er das Tierverhalten – wenn möglich schon von außen durch ein Abteilfenster. Liegen die Ferkel in Haufenlage? Nutzen die Mastschweine den vorgesehenen Liegebereich vollständig? Zugluft oder kalte Wände können verantwortlich dafür sein, dass Schweine sich dort nicht ablegen. „Es ist immer wichtig, sich in die Lage der Schweine zu versetzen. Das heißt, schnuppern Sie die Luft auf Tierhöhe! Denn es ist ein Trugschluss, dass Menschen und Tiere im Stall die gleiche Luft atmen“, erklärt Lemans. „Zugluft lässt sich besonders gut erfühlen, wenn die Haare nach dem Einduschen noch feucht sind“, gibt der Berater einen weiteren Tipp. Auch die Ohren spitzt er beim Klima-Kontrollgang besonders. So bleibt ihm nicht verborgen, wenn die Schweine einen Husten entwickeln oder Lüfter aufgrund loser Teile oder Schmutz „unrund“ laufen. Erst im zweiten Schritt kommen Hilfsgeräte wie Nebelmaschine, Wärmebildkamera, CO2-Messgerät & Co. zum Einsatz. Sie erfüllen in erster Linie den Zweck, einen Verdacht zu bestätigen oder dem Landwirt etwas deutlich und sichtbar zu machen. Zudem hat Lemans immer Block und Stift dabei, um per Skizze Zusammenhänge zu erklären. Heute besucht Frans Lemans einen 600er-Sauenbetrieb, der über wiederkehrende Probleme mit Schwanzbeißen und Ohrnekrosen in der Ferkelaufzucht klagt. Was Lemans sofort ins Auge fällt: In den Flatdeck-Abteilen sind nicht alle Buchten mit Tieren belegt. Der Landwirt lässt zunächst einzelne Buchten pro Abteil frei, um zurückfallende oder gebissene Tiere absondern zu können. Diese hält er dann einzeln, zu zweit oder zu dritt in den vorgehaltenen Buchten. Um dem Landwirt die Auswirkungen der ungleichmäßigen Belegung zu verdeutlichen, macht Lemans mithilfe von Nebel die Luftströmungen im Raum sichtbar. Eigentlich sollte die Luft von den Lochplatten hinab zunächst in den Kontrollgang und von dort langsam über die Buchtenwände in den Tierbereich strömen. So würden sich kalte und warme Luft gut mischen. An den Stellen, die leer oder nur mit Einzeltieren belegt sind, fällt die kalte Luft jedoch direkt von oben ohne Umweg über den Kontrollgang in die Buchten. Das passiert, weil dort die Thermik fehlt oder nicht ausreichend ist. Die tatsächliche Belegung des Abteils mit Tieren sollte also bei der Lüftung beachtet werden. Ziel ist immer, Frischluft möglichst impulsarm in den Tierbereich zu bringen. Doch auch dort, wo Leckagen in der Decke sind, fällt kalte Luft ungebremst herein. Ein Blick unter die Decke des Flatdecks offenbart: An zwei Stellen liegen die Dämmplatten nicht richtig auf. Vermutlich haben sie sich im Laufe der Zeit durch Staub und Feuchtigkeit angehoben. Dadurch tritt kalte Luft punktuell mit hoher Geschwindigkeit in das Abteil. Wie Lemans mithilfe von Nebel sichtbar macht, nimmt die kalte Falschluft auf ihrem Weg entlang der Wand noch an Geschwindigkeit auf. Man spricht vom sog. Coanda-Effekt. Die kalte Luft kann dabei in manchen Fällen auch bis in den Bereich unter die Spalten fallen und dann an anderer Stelle mit Schadgasen angereichert wieder in den Tierbereich emporsteigen. „Für die betroffenen Schweine ist das fatal. Sie empfinden die Kaltluftströmungen als Zugluft und versuchen, diese Stellen als Liegeplatz zu meiden. Wenn sie sich nicht entziehen können, sind Atemwegserkrankungen oder Probleme mit Schwanzbeißen vorprogrammiert“, weiß der Berater. Und der Landwirt bestätigt: „Dies sind auch genau die Buchten, wo im letzten Durchgang zuerst Kannibalismus auftrat.“ Lemans bittet daher den Sauenhalter, die angehobenen Dämmplatten neu zu verlegen bzw. offene Stellen mit PUR-Schaum abzudichten. Außerdem empfiehlt er, zum Schutz vor Kaltluftströmungen von oben an der hinteren Buchtenwand horizontal in etwa 1,20 m Höhe eine 60 cm breite Abdeckung anzubringen. So soll die einströmende Luft gebremst und einmal mehr verwirbelt werden. Insgesamt rät Frans Lemans dem Landwirt, mithilfe von Luftdruck-Messgeräten die Druckverhältnisse in den verschiedenen Stallbereichen überprüfen zu lassen. Der optimale Luftdruck außen am Lufteinlass beträgt im Sommer5 Pascal und im Winter 10 Pascal, so Lemans; Hinweis. Am Absaugpunkt im Abteil darf der Unterdruck bis 35 Pascal betragen. Im besuchten Betrieb liegt der gemessene Wert deutlich darunter. „Grundproblem auf vielen Betrieben ist, dass im Stallinneren kein oder kaum Unterdruck herrscht“, hat Lemans beobachtet. Dabei ist ein ausreichender Druckunterschied Voraussetzung für eine funktionierende Zwangslüftung: Schließlich wird die Abluft mittels Ventilatoren aus dem Stall gesaugt, und aufgrund des entstehenden Unterdrucks strömt dann frische Luft herein. Normalerweise sollen also die Lüfter die Luft in den Stall saugen. Häufig bläst jedoch der Wind die Luft mit Überdruck ins Stallinnere. So wird dem Stall mehr Luft zugeführt, als zur Abfuhr von Wärme und Schadgasen notwendig wäre. Ein Indikator für die Lüftungsintensität ist auch die CO2-Konzentration. Bei Aufzuchtferkeln sollte der Wert bei 2 500 bis 3 000 ppm/m3 Luft liegen. Ein höherer Wert zeigt eine unzureichende Entlüftung an. Im besuchten Flatdeck ist das Gegenteil der Fall. Hier misst Lemans einen CO2-Wert von 1 200 ppm, was eindeutig zu niedrig ist und für einen zu großen Luftaustausch spricht. Daher gibt Lemans dem Sauenhalter den Tipp, den Ferkeln in der ersten Woche nach dem Absetzen und Einstallen ins Flatdeck besonders viel Ruhe zu gönnen und die Luftrate auch im Sommer auf 40 % zu begrenzen. Ab dem siebten Aufzuchttag kann sie auf 60 % erhöht werden und erst ab dem 20. Tag sollte sie mit 90 % und mehr laufen. Selbst in Spitzenbetrieben ist im Bereich der Lüftung oftmals noch Einiges zu verbessern. Lüftungsberater Frans Lemans empfiehlt regelmäßige Klima-Kontrollrundgänge mit allen Sinnen. Bei einem solchen fiel auf einem 600er-Sauenbetrieb kalte Falschluft sowie ein zu starker Luftwechsel zu Beginn der Flatdeckphase auf. Diese Fehler können zum Kannibalismus beigetragen haben. Oft herrscht im Stallinneren auch zu wenig Unterdruck, sodass das Lüftungssystem kaum kontrollierbar ist, erklärt Lemans. Fühlen und riechen Luftverteilung sichtbar machen Dämmplatten verschoben Herrscht genug Unterdruck? Fazit -Mareike Schulte, SUS- Mit geschärften Sinnen deckt der holländische Klimaberater Frans Lemans Lüftungsfehler auf. SUS hat ihm bei der Arbeit über die Schulter geschaut.