Neugeborene Ferkel müssen zügig Antikörper über die Muttermilch aufnehmen. Welchen Einfluss die Gesäuge- und Zitzenanatomie hat, zeigen neue Untersuchungen.Die Wurfleistung fruchtbarer Sauenlinien hat in den letzten Jahren gewaltig zugelegt. Betriebe mit mehr als 14 lebend geborenen Ferkeln pro Wurf sind keine Seltenheit mehr. Das heißt: Wir brauchen heute Sauen, die neben ihrer Fruchtbarkeit ein hohes Aufzuchtvermögen mitbringen. Nur so lassen sich große Würfe mit geringen Verlusten aufziehen und in guter Qualität absetzen. Dies steht sowohl im Einklang mit der Wirtschaftlichkeit als auch mit dem Tierschutz. Das wichtigste Kriterium für die Aufzuchtleistung der Sau ist ihre Milchleistung. Die verfügbare Milchmenge und ihr Nährstoffgehalt rücken daher stärker ins Zentrum der Zuchtarbeit bei den fruchtbaren Mutterrassen. Züchter wollen 16 Zitzen Auf die Milchleistung der Sau wirken zahlreiche Einflussfaktoren. Hierzu gehören die Genetik, das Alter, die Nährstoffversorgung, die Gesundheit sowie die Anzahl der Sauferkel. Besonders wichtig sind zudem der Aufbau und die Funktion des Gesäuges. Die enge Beziehung zwischen Zitzenzahl und Milch- sowie Aufzuchtleistung ist bekannt. Die Zucht setzt deshalb zunehmend auf Gesäuge mit mindestens 16 Zitzen. Bei einer Säugezeit zwischen 21 und 28 Tagen bringen moderne Sauenherkünfte heute eine durchschnittliche Milchleistung von rund 10 kg am Tag. Diese Menge lässt sich nicht beliebig hochschrauben. Zwar steigt die absolute Tagesleistung der Sau, je mehr Ferkel ein Wurf aufweist. Doch für das einzelne Ferkel verringert sich gleichzeitig die verfügbare Milchmenge spürbar. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist der Nährstoffgehalt der Milch. Es ist bekannt, dass die Nährstoffgehalte in der Kolostralmilch innerhalb weniger Stunden nach der Geburt stark zurückgehen. Hierdurch kann es bei verschleppten Geburten zu Problemen beim Aufbau der passiven Immunität der Ferkel kommen. Bekannt ist auch, dass die Kolostralmilch von Sauen im ersten Wurf besonders hohe Nährstoffgehalte aufweist. So liegt der Fettgehalt mit bis zu 6 % und der Eiweißgehalt mit bis zu 25 % rund ein Drittel höher als bei älteren Sauen. Allerdings können die Gehalte je nach Einzeltier stark schwanken. Wenig erforscht ist bislang der Einfluss des Gesäugeaufbaus auf die Milchleistung und -qualität. Bei der Gesäugebeurteilung werden die Zitzenzahl, ihre Symmetrie und Homogenität sowie Anomalien erfasst. Zwischen den zwei Haupttypen, dem schwach und dem stark ausgebildeten Gesäuge, treten vielfältige Übergangsformen auf. Ein, zwei oder dreiMilchkanäle pro Zitze Auch die Zitzen selbst zeigen sich in verschiedensten Variationen. So gibt es Zitzen mit ein, zwei oder drei Milchkanälen. Wobei die Anzahl der Milchkanäle von einer zur nächsten Zitze variieren kann. Einige Sauen haben aber auch nur Zitzen mit zwei Kanälen. Nach bisherigen Erkenntnissen wurde dem Gesäugetyp nur wenig Bedeutung für die Aufzuchtleistung beigemessen. Dies ist neueren Studien zufolge jedoch nicht richtig. So scheint zwischen der Anzahl der in die Zitzenspitze mündenden Milchkanäle und der Nährstoffzusammensetzung der Sauenmilch doch eine Beziehung zu bestehen. Um Licht ins Dunkel zu bringen, hat die naturwissenschaftliche Universität Wroclaw in Polen die Zusammenhänge näher erforscht. Die Untersuchungen erfolgten in drei großen Sauenbetrieben, wo insgesamt mehr als 600 Sauen aufgestallt sind. Hierbei haben sich die Forscher auf insgesamt acht zufällig ausgewählte Sauen konzentriert. Zumeist waren es Tiere der F1-Kreuzung Large White x Landrasse. Die relativ kleine Stichprobe erklärt sich durch die sehr umfangreichen Untersuchungen je Einzeltier. So wurde bei jeder Sau die Anzahl der in die Zitzenkuppe mündenden Zitzenkanäle erfasst, um mögliche Rückschlüsse auf die Kolostrum- und Milchqualität zu ziehen. Die Anzahl der Milchkanäle ist während oder unmittelbar nach der Geburt recht einfach festzustellen. Nach einer Gesäugemassage kann man die Strichkanäle anhand der austretenden Milchstrahlen meist problemlos zählen. Neben den Strichkanälen haben die Forscher auch die Anzahl der Zitzen und ihre Platzierung erfasst. Von den acht ausgewählten Sauen wurden Kolostrum- und Milchproben zur Geburt bzw. am 21. Säugetag abgemolken. Hierbei haben die Forscher genau festgehalten, aus welchen Zitzen mit wie vielen Kanälen die Milch stammt. Die frischen Proben wurden mithilfe des so genannten Milko-Scan 133B auf ihren Gehalt an Fett, Eiweiß, Laktose, Trockenmasse und fettfreie Trockenmasse analysiert. Zudem erfolgte die Erfassung des Gesamt-Eiweißgehaltes (Molkenprotein) mithilfe der Elektrophorese. Des Weiteren wurden die Gehalte an Antikörpern in der Sauenmilch gemessen. Diese sind für eine erfolgreiche Saugferkelaufzucht von besonderem Interesse. Denn die Antikörper sind unersetzbar für den frühen passiven Immunschutz der neugeborenen Ferkel und damit für ihre Gesundheit. Das von einem gesunden Gesäuge einer Sau gebildete Kolostrum enthält hauptsächlich Antikörper, die aus dem Blut in die Milchdrüse gelangen. Anders verhält es sich bei der später abgegebenen Milch. Diese enthält mehrheitlich Antikörper, die lokal in der Milchdrüse gebildet werden. Große Unterschiedezwischen Betrieben Zunächst zu den Ergebnissen der Gesäuge- bzw. Zitzenerfassung. Die Untersuchungen zeigen, dass in den drei Betrieben Sauen mit verschiedenen Strukturen im Gesäugeaufbau unterschiedlich häufig anzutreffen sind. Hier liegt eine sehr große Variabilität vor (siehe Übersicht 1 auf Seite 67). Während im Betrieb A allein 35 % der Sauen nur Zweikanal-Zitzen aufwiesen, waren es im Betrieb B schon 51 %. Im Betrieb C wiesen dagegen nur 9 % der Tiere ausschließlich Zweikanal-Zitzen auf. Auch bei den weiteren Zitzen-Kombinationen gab es große Unterschiede zwischen den Betrieben. Sehr große Differenzen bestehen auch bei der einzeltierspezifischen Konzentration der Antikörper im Kolostrum (siehe Übersicht 2). So enthielt die Biestmilch von Sau Nr. 2 nur eine durchschnittliche Konzentration an Antikörpern von 65 g je Liter. Hingegen lag der Antikörpergehalt bei der Sau Nr. 6 mit 117 g/l Kolostrum fast doppelt so hoch. Im Mittel aller untersuchten Sauen war eine Antikörperkonzentration von knapp über 90 g pro Liter Kolostrum festzustellen. Interessant ist ferner, dass die mittleren Antikörpergehalte im Kolostrum nicht in jedem Zitzenpaar der Sauen gleich hoch sind. In Übersicht 3 ist speziell die Antikörperklasse der Gammaglobuline (IgG) abgebildet. In den zu Grunde liegenden Untersuchungen zeigte das im Gesäugezentrum liegende vierte Zitzenpaar mit einem mittleren IgG-Gehalt von gut 70 g/l Kolostrum die schlechtesten Werte. Deutlich gehaltvoller ist das Kolostrum nach den vorliegenden Ergebnissen offenbar im weiter hinten gelegenen sechsten Zitzenpaar. Hier haben die Forscher mit mehr als 92 g/l Kolostrum die höchsten IgG-Gehalte gemessen. Die polnischen Untersuchungen zeigen auch eindrucksvoll, wie schnell die Antikörpergehalte in der Sauenmilch nach der Geburt zurückgehen. Schon am zweiten Säugetag waren die Gehalte der Antikörperklassen IgA und IgG rund 80 % geringer als am Tag der Abferkelung. Die Untersuchungen unterstreichen damit, wie wichtig eine frühzeitige und ausreichende Biestmilchversorgung für die neugeborenen Ferkel ist. Mehr Milchkanäle = mehr Antikörper? Abschließend ist die Frage zu beantworten, ob auch die Anzahl der Milchkanäle in der jeweiligen Zitze für die Immunglobulinkonzentration von Bedeutung ist. Die Antwort: Es hängt davon ab, zu welchem Zeitpunkt man die Milch untersucht. Beim Kolostrum hatte die Anzahl der Zitzenkanäle keinen signifikanten Einfluss auf die Immunglobulinkonzentration. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass das Kolostrum generell sehr große Mengen an Immunglobulinen enthält. Hingegen waren in der „normalen“ Sauenmilch am 21. Säugetag sehr wohl Unterschiede feststellbar. So zeigt Übersicht 4, dass die Immunglobulinkonzentration in der Milch aus Dreikanal-Zitzen höher ist als in der aus Zwei- und Einkanal-Zitzen. Das gilt besonders für die Antikörper der Klasse IgA. Ihr Gehalt war in der Milch aus Zitzen mit drei Kanälen mit bis zu 9 g/l rund doppelt so hoch wie in den übrigen Zitzen. Interessant ist auch, dass ab dem siebten Tag nach der Abferkelung das IgA im Vergleich zu IgM und IgG deutlich dominiert. Die Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass die Anzahl der Milchkanäle einer Zitze in Beziehung zur Innenoberfläche der Milchdrüse steht. Denn genau hier werden die Immunglobuline gebildet. Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, sind bereits weitere Studien zu den anatomischen Strukturen des Sauengesäuges auf den Weg gebracht worden. Denn es ist davon auszugehen, dass der Gesäugeaufbau in verschiedenen Herden sehr unterschiedlich ist. Mit Blick auf die stark ge-stiegenen Ferkelzahlen je Wurf besteht hier ein großer Forschungsbedarf. Denn im Vergleich zur Milchkuh stand das Gesäuge der Sau bislang nur wenig im Zentrum züchterischer Aktivitäten. Fazit Bei steigenden Ferkelzahlen wird die Milchleistung der Sau immer wichtiger. Neue Untersuchungen aus Polen zeigen, dass vor allem die Antikörpergehalte in der Milch von Tier zu Tier stark variieren. Außerdem wird die Milchqualität durch die Anzahl der Milchkanäle in den Zitzen beeinflusst. So weist die Milch aus Dreikanal-Zitzen besonders hohe Antikörpergehalte auf. Diese Erkenntnisse sollen jetzt in weiteren Untersuchungen vertieft werden. Ziel ist, die Quantität und Qualität der Sauenmilch stärker in die Zuchtarbeit einzubinden.