Die Hochschule Anhalt untersuchte auf einem großen Sauenbetrieb, was Totgeburten verursacht und ob sich eine intensive Geburtenüber-wachung rechnet.In Deutschland werden jährlich mehr als 6 Mio. Ferkel tot geboren. Das schließt auch die Ferkel ein, die sterben, weil eine kontinuierliche Überwachung der Geburten organisatorisch nicht immer realisierbar ist. Um herauszufinden, wann Ferkel während der Geburt sterben und wie viele Neugeborene mit einer intensiven Geburtsbetreuung bzw. Nachtwache gerettet werden könnten, hat die Hochschule Anhalt eine Projektarbeit durchgeführt. Sie erfolgte in einem thüringischen Großbetrieb mit 6 000 Sauen. Die Arbeit sollte zeigen, ob sich eine Nachtwache für diesen Betrieb rechnet oder nicht. Hierzu wurden über einen definierten Zeitraum alle Geburten im Betrieb beobachtet. Dabei konnten bei 97 Sauen Daten zu Totgeburten aufgenommen werden. Hierzu hat man die Wurfzahl sowie Informationen zum Geburtsverlauf und zur Geburtseinleitung notiert. Insgesamt gebaren die 97 Tiere 1 438 Ferkel. Davon kamen 167 tot zur Welt. Als tot geboren haben die Untersucher alle Ferkel bewertet, die leblos hinter der Sau lagen. Sie wiesen keinen Puls oder sonstige Lebenszeichen auf. Von allen toten Tieren wurden das Geschlecht, das Geburtsgewicht sowie der Zustand der Lunge bestimmt. Dazu wurden die toten Ferkel im Beisein einer Tierärztin geöffnet und die Lunge entfernt. Anschließend wurden die Lungen in einen mit Wasser gefüllten Eimer gelegt und notiert, ob die Lungenflügel oben schwimmen oder untergehen. Dieser Test zeigt, ob die Tiere nach der Geburt bereits geatmet haben oder nicht. Denn nur bei Ferkeln, die nach der Geburt zumindest kurz geatmet haben, ist die Lunge entfaltet und mit Luft gefüllt. Sie schwimmt dann oben. Hat das Tier bereits einmal geatmet, ist es lebensschwach auf die Welt gekommen. In diesem Fall hätte es möglicherweise durch eine Nachtwache und intensive Geburtsfürsorge gerettet werden können. Die Ergebnisse: Die 167 tot geborenen Ferkel brachten im Schnitt 1,2 kg auf die Waage. Gut 50 % der tot geborenen Tiere wogen sogar noch weniger (siehe Übersicht 1). Für derart leichte Ferkel besteht eine geringe Überlebenschance. Das mittlere Geburtsgewicht der lebend geborenen Ferkel war höher. Von den 167 tot geborenen Ferkeln hatten nur sechs zuvor geatmet. Dieser sehr geringe Anteil von Ferkeln mit einer beatmeten Lunge lässt die Vermutung zu, dass der größte Teil dieser Tiere bereits während der Austreibung im Geburtskanal erstickt ist. Ein wichtiger Faktor für die Totgeburten-Rate ist die Wurfgröße. Denn in großen Würfen steigt die Zahl leichter, wenig vitaler Ferkel. Hinzu kommt, dass große Würfe oft eine längere Geburtsdauer nach sich ziehen. Insbesondere wenn zwischen der Geburt der Ferkel mehr als 20 Minuten vergehen, steigt das Risiko für Totgeburten enorm an. Übersicht 2 zeigt, dass die Totgeburten-Quote bis zu einer Wurfgröße von 15 Ferkeln recht konstant bleibt. Sie lag im Versuch bei knapp 1,5 tot geborenen Ferkeln je Wurf. Bei Würfen mit mehr als 15 Ferkeln stieg die Anzahl der Totgeburten dann sprunghaft an. Ein weiterer Faktor ist die Wurfzahl der Sauen. So steigt das Totgeburtenrisiko ab dem vierten Wurf spürbar an, wie Übersicht 3 zeigt. Das Geschlecht der Ferkel hatte in den vorliegenden Untersuchungen keinen messbaren Einfluss auf die Totgeburten-Rate. Die Untersuchung lässt den Schluss zu, dass viele Ferkel im Verlauf der Geburt gestorben sind. Eine Ursache kann sein, dass die Nabelschnur zu früh reißt. Dieser geringe Blutverlust und der fehlende Sauerstoff führen dann zum Tod, wenn man nicht rechtzeitig eingreift. Auch Neugeborene, die in die Nachgeburt geraten, haben kaum eine Chance. Aufgrund der vielfältigen Todesursachen konnte nicht genau festgestellt werden, wie viele der tot geborenen Ferkel hätten gerettet werden können. Für die weiteren Berechnungen haben die Versuchsleiter deshalb einen Schätzwert angenommen. Demnach hätten 10 % aller Totgeburten überleben können. Das heißt: Jedes zehnte Ferkel hätte gerettet werden können, wäre rechtzeitig Hilfe zur Stelle gewesen. Es stellt sich nun die Frage, ob sich eine Nachtwache für einen 6 000er-Sauenbetrieb lohnt? Auf dem Versuchsbetrieb ferkeln wöchentlich etwa 265 Sauen ab, davon rund 40 % nachts. Das ergibt 106 Abferkelungen, bei denen eine Nachtwache die Sauen beobachten könnte. Bei den im Versuch ermittelten 1,7 tot geborenen Ferkeln pro Wurf ergeben sich 18 Ferkel je Sauengruppe, die eine Nachtwache retten könnte. Abzüglich von rund 10 % Saugferkelverlusten könnte der Betrieb etwa 16 Absetzferkel mehr verkaufen. Bei einem durchschnittlichen Preis von 30 € pro Absetzferkel ergibt sich ein Mehrerlös von 480 € pro Abferkelgruppe. Vom Mehrerlös sind die zusätzlichen Kosten für Arbeit und Futter abzuziehen. Eine Nachtwache arbeitet zwei Nächte je Abferkelgruppe, jeweils für acht Stunden. Bei Lohnkosten von 15 € pro Stunde ergeben sich Mehrkosten von 240 € für den Versuchsbetrieb. Es bleiben 240 € Überschuss pro Abferkelgruppe. Davon müssen die zusätzlichen Futterkosten für die Ferkel in der Säugezeit abgezogen werden. Hier wurde mit einem Bedarf von 200 g Milchpulver und 2,5 kg Prestarter je Wurf gerechnet. Daraus ergeben sich Mehrkosten von rund 50 Cent je Ferkel. Bei 16 zusätzlich abgesetzten Ferkeln bleibt ein Plus von rund 230 € je Abferkelgruppe. Im Jahr könnte der Betrieb einen zusätzlichen Überschuss von rund 12 000 € erzielen. Hinzu kommt, dass eine Nachtwache nicht nur mithilfe eines Eingriffs bei schweren Geburten Ferkel rettet. Sie begünstigt auch die Kolostrumaufnahme der Tiere durch zügiges Ansetzen und Trockenreiben. Außerdem erhalten auch kleinere Ferkel so eine größere Chance. Zudem verbessert sich die Hygiene, da die Nachgeburten und tote Ferkel schneller aus der Bucht entfernt werden. Es zeigt sich, dass in einem großen Betrieb der Einsatz einer Nachtwache sinnvoll ist. Doch lohnt sich die nächtliche Arbeit auch im Familienbetrieb? Denn hier sind die Gruppengrößen wesentlich kleiner, auch wenn im Dreiwochenrhythmus gearbeitet wird. Das heißt: Hier wird es sich kaum lohnen, eine kontinuierliche Nachtwache zu organisieren. Zumal der Betriebsleiter am nächsten Tag wieder fit sein muss. Dennoch sollte man das Abferkelmanagement zur besseren Geburtsüberwachung optimieren. Mithilfe der Geburteninduktion lässt sich die Hauptabferkelung auf ein bis zwei Tage straffen. Es wäre also nur eine Nachtwache pro Abferkelgruppe von Nöten. Oft kann es schon ausreichen, die Sauen besonders in den späten Abend- und frühen Morgenstunden zusätzlich zu beobachten. Diese Verkürzung der unbeobachteten Zeit und das Mehr an Fürsorge rettet viele Ferkel. Auch die optimierte Hygiene durch schnelles Entfernen der Nachgeburten wirkt sich positiv auf die Ferkelgesundheit aus. Versuche in einer großen Sauenanlage zeigen, dass viele Ferkel während der Geburt sterben, weil nicht rechtzeitig Hilfe geleistet wird. Eine Nachtwache kann diese Tiere retten und zusätzliche Arbeiten erledigen, die die Gesundheit von Sau und Ferkeln fördern. Das schlägt sich in geringeren Saugferkelverlusten und höheren Absetzgewichten nieder. Für große Sauenanlagen rechnet sich eine Nachtwache häufig. Bei begrenzter Sauenzahl je Abferkelgruppe ist eine Nachtwache in der Regel zu teuer. Für Familienbetriebe steht die Optimierung des Abferkelmanagements im Fokus. Fast 100 Würfe ausgewertet Etliche Ferkel ersticken im Geburtskanal Jedes zehnte Ferkel könnte gerettet werden Nachtwache rechnet sich Nutzen für Familienbetriebe? Fazit -Jacqueline Weiser, Prof. Dr. Martin Wähner, Hochschule Anhalt-