Ab August 2016 müssen 20-kg-Ferkeln mindestens 0,35 m2 Fläche zur Verfügung stehen. Der zusätzliche Platz kann auf unterschiedliche Weise geschaffen werden.
Dr. Christina Jais, Bayerische LfL, Institut für Landtechnik und Tierhaltung
Mit der Neufassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung wurde 2006 der Flächenbedarf für ein 20 bis 30 kg schweres Ferkel in der Aufzucht von 0,30 m² auf 0,35 m² je Tier erhöht. Mit Ablauf der zehnjährigen Übergangsfrist zum 1.8.2016 sind diese Vorgaben auch in Ställen zu erfüllen, die vor der Gesetzesanpassung in Betrieb genommen wurden.
Betroffene Ferkelerzeuger haben zwei Möglichkeiten, die Vorgaben zu erfüllen: Entweder sie passen den Tierbestand an den verfügbaren Platz an. Oder sie erweitern ihre Aufzuchtställe und schaffen zusätzliche Kapazitäten. Welche dieser Lösungen vorzuziehen ist, sollte erst nach einer gründlichen betriebswirtschaftlichen Analyse entschieden werden.
Anzahl Plätze neu berechnen
In beiden Fällen stellt sich die Frage, wie viele Aufzuchtplätze überhaupt nach den neuen Vorgaben benötigt werden. Die Berechnung erfolgt in mehreren Schritten.
Schritt 1: Zunächst muss die zu erwartende Anzahl abgesetzter Ferkel je Sauengruppe anhand der Kennzahlen aus dem Sauenplaner bzw. aus den LKV-Abschlüssen berechnet werden. Beispiel: Ein Betrieb arbeitet mit sieben Sauengruppen im Drei-Wochenrhythmus. Bei einem durchschnittlichen Bestand von 310,9 Sauen und im Mittel 11,6 abgesetzten Ferkeln je Wurf werden demnach alle drei Wochen im Schnitt 310,9 : 7 x 11,6 = 515,3 Ferkel abgesetzt.
Schritt 2: Tatsächlich schwankt die Anzahl Ferkel jedoch erheblich von Termin zu Termin (siehe Übersicht 1). Dies muss bei der Platzberechnung berücksichtigt werden, um eine Belegung der Abteile im Rein-Raus-Prinzip sicherzustellen. Ausgehend vom Durchschnittswert ist ein Aufschlag von mindestens 10 % angebracht. Will man die noch zu erwartende Leistungssteigerung berücksichtigen, sollte der Aufschlag sogar bei 20 % liegen. Demnach benötigt der Beispielbetrieb 618 Aufzuchtplätze je Absetzgruppe (515,3x120 % = 618).
Schritt 3: Auch das Belegmanagement nimmt Einfluss auf die erforderlichen Aufzuchtkapazitäten. Werden die Ferkel nach dem Absetzen eingestallt und verbleiben bis zum Ausstallen in derselben Bucht, müssen von Anfang an 0,35 m² Buchtenfläche je Ferkel zur Verfügung stehen. Bei einer zweiphasigen Belegung hingegen können die frisch abgesetzten Tiere zunächst mit mindestens 0,2 m² Buchtenfläche eingestallt werden. Sie müssen aber spätestens mit 20 kg Lebendgewicht in größere Buchten mit 0,35 m² je Tier gebracht werden. Oder ein Teil der Ferkel wird aussortiert und umgestallt, sodass für die verbleibenden Ferkel 0,35 m² Fläche je Tier zur Verfügung stehen.
Somit kann die zweiphasige Aufzucht die insgesamt benötigte Aufzuchtfläche reduzieren. Nachteile sind die Mehrarbeit und eventuell schlechtere Zunahmen durch zusätzliches Umstallen und -gruppieren.
Schritt 4: Auch stellt sich die Frage, wie viele Abteile für die Rein-Raus-Belegung gebraucht werden. Bei der einphasigen Belegung im 3-Wochenrhythmus sind drei gleich große Abteile erforderlich. Zusätzlich empfiehlt es sich, etwa „ein halbes Abteil“ als Reserve für Nachzügler bzw. für Zeiten eines verzögerten Ferkelverkaufs vorzuhalten.
Bei zweiphasiger Belegung mit Umstallung aller Ferkel vom Absetzer in ein Aufzuchtabteil wird ein kleineres Absetzer-, zwei größere Aufzuchtabteile sowie ebenfalls ein halbes Reserveabteil benötigt.
Reichen die Kapazitäten?
Nachdem die notwendige Anzahl Plätze ermittelt wurde, steht der Vergleich mit den vorhandenen Kapazitäten an. Hierfür müssen die vorhandenen Flächen je Stallabteil aufgenommen werden. Sie ergeben sich aus den Innenmaßen des Abteils abzüglich der Gangfläche und einem pauschalen Wert für Futterautomaten, Tröge und Buchtentrennwände. Bei Buchten mit Brei- und Trockenfutterautomaten wird ein Wert von 5 % angesetzt. Bei Systemen mit rationierter Fütterung und zahlreicheren Fressplätzen empfiehlt sich ein Abzug von 10 %.
Der Beispielbetrieb verfügt über drei Aufzuchtabteile mit einem Innenmaß von 14,4 m Breite, wovon 1,6 m auf zwei 80 cm breite Gänge entfallen, und 13 m Tiefe (siehe Übersicht 2). Da an Breiautomaten gefüttert wird, ergibt sich die Buchtenfläche zu 95 % von 12,8 m x 13 m, also zu 158 m².
Zwei oder drei neue Einheiten?
Bei einem Platzangebot von 0,35 m² je Tier könnten somit 451 von den anfallenden 618 Ferkeln aufgestallt werden (siehe Übersicht 3). Für die restlichen 167 Ferkel je Absetztermin müssten demnach noch drei kleinere Abteile mit je 167 x 0,35 m² = 59 m² Buchtenfläche zuzüglich Verlustflächen für die Inneneinrichtung und Gang geschaffen werden. Darüber hi-naus wäre ein Reserveabteil für 300 Ferkel mit 105 m² nutzbarer Buchtenfläche sinnvoll.
Alternativ könnte der Betrieb aber auch eine zweiphasige Belegung mit Absortieren der kleineren Ferkel in der dritten Woche nach dem Absetzen realisieren. Dann würden alle Ferkel zunächst in eines der vorhandenen Abteile abgesetzt. Sie hätten hier anfangs reichlich Platz. Selbst bei einer Belegung mit 618 Ferkeln kämen auf jedes Tier noch 0,25 m² uneingeschränkt nutzbare Buchtenfläche.
Ab 20 kg Lebendgewicht könnten in diesen Abteilen jedoch nur noch 451 Ferkel gehalten werden. Die kleineren Ferkel würden in ein Extra-Abteil absortiert. Von diesen kleineren Abteilen mit 59 m² nutzbarer Buchtenfläche zuzüglich Verlustflächen und Gängen müssten in diesem Fall nur zwei Einheiten geschaffen werden (siehe Übersicht 4).
Zusätzliche Ferkelplätze – drei Wege
Nachdem die fehlenden Kapazitäten ermittelt worden sind, gilt es, nach Lösungen zu suchen. Sicherlich wäre es das Einfachste, den Bestand zu reduzieren und einige Sauenplätze nicht zu belegen. Wer die Ferkelerzeugung dauerhaft fortsetzen will, für den kommt eine selbst vorübergehende Abstockung der Herde jedoch nicht infrage. Das heißt, dass in diesem Falle die Ferkelaufzucht erweitert werden muss, indem z.B. frei werdende Flatdeck-Kapazitäten eines auslaufenden Nachbarbetriebes übernommen werden. Werden Umbauten auf dem eigenen Betrieb erforderlich, ist zunächst eine Genehmigung der zuständigen Behörden einzuholen.
Drei Lösungen bieten sich an:
- Ist nur relativ wenig zusätzliche Fläche nötig, könnte das Einziehen einer zweiten Ebene in den vorhandenen Aufzuchtabteilen eine Lösung darstellen. Die Ferkel erklimmen die Balkone über eine Rampe. Die Veranda für die Ferkel benötigt ein Geländer, damit kein Ferkel herabfallen kann. Eine Auffang- bzw. Ableitmöglichkeit für Harn und Kot sollte gewährleisten, dass unter dem Balkon liegende Tiere nicht beschmutzt werden.
Achtung: Die Anrechenbarkeit der so geschaffenen zusätzlichen Flächen muss in jedem Fall vorab mit den Veterinärbehörden geklärt werden.
- Im Einzelfall können auch Ferkelhütten eine Möglichkeit sein, fehlende Aufzuchtplätze zu schaffen. Sie können mit Gülle- oder Festmistsystem errichtet werden und finden bei dem einen oder anderen Betrieb sogar Platz unter bereits bestehenden Dächern. Das Halten der Tiere in der frischen Luft kann Vorteile für die Gesundheit bringen.
- Werden umfangreichere Baumaßnahmen nötig oder erfolgt die Ausweitung der Ferkelaufzucht zusammen mit einer Aufstockung der Sauenherde, werden wahrscheinlich „massive“ Aufzuchtställe zum Zuge kommen.
In jedem Fall ist die systematische Beurteilung der einzelbetrieblichen Situation sinnvoll, um Übersicht über die betriebliche Ausgangssituation und mögliche Lösungswege zu erlangen. Sie erfordert jedoch auch etwas Erfahrung. Eine begleitende Beratung durch geschulte und erfahrene Experten kann hier unterstützend wirken und bringt zugleich den „Blick von außen“.
Fazit
Ab August 2016 müssen für Ferkel ab 20 kg LG mindestens 0,35 m² uneingeschränkt nutzbare Bodenfläche zur Verfügung stehen. Um dies sicherzustellen, muss entweder der Sauenbestand reduziert oder zusätzlich Platz geschaffen werden.
Unvermeidliche Schwankungen bei den Absetzzahlen sind bei der Kalkulation des Platzbedarfs ebenso einzubeziehen wie künftige Leistungssteigerungen. Es empfiehlt sich daher, einen Flächenpuffer von mindestens 10 %, besser 20 % einzuplanen.