Vitale Ferkel nehmen zügiger Kolostrum auf und wachsen schneller. Neben dem Gewicht des Neugeborenen ist die Geburtsdauer ein entscheidendes Vitalitätskriterium. Der Einfluss der Sauen auf die Leistungen ihrer Ferkel geht weit über die Geburt und Säugezeit hinaus. Denn das Leistungsniveau in der Ferkelaufzucht und Schweinemast ist oft ein Spiegelbild des Gesundheitsniveaus der Sauenherde. Deshalb haben gesunde Ferkel ihren Preis! Der Gesundheitsstatus lässt sich aber nicht nur anhand des Keimspektrums im Herkunftsbetrieb definieren. Vielmehr kommt eine zweite wichtige Komponente hinzu: Der Aufbau des Immunsystems der Ferkel. Hierbei spielt die Versorgung der neugeborenen Ferkel mit Antikörpern über die Biestmilch eine wesentliche Rolle. Die Versorgung der neugeborenen Ferkel mit Biest bzw. mütterlichen Antikörpern kann sehr unterschiedlich ausfallen. Im Schnitt stellt eine Sau ihrem Wurf 3,3 bis 3,7 kg Kolostrum zur Verfügung, allerdings mit einer breiten Streuung von 2 bis 5 kg. Bei durchschnittlichen Wurfgrößen fallen 250 bis 300 g Kolostralmilch je Ferkel an, was bei entsprechender Qualität der Milch völlig ausreichend ist. Bei sehr großen Würfen können Defizite auftreten, denn im Gegensatz zur reifen Sauenmilch steigt die Kolostrum-Menge nicht mit zunehmender Ferkelzahl. Das heißt: Fällt die Kolostrummenge unterdurchschnittlich aus und müssen 15 oder gar 17 lebend geborene Ferkel die Milchmenge teilen, werden die schwächeren Ferkel nicht ausreichend mit Biestmilch versorgt. Die Folge können geringere Leistungen in den späteren Produktionsabschnitten sein. Dass diese Zusammenhänge durchaus relevant sein können, zeigt eine Stichprobe mit über 1 000 Ferkeln, die im LVG Köllitsch geboren und aufgezogen worden sind. Ferkel, die sich mit 12 bis 14 lebend geborenen Wurfgeschwistern die Kolostralmilch teilen müssen, wiesen tatsächlich tendenziell schlechtere Leistungen in der Ferkelaufzucht und Schweinemast auf als Tiere aus kleineren Würfen (siehe Übersichten 1 und 2). Während im Bereich zwischen 12 und 14 lebend geborenen Ferkeln wahrscheinlich der Effekt einer knapp werdenden Kolostralmilchmenge zum Tragen kommt, kehrt sich der Trend bei einzelnen Würfen ab 15 Ferkeln um. Dies ist ein Indiz dafür, dass sehr hohe Fruchtbarkeit nur möglich ist, wenn es Sauengenetik und -gesundheit zulassen. Ein hoher Gesundheitsstatus wird u. a. über die Kolostralmilchqualität an die Ferkel weitergegeben. Fakt ist: Bei wachsenden Wurfgrößen steigt der Kampf um die begrenzende Ressource „Kolostrum“. Umso wichtiger ist in diesem Zusammenhang, sowohl die Kolostrumproduktion als auch die -abgabe generell zu optimieren. Hier spielen eine Reihe von Faktoren eine Rolle. Folgende Zusammenhänge sollten beachtet werden: Sofern das Kolostralmilchangebot in Menge und Qualität ausreicht, kommt es jetzt entscheidend auf die Vitalität der Ferkel an. Schließlich muss die Milch aktiv aufgenommen werden. In diesem Zusammenhang ist das Geburtsgewicht ein ganz entscheidender, aber offensichtlich nicht der einzige Vitalitätsfaktor. Diesen Zusammenhang bestätigt ein Versuch mit sieben Durchgängen und 985 Ferkeln. Um Leistungen und mögliche Verluste auf Geburtsgewicht, -reihenfolge und -geschwindigkeit zu beziehen, wurden die Ferkelgeburten protokolliert. Daneben wurde in einer Stichprobe von vier Durchgängen die Zeitdauer gemessen, in der die geborenen Ferkel am Gesäuge waren. Ergebnis: Bei weniger als 850 g Geburtsgewicht (Stichprobe 1 600 Ferkel) beträgt das Verlustrisiko über 50 %! Um hier entgegenzuwirken, brauchen wir nicht wie früher durchschnittliche Geburtsgewichte von 1 500 g. Vielmehr darf der Anteil der Ferkel unter 1 000 g Geburtsgewicht nicht zu hoch ausfallen. Das heißt: Das Absinken der mittleren Geburtsgewichte in die heute realisierten Bereiche zwischen 1 200 und 1 300 g ist keineswegs dramatisch. Ein Problem ist aber der höhere Anteil an Leichtgewichten bzw. die breitere Streuung der Geburtsgewichte. Dieser Trend kann züchterisch aufgehalten werden, wie einzelne Zuchtunternehmen es bereits demonstrieren. Daneben ist aber die Ferkelvitalität ein wichtiger Schlüssel für geringe Verlust-raten. So sind vitale Ferkel in der Regel in weniger als zehn Minuten am Gesäuge und kommen häufiger durch als alle anderen. Problemferkel hingegen brauchen viel länger und sind eher untergewichtig bzw. laufen Gefahr zu unterkühlen. Kommen sie erst eine Stunde nach der Geburt am Gesäuge der Mutter an, haben sie eine deutlich geringere Über-lebenschance (siehe Übersicht 3). Neben dem Gewicht der Neugeborenen übt aber auch die Geburtsdauer einen entscheidenden Einfluss auf die Vitalität der Ferkel aus. Nach eigenen Untersuchungen kam die Masse der Ferkel in Geburten unter vier Stunden zur Welt. Etwa die Hälfte (50,4 %) aller Würfe wurde binnen zwei bis vier Stunden Dauer geboren. Dabei betrug der zeitliche Abstand zwischen den geborenen Ferkeln im Schnitt gut 16 Minuten. Das Zeitintervall zwischen den Geburten ist anfangs vergleichsweise hoch und beträgt zwischen dem ersten und zweiten Ferkel über 31 Minuten. Dann verlaufen die Geburten bis zum siebten Ferkel zunehmend zügiger, um mit fortschreitender Wurfgröße wieder langsamer zu werden ( siehe Übersicht 4). Bedingt durch die unterschiedliche Geburtsdauer übt die Reihenfolge der Geburten offensichtlich einen Einfluss auf die Vitalität und Überlebensrate der Ferkel aus. Zwar wird dies in der Literatur teils kontrovers diskutiert. Unbestritten ist jedoch, dass ein sehr langer Aufenthalt im Geburtsweg zu Sauerstoffmangel (Hypoxie) gerade bei kleinen Ferkeln führt. So spiegeln die Verluste bis zum zwölften Ferkel in etwa die festgestellte Geschwindigkeit der Geburt wider. Das Verlustrisiko der zuerst sowie der zuletzt geborenen Ferkel liegt über dem Mittel der gesamten Stichprobe wie die Grafik zeigt (siehe Übersicht 5, Seite 22). Obwohl die zuerst geborenen Ferkel das beste Kolostralmilchangebot vorfinden, liegt ihre Verlustrate gegenüber den zuletzt geborenen zwar auf geringerem Niveau, aber ebenfalls über dem Mittel. Der Faktor Geburtsgeschwindigkeit ist also für geringe Verlustraten wichtiger als die Reihenfolge der Geburt. Die letzten Ferkel eines großen Wurfes werden nicht nur relativ spät und langsam geboren. Sie sind obendrein auch noch leichter als der Durchschnitt. Konkret waren nach dem zehnten Ferkel geborene durchschnittlich 50 g leichter als das Mittel von 1 360 g. Die erstgeborenen Ferkel hingegen waren 70 g schwerer als das Durchschnittsferkel. Während ein relativ langer zeitlicher Abstand zwischen den Geburten der ersten beiden Ferkel eher physiologisch ist, fehlt den Sauen gerade zum Ende der Geburten oft die Kraft. Dann ist in der Regel Geburtshilfe erforderlich. In unserer Untersuchung kamen 906 Ferkel ohne jede Geburtshilfe zur Welt, 79 Ferkel (9 %) mussten unterstützend geholt werden. Auffällig ist auch, dass vom 12. bis zum 14. Ferkel ein besonders starker Anstieg der Geburtsdauer zu beobachten ist. Da sich in diesem Bereich der Zuchtfortschritt abspielt, betrifft der Zusammenhang somit viele Betriebe. Ferkel, die nach entsprechendem Verzögern des Geburtsablaufes geholt werden mussten, hatten bei tendenziell niedrigerem Geburtsgewicht (- 75 g) eine 9 % höhere Verlustrate vor allem durch Verenden (14 % vs. 6 %). Sofern sie den Eingriff überlebt haben, realisieren sie überdurchschnittliche Säugezunahmen. Das heißt, der Eingriff wurde im Schnitt zu spät vorgenommen und nur die vitaleren Ferkel haben das überlebt. Ein notwendiger Eingriff darf nicht später als im doppelten zeitlichen Abstand spontaner Geburten (2 x 16 Minuten) erfolgen. Einzelne ostdeutsche Betriebe mit sehr niedrigen Verlustraten von unter 10 % greifen nach 20 Minuten ein. Lebenselexier Kolostrum Ausreichend Milchnach der Geburt Ferkel müssen vital sein Geburtsdauer im Auge behalten Zuletzt geborene Ferkel unterstützen Zusammenfassung Nur gesunde Sauen weisen unproblematische Geburten auf und produzieren ausreichende Mengen an Kolostrum. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die MMA-Vorbeuge zu achten. Optimal konditionierte und zur Kalzium-Mobilisierung „erzogene“ Sauen können in der Regel ihr Potenzial abrufen. Daneben gibt es Futterzusätze, die den stark beanspruchten Stoffwechsel der Sau entlasten sowie die Reserven für lange Geburten erhöhen. Die Herde sollte die richtige Altersstruktur aufweisen und etwa zur Hälfte aus den immunkompetenten Wurfnummern von 3 bis 5 bestehen. Bereits ab dem vierten Wurf sinkt die Kolostralmilchmenge. Andererseits reicht bei Jungsauen die Kolostralmilchqualität oft nicht aus. Stress vor und während der Geburt beeinträchtigt sowohl die Biestmilchproduktion als auch die -abgabe. Dies können Zugluft, Hitze, Unruhe oder unzureichender Liegekomfort sein. Die abgegebene Kolostralmilchmenge schwankt von Sau zu Sau. In großen Würfen reicht die Gesamtmenge mitunter bereits nicht mehr für eine optimale Immunisierung der neugeborenen Ferkel. Der Sauenhalter kann hier mit Fütterungs- und Managementmaßnahmen gegensteuern. Je schneller neugeborene Ferkel am Gesäuge sind und lebensnotwendige Kolostralmilch aufnehmen, desto vitaler sind sie in der Startphase. Je größer der Wurf ist, desto gleichmäßiger muss die Lebensversicherung „Biestmilch“ an die Ferkel verteilt werden. Hierzu tragen im Geburtsgewicht ausgeglichene Würfe und zügige Geburten bei. Die zuletzt geborenen Ferkel sind häufig aufgrund geringerer Gewichte und längerer Geburten benachteiligt. Das Hygienerisiko von erforderlichen Eingriffen ist vertretbar, wenn sie sachgerecht durchgeführt werden. Um Sauen und Ferkeln effizient zu helfen, darf der Eingriff nicht zu spät erfolgen. -Dr. Eckhard Meyer, LfULG, Lehr- und Versuchsgut Köllitsch -