Das Kürzen der Ferkelschwänze steht in der Kritik. Doch die Suche nach Alternativen gestaltet sich äußerst schwierig. Wie geht es weiterSchwänzekupieren ist keine schöne Arbeit. Der Sauenhalter tut es, um das Risiko für Schwanzbeißen zu senken. Dass dies wirkt, haben Studien belegt. Wobei man Schwanzbeißen auch durch gekürzte Schwänze nicht ganz ausschließen kann. Doch trotz der nachweislichen Vorteile steht das Schwänzekürzen in der Politik und bei den Tierschutzverbänden massiv unter Beschuss. Der Vorwurf: Laut Tierschutzgesetz darf das Kupieren des Schwanzes von Ferkeln nur im Einzelfall und nur dann erfolgen, wenn der Eingriff zum Schutz der Tiere unerlässlich ist. In der Praxis sei das Kupieren aber weitgehend Routine, so die Kritik der Tierschützer. Aus der gesellschaftlichen Diskussion um das Schwänzekürzen ist für Deutschland inzwischen ein handfestes Problem geworden. Den Stein ins Rollen gebracht hat die Tierrechtsorganisation Provieh. Sie hat Anfang 2010 bei der EU-Kommission eine Beschwerde gegen die Bundesrepublik eingereicht. Denn auch nach EU-Gesetzgebung ist ein routinemäßiges Schwänzekürzen unzulässig. Nach Prüfung durch die EU wurde ein so genanntes Anlastungsverfahren gegen Deutschland angestrengt. Wegen Verstoß gegen geltendes EU-Recht drohen unserem Land jetzt Millionenstrafen. Zwar wurden auch gegen andere Länder Anlastungsverfahren erhoben. Doch z. B. die Niederländer und Dänen konnten den Behörden vermitteln, bereits intensiv an der Lösung des Problems zu arbeiten. So sammelt z. B. die Uni Wageningen Ideen für Beschäftigungsmaterial. Die Holländer konnten das Anlastungsverfahren damit stoppen. Und auch in Dänemark laufen Versuche zum Eindämmen der Probleme. Dadurch konnten sich die Dänen einen mehrjährigen Spielraum verschaffen. In Deutschland ist das leider nicht gelungen. Das heißt, wir stehen unter Zugzwang, Wege zum Verzicht auf das Schwänzekupieren zu finden. Um unterdessen nicht abrupt auf das Schwänzekürzen verzichten zu müssen, haben die Bundesländer Sofortmaßnahmen ergriffen. In den schriftlichen Vorgaben steht, wie in den Betrieben mit dem Schwänzekupieren umzugehen ist, ohne bestehendes Recht zu missachten. In Nordrhein-Westfalen hat das Landwirtschaftsministerium Anfang 2011 einen Erlass veröffentlicht. Danach muss sich der Schweinehalter regelmäßig mit dem Tierarzt in puncto Schwanzbeißen beraten. Die Beratung inklusive der tierärztlichen Empfehlungen muss schriftlich dokumentiert werden. Um kupieren zu dürfen, braucht der Ferkelerzeuger seither einen speziellen Beleg vom Tierarzt. Darin bescheinigt dieser die Notwendigkeit der Maßnahme. Niedersachsen hat ähnlich reagiert und wenige Monate später ein Merkblatt zum Schwänzekupieren herausgegeben. Dieses nennt sowohl Vorbeugemaßnahmen als auch konkrete Sofortmaßnahmen gegen Schwanzbeißen. Auch hier spielt der Tierarzt eine Schlüsselrolle. Er kann bei Bedarf entsprechende Ausnahmegenehmigungen ausstellen. Trotz des anfänglichen Unverständnisses seitens der Praktiker hat sich das Verfahren in den Betrieben inzwischen einigermaßen etabliert. Im ersten Halbjahr 2011 führten Tierärzte die Erstberatungen durch, derzeit finden die ersten Folgebesuche statt. Gleichzeitig haben die Veterinärämter begonnen, die Dokumente zu überprüfen. In der Praxis legen die Ferkelerzeuger teilweise die Beratungsdokumentation der aufnehmenden Mastbetriebe vor. Die Sauenhalter bringen aber auch eigene Beratungsbelege bei, z .B. wenn die Ferkel nicht direkt vermarktet werden. Auf Basis dieser Regelungen ist das Schwänzekupieren zumindest übergangsweise weiter möglich. Doch der Druck für den Stopp des routinemäßigen Schwänzekupierens bleibt! Vorreiter ist dabei NRW. So fordert Johannes Remmel, grüner Landwirtschaftsminister in Düsseldorf, schnellstmöglich aus dem Schwänzekupieren auszusteigen. Sei das nicht möglich, müsse man die Haltungsverfahren für Schweine überdenken und zum Beispiel auf eingestreute Buchten umstellen. Weiterer Druck kommt aus Niedersachsen. Der Tierschutzplan von Landwirtschaftsminister Gert Lindemann sieht vor, ab 2016 ganz auf das Kupieren der Schwänze zu verzichten. Dazu werden Konzepte erarbeitet und noch ab diesem Jahr auf Tauglichkeit getestet. In die gleiche Richtung weisen auch die Pläne von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner. Sie kündigte für dieses Jahr weitere Verschärfungen des nationalen Tierschutzrechts an. Experten erwarten in dem Zuge auch neue Zielvorgaben zum Schwänzekupieren. Wegen des enormen politischen und gesellschaftlichen Drucks wird derzeit auf verschiedenen Ebenen intensiv nach Alternativen zum Kupieren gesucht. In NRW hat Prof. Friedhelm Jaeger, Leiter des Referates Tierschutz im Düsseldorfer Landwirtschaftsministerium, in 2011 drei Studien in Auftrag gegeben: Eine Literaturstudie in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Soest, eine von der Uni Berlin begleitete Fragebogenaktion unter mehr als 300 Schweinehaltern, Tierärzten und Vertretern der Veterinärbehörden sowie eine Vergleichsstudie der Uni Bonn zur Schweinehaltung in China, wo Schweine mit langen Schwänzen gehalten werden. Ein wichtiges Ergebnis aller drei Studien ist der positive Einfluss der Rohfaseraufnahme außerhalb der Fütterungszeiten. Daher sollen nun auf Praxisbetrieben Versuche mit unterschiedlichem Rauhfutterangebot folgen. Aus Sicht der Praktiker ist dieser Ansatz nachvollziehbar. Allerdings ist zu bedenken, dass der Einsatz von Rohfaser wie Heu oder Stroh einen erheblichen Mehraufwand mit sich bringt und die Güllesysteme darauf nicht ausgelegt sind. Eine weitere Untersuchung koordiniert das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Celle. In der bundesweiten Aktion will das FLI eine Management-Hilfe etablieren, mit der betriebsspezifische Risikofaktoren für Schwanzbeißen identifiziert werden sollen. Die Management-Hilfe mit dem Namen SchwIP stellt eine Excel-basierte Software dar, die aus Großbritannien stammt. Durch dieses Programm konnte dort das Auftreten von Schwanzbeißen reduziert werden. Das FLI hat die Software auf deutsche Verhältnisse angepasst. Im Mastbetrieb werden per Checkliste stallspezifische Daten erhoben und das Tierverhalten beurteilt. Das FLI bietet dem Landwirt daraufhin Verbesserungsvorschläge an. Für den Programm-Start im April sucht das FLI noch Praxisbetriebe. Für die Teilnahme muss der Mäster nicht zwingend auf das Schwänzekupieren verzichten. Die Betriebe sollten jedoch mindestens 400 Mastplätze umfassen. Interessenten melden sich bei Tierärztin Dana Madey, Telefon: 0 51 41/3 84 61 28, dana.madey@fli.bund.de oder bei Astrid vom Brocke unter astrid.vombrocke@fli.bund.de Neben den offiziellen Studien arbeiten auch Praktiker, Zuchtunternehmen und Verbände an der Lösung des Problems. In Zusammenarbeit mit der Wissenschaft oder auf eigene Faust lassen jetzt einzelne Praktiker insbesondere mit geschlossenem System die Ferkelschwänze versuchsweise dran. In einigen Fällen scheint das zu funktionieren, aber nicht immer. Leider sind die genauen Ursachen noch nicht erkennbar. Der Druck gegen das Schwänzekupieren wächst. Eine NRW-Studie sieht Ansätze in der zusätzlichen Gabe von Rauhfutter außerhalb der Fütterungszeiten. Dies bringt jedoch erhebliche Mehrarbeit und gefährdet die Güllesysteme. In einem bundesweiten Projekt will man mithilfe einer speziellen PC-Software die Risikofaktoren für Schwanzbeißen aufspüren und reduzieren. Doch auch hier zeichnet sich bislang noch kein Allheilmittel gegen das Schwanzbeißen ab. Fakt ist: Wir brauchen noch mehr Zeit, um die Ursachen von Schwanzbeißen besser zu verstehen und wirksame Vorbeugemaßnahmen etablieren zu können. Hier sind gerade auch die Praktiker aufgerufen, sich an der Suche nach Lösungen zu beteiligen. Anzeige von Tierrechtlern Politik macht weiter Druck Forschung auf Praxisbetrieben Fazit -Mareike Schulte, SUS-Redaktion-