Die Anzahl der lebend geborenen Ferkel pro Wurf liegt heute in deutschen Erzeugerringen bei durchschnittlich über 13 Ferkeln. Bei sehr großen Würfen besteht die Gefahr steigender Ferkelverluste. Um hier gegenzusteuern, muss u. a. das Betriebsmanagement angepasst werden. Das Ziel ist, unter 15 % Ferkelverlusten zu bleiben. Spitzenbetrieben gelingt es trotz der großen Würfe, die Ferkelverluste auf 10 bis 12 % zu begrenzen. Doch welche Maßnahmen helfen tatsächlich, die Ferkelverluste im Abferkelstall zu senken? Um dies herauszufinden, hat die Uni Gießen folgende sieben Maßnahmen in Praxisbetrieben auf Wirksamkeit hinsichtlich der Vitalität der Ferkel analysiert: Die sieben Maßnahmen werden im Folgenden näher beschrieben. Grund-lage der Datenerhebungen bildeten drei hessische Ferkelerzeugerbetriebe mit 500 Sauen und 4-Wochenrhythmus (Betrieb A), 700 Sauen und 1-Wochenrhythmus (Betrieb B) und 140 Sauen mit einem 3-Wochenrhythmus (Betrieb C). Die Fruchtbarkeitsleistungen in den Betrieben lagen im Bereich zwischen 13,1 und 14,1 lebend geborenen Ferkeln pro Wurf. Insgesamt wurden 8 665 Ferkel nach der Geburt gewogen, tätowiert, der weitere Lebensweg dokumentiert und beim Absetzen erneut gewogen. Die B. & C. Tönnies-Stiftung für Forschung hat das Projekt finanziell gefördert. Es ist bekannt, dass bei Sauen mit mehr als fünf Würfen generell mehr Totgeburten auftreten als bei Sauen jüngeren Alters. Oftmals liegt das daran, dass die Wehentätigkeit nicht so ausgeprägt ist bzw. stockt und die Geburten dadurch sehr lange dauern. Um die Abferkelung der älteren Sauen zu beschleunigen, erhalten sie im Betrieb A Calciumgaben zum Futter. Im Versuch wurde also 29 Sauen mit mehr als fünf Würfen ab dem Einstallen in den Abferkelbereich bis zur Geburt routinemäßig zweimal täglich zu jeder Fütterung eine Gabe von 25 g MonocalciumPhosphat und 5 g eines Endotoxinbinders verabreicht. Bei der Vergleichsgruppe, ebenfalls ältere Sauen mit mehr als fünf Würfen, wurde das Präparat weggelassen. Übersicht 1 zeigt, dass durch diese Maßnahme die Totgeburten je Wurf signifikant um über 50 % gesenkt werden konnten. Die Sauen „ohne Calcium“ brachten 2,35 Ferkel pro Wurf tot zur Welt, bei den Sauen „mit Calcium“ waren es nur 1,17 Totgeburten je Wurf. Somit konnte nachgewiesen werden, dass der Einsatz von Monocalcium-Phosphat vor der Geburt sinnvoll ist. Eine Ferkelwache hilft, die Totgeburtenrate zu senken. Doch längst nicht jeder Betrieb führt eine solche routinemäßig durch. In Betrieb B mit Wochen-Rhythmus und Geburtenindu-zierung am 115. Tag zum Beispiel endete der Arbeitstag der angestellten Mitarbeiter um 17.00 Uhr. Die am Abend und in der Nacht geborenen Ferkel der 32er-Abferkelgruppe wurden nicht überwacht. Für die Untersuchung übernahm der Versuchsansteller fünf Durchgänge hintereinander die Geburtenüberwachung und Neugeborenen-Versorgung am Hauptabferkeltag in der Zeit von 17 bis 21 Uhr. Er rieb die Ferkel trocken, massierte die lebensschwachen Ferkel, befreite die Atemwege von Schleim, nabelte ab, kürzte und desinfizierte die Nabelschnüre, legte die Ferkel ans Gesäuge und leistete Geburtshilfe, wenn der Abstand zum vorherigen Ferkel 60 Minuten überschritt. Zugleich dokumentierte er, wie viele Ferkel ohne sein Eingreifen mit großer Wahrscheinlichkeit erdrückt worden oder verendet wären. Die Ferkelwache wirkte sich deutlich auf den Anteil totgeborener Ferkel je Wurf aus. Durch die Ferkelwache konnte die Totgeburtenrate im Vergleich zu nicht überwachten Geburten um über 40 % gesenkt werden (Übersicht 2, S. 25). Im Untersuchungszeitraum konnte der Mitarbeiter insgesamt 22 Ferkel zusätzlich retten, indem er Geburtshilfe leistete, Ferkel aus der Fruchthülle befreite oder unter der Sau hervorzog. Unter den Annahmen von 15 % Verlusten bis zum Aufzuchtende, einem Grenzgewinn von 38 € je Ferkel und einer Arbeitsentlohnung von 15 € je Akh ergibt sich für einen im Wochenrhythmus produzierenden Betrieb ein Zusatzgewinn im Jahr von fast 4 400 €! Eine Geburtenüberwachung sollte somit Bestandteil in jedem guten Betriebsmanagement sein. Sie rechnet sich in jedem Fall, wenn die Geburten induziert werden und so der Zeitrahmen der Geburten begrenzt wird. So erreichen auch kleinere Betriebe eine ausreichende Anzahl an Geburten, die am Hauptabferkeltag zu überwachen sind. Eine weitere Maßnahme, die geprüft wurde, war die Wurftrennung bzw. das sogenannte „Split Nursing“. Dabei wurden die fünf bis acht größten Ferkel eines Wurfes nach Abschluss der Geburt in eine Kiste gesetzt und so für zwei Stunden von den Wurfgeschwistern und der Sau getrennt. Auf diese Weise sollten die kleineren Ferkel die Möglichkeit erhalten, bei mindestens zwei Saugakten „ungestört“ Kolostrum aufnehmen zu können. Danach wurden die größeren Wurfgeschwister wieder zum Wurf gelassen. Die Ergebnisse der Wurftrennung, die auf den Daten von 4 768 Ferkeln beruhen, zeigten in den drei Praxisbetrieben keinen einheitlichen Verlauf und konnten nicht statistisch abgesichert werden. Nur im Betrieb A fielen die Ferkelverluste in den Würfen mit einer solchen Separierung tendenziell geringer aus: minus 1,0 bis 1,4 %-Punkte je nach Wurfnummer der Sau. Auch bei den Tageszunahmen wiesen die Ferkel von Sauen der Wurfnummer 3 bis 5 und dann auch nur in zwei von drei Betrieben signifikante Verbesserungen auf. Die Vorteile betrugen ca. 20 g in beiden Betrieben. Wichtiger als mögliche geringe positive Auswirkungen auf die Tageszunahmen ist jedoch, dass durch dieses Management die kleinen Wurfgeschwister zunächst überhaupt die Chance erhalten, Biestmilch aufzunehmen. Das ist in sehr großen Würfen mit mehr Ferkeln als vorhandenen Zitzen der Fall. Eine Wurftrennung kann somit betriebsindividuell eine Verbesserung bringen. Großartige Leistungsschübe sollte man aber von zusätzlich zwei Saugakten bei den kleinen Ferkeln nicht erwarten. Bei einer weiteren Maßnahme wurde in zwei Betrieben den kleinsten Ferkeln (< 1,40 kg) eines Wurfes am ersten Lebenstag zweimal eine Dosis eines Energiepräparates oral appliziert. Dabei handelte es sich um zwei handelsübliche Präparate. Das eine war eine Paste, das andere eine Emulsion auf Ölbasis. Es sollte kein Produktvergleich stattfinden, sondern lediglich die Wirkung einer zusätzlichen Energiegabe analysiert werden. Insgesamt untersuchten die Wissenschaftler sowohl bei den Verlusten als auch bei der Berechnung der Tageszunahmen über 500 Ferkel. Die Ferkelverluste konnten nur in einem Betrieb tendenziell je nach Wurfnummer um 0,9 bis 4,6 %-Punkte reduziert werden. Die Ergebnisse sind aber zufallsbedingt, weil der Stichprobenumfang eine Absicherung der Resultate nicht zuließ. Die täglichen Zunahmen der Saug-ferkel verschlechterten sich durch die Energie-Gabe in beiden Betrieben statistisch absicherbar. Bei den Ferkeln von Sauen mit mehr als fünf Würfen sanken die durchschnittlichen Zunahmen sogar um über 30 g je Tier und Tag von 216 auf 185 g. Möglicherweise ist eine zweimalige Verabreicherung von 1,25 g bzw. 1,5 g Energiepräparat je Gabe am ersten Lebenstag zu viel für untergewichtige Ferkel. Denn obwohl die Eingabe der Präparate sehr vorsichtig erfolgte, zeigten einige Ferkel Reaktionen wie apathisch im Ferkelnest liegen, keine Teilnahme an folgenden Saugakten oder sogar Erbrechen. Unter Berücksichtigung der Kosten von 0,59 € und 0,77 € (inklusive Zeitaufwand) je Ferkel ist eine solche Maßnahme nicht zu empfehlen. In Bezug auf Erdrückungsverluste berichten einige Betriebe über positive Erfahrungen mit sogenannten „Step two-Böden“. Bei diesen ist der Liegebereich der Sau z. B. um 3,5 cm erhöht. Andererseits kann dies gerade für die kleineren Ferkel ein Hindernis darstellen, die obere Gesäugeleiste zu erreichen. In einem der drei Betriebe, deren Abferkelbuchten mit „Step two“-Böden ausgerüstet waren, wurden daher im Jungsauenabteil fünf der zehn Buchten umgerüstet, wonach die Standfläche der Sau nur noch 1,5 cm erhöht war. Die Jungsauen-Würfe aus diesen Buchten wurden dann mit den Jungsauen-Würfen mit „Step two“ (3,5 cm) verglichen. Insgesamt flossen die Daten von 528 Ferkeln aus elf Durchgängen in die Bewertung ein. Das Ergebnis: Die Ferkelverluste fielen bei der Variante „ohne Step two“ (nur 1,5 cm erhöht) tendenziell geringer aus als bei der Step-two-Variante (3,5 cm erhöhte Liegefläche der Sau). Die täglichen Zunahmen waren in beiden Gruppen gleich. Somit war bei beiden genannten Parametern kein Vorteil von „Step two“ zu erkennen. Die Korbhöhe kann den Saugakt bzw. die Milchaufnahme beeinflussen. Denn manchmal kommt es vor, dass der untere Holm des Ferkelschutzkorbes die obere Gesäugeleiste der liegenden Sau verdeckt und so den Ferkeln den Zugang zu diesen Zitzen versperrt. Sie können dann kein Kolostrum bzw. keine Milch aufnehmen. Um dies zu vermeiden, ist die Höhe des Ferkelschutzkorbes in den meisten Fällen individuell einstellbar. Um zu bewerten, welchen Einfluss die Korbhöhe auf die Verluste und Zunahmen der Ferkel hat, wurde in zwei Betrieben der Abstand zwischen Boden und unterem Holm des Ferkelschutzkorbes variiert. Dabei wurden die Höhen in Klassen eingeteilt: in dem einen Betrieb zwischen < = 22 cm und über 28 cm, im anderen bis 27 cm und über 31 cm. Auf die Ferkelverluste hatte die Maßnahme keinen Einfluss. Die täglichen Zunahmen jedoch fielen umso geringer aus, je niedriger der Ferkelschutzkorb angebracht war. Bei einer Höhe von 23 cm beispielsweise betrugen die Zunahmen im Schnitt 200 g pro Tag und Ferkel, bei mindestens 28 cm waren es durchschnittlich 227 g Tageszunahmen je Ferkel (siehe Übersicht 3). Die Höhe des Abliegebügels bzw. unteren Holmes des Ferkelschutzkorbes sollte der Betriebsleiter daher nicht nur zur Geburt, sondern auch im weiteren Verlauf der Säugezeit der Kondition der Sauen anpassen. Trittsichere Böden gewährleisten, dass sich eine Sau vorsichtig hinlegt und so möglichst keine Ferkel erdrückt. In einem der Betriebe waren in den Abferkelbuchten verschiedene Fußböden bzw. Fußboden-Kombinationen eingebaut. Auch diese untersuchten die Forscher hinsichtlich der Auswirkungen auf die Ferkelverluste. Folgende Varianten waren vorhanden: Vor allem die älteren Sauen wiesen in Abferkelbuchten mit Betonboden im vorderen Bereich deutlich höhere Ferkelverluste auf als in den Abferkelbuchten mit den Kunststoff- oder Kunststoff-Gussrost-Böden. Grund dafür ist möglicherweise die Aufrauung des Beton-bodens, auf dem sich die Ferkel beim Säugen leicht die Karpalgelenke aufreiben können, was wiederum Streptokokken-Infektionen zur Folge haben kann. Bei den täglichen Zunahmen der Ferkel wies der Kunststoff-Gussrost-Boden signifikant bessere Werte auf als der Beton- oder der Kunststoffboden. Die Unterschiede betrugen 33 g bzw. 23 g pro Tier und Tag. Warum die Differenz zwischen Kombi- und Kunststoffboden derart groß ist, kann nicht erklärt werden, zumal die Gussroste relativ kleinflächig verlegt wurden und keine weiteren Buchtenunterschiede bestanden. Um eine bessere Trittsicherheit der Sauen zu erzielen, setzte der Betrieb zusätzlich eine Gummimatte ein. Subjektiv beurteilt wirkte sich die Gummimatte auf der Liegefläche positiv auf das Abliegeverhalten der Sauen aus. Doch die Ergebnisse in puncto Ferkelverluste und Tageszunahmen bestätigten diese Einschätzung nicht eindeutig. Zwar konnten bei den Sauen bis zum fünften Wurf um 3,3 %-Punkte verringerte Ferkelverluste nachgewiesen werden. Bei älteren Sauen lagen jedoch die Verluste mit Matte um fast 7 %-Punkte höher als bei den Buchten ohne Matte. Bei den Zunahmen konnte kein Effekt festgestellt werden. Aus den Untersuchungen zur Senkung der Ferkelverluste bei hochfruchtbaren Sauen lassen sich folgende Tipps für die Praxis ableiten: Praxistest auf drei Betrieben 1. Calcium reduziert Totgeburten 2. Geburtenüberwachung ist ein Muss! 3. Wurftrennung hat nur wenige Effekte 4. Orale Energiegabe lohnt nicht! 5. Erhöhte Liegefläche nicht immer positiv 6. Korbhöhe anpassen 7. Fußböden beeinflussen Verluste Fazit Monocalcium-Phosphat-Gabe, Geburtenüberwachung, Wurftrennung, orale Gabe eines Energiepräparates, Verstellung der Liegeflächenhöhe, verschiedene Korbhöhen, Fußbodengestaltung / Gummimatte. Betonboden im vorderen Bereich (ca. 1 m), dahinter Kunststoffroste, Kunststoffroste in der gesamten Bucht sowie Kunststoffroste mit dazwischen kleinflächig verlegten Gussrosten in der Bucht. Um Geburtsstockungen sowie Totgeburten zu vermeiden, werden bei Sauen ab dem fünften Wurf Calcium-Gaben vor der Geburt empfohlen. In den teilnehmenden Betrieben erwies sich die Ferkelwache als die effektivste der geprüften Maßnahmen. Eine einmalige, kurzzeitige Abtrennung der größeren Ferkel zur Sicherung der Kolostrumaufnahme der kleineren Ferkel hatte keinen Einfluss auf die Ferkelleistungen. Die Gabe einer Energiepaste zur Stärkung untergewichtiger Ferkel ist am ersten Tag zu früh. Bei Jungsauen ist eine Standflächenerhöhung in der Abferkelbucht (Step two) kontraproduktiv. Zu niedrig eingestellte Korbhöhen kosten Zunahmen bei den Saugferkeln. Die Korbhöhe ist laufend an die Kondition der Sauen anzupassen. -Stephan Welp und Prof. Dr. Steffen Hoy, Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für Tierzucht und Haustiergenetik- Zur Rettung von neu-geborenen Ferkeln gibt es viele Ansätze. Welche Erfolg versprechend sind, hat die Uni Gießen auf drei Praxisbetrieben geprüft.