Welche Maßnahmen zur Reduzierung der Ferkelverluste setzen Spitzenbetriebe um? Lassen sich Empfehlungen ableiten?
Die Wurfleistungen haben sich in den letzten 20 Jahren deutlich verbessert. Wurden im Beratungsgebiet des Erzeugerrings Westfalen im Wirtschaftsjahr 1994/95 noch 18,9 Ferkel pro Sau aufgezogen, hat sich diese Zahl im Jahr 2014/15 auf 27,7 Ferkel erhöht. Spitzenbetriebe verkaufen inzwischen mehr als 32 Ferkel pro Sau und Jahr!
Diese Leistungssteigerung wird nicht nur begrüßt. Kritiker behaupten, dass hohe Ferkelzahlen automatisch mit steigenden Verlusten einhergehen. Zum Teil wird sogar von einem Tierschutz-relevanten Problem gesprochen.
Sieben Top-Betriebe besucht
Um zu überprüfen, ob bei großen Würfen tatsächlich hohe Verlustraten unvermeidlich sind, wurden im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Fachhochschule Südwestfalen in Soest sieben Betriebe mit hohen Leistungen besucht. Um ein breites Spektrum von Betrieben abzudecken, wurden Betriebe mit 150 bis 1 000 Sauen und mit unterschiedlichen Genetiken (Topigs 20, DanZucht, PIC, BHZP) ausgewählt.
Die Leistungsdaten der Betriebe sind in Übersicht 1 zusammengestellt. Die durchschnittlichen Wurfgrößen variierten von 13,7 bis 16,6 lebend geborenen Ferkeln. Die Saugferkelverluste lagen zwischen 5,0 und 15,7 %. Die Betriebe setzen somit deutlich mehr Ferkel je Wurf ab als ein Durchschnittsbetrieb. Der beste Betrieb erreichte sogar 35 abgesetzte Ferkel je Sau und Jahr.
Die Größe der Abferkelgruppen streute von 15 bis 200 Sauen. Unabhängig von der Betriebsgröße werden 1-, 2-, 3- oder 4-Wochenrhythmen angewandt. Um zu erfahren, welche Maßnahmen die Betriebe rund um die Geburt sowie zur Versorgung der Ferkel umsetzen, wurden die für den Abferkelbereich verantwortlichen Personen vor Ort befragt. Auch ging es darum, ob und wann Ferkelmilch zugefüttert oder ob mit Ammen gearbeitet wird. Die Ergebnisse der Befragung sind in den Übersichten 2 und 3 zusammengefasst.
Geburten überwachen!
Um das Zeitfenster der Geburten einzuengen, wird eine Geburteneinleitung empfohlen. Diese Managementhilfe setzen die größeren Betriebe ein. Je nach Sauenherkunft erfolgt die Geburteneinleitung am 114. (Topigs 20) bzw. 115. Tag (DanZucht), oder auch nur bei Sauen mit langer Trächtigkeitsdauer (116. Tag; DanZucht). Drei der sieben Betriebe leiteten keine Geburten ein.
Eine Geburtsüberwachung führen alle Betriebe durch, drei Betriebe grundsätzlich auch während der Nacht. Auf zwei weiteren ist sie zeitlich eingeschränkt, aber so gestaltet, dass auf jeden Fall der größte Teil der Geburten überwacht werden kann.
Auch die manuelle Geburtshilfe gehört zum Repertoire der Spitzenbetriebe. Der Anteil der Problemgeburten wird mit 5 bis 20 % angegeben. Der Einsatz von Geburtsmatten sowie zusätzlicher Wärmelampen hingegen gehört nicht überall zum Standardprogramm. So wird eine Geburtsmatte nur auf einem Betrieb in den Buchten mit Kotschlitzen aus Guss eingesetzt. Die anderen Betriebe verzichten darauf, ebenso wie auf zusätzliche Wärmelampen, die nur auf zwei Betrieben nachts eingesetzt werden.
Das Binden der Spreizer sowie die Einstreu von Hygienepulver im Ferkelnest sind wiederum Standard. Ebenso werden auf fünf der sieben Betriebe die schwächeren Ferkel mit einem Energiepräparat oral versorgt. Eine Nabeldesinfektion erfolgt dagegen nur auf einem Betrieb.
Kolostrumaufnahme sichern
Um die Kolostrumaufnahme zu fördern, werden die Ferkel trocken gerieben und an das Gesäuge angelegt. Dies wird auf allen Betrieben während der Geburtsüberwachung durchgeführt. Eine sogenannte Kolostrumpaste setzt keiner der Betriebe ein.
Auf zwei Betrieben wird das „Split-Nursing“ durchgeführt, wobei die stärksten Ferkel einige Zeit vom Gesäuge entfernt werden, um schwächeren den Zugang zu guten Zitzen zu ermöglichen.
Auf keinem der Betriebe wurde Kolostrummilch abgemolken. Jedoch verabreicht ein Betrieb lebensschwachen Ferkeln zusätzlich Rinderkolostrum direkt ins Maul. Allerdings ist dies eher als Energieschub gedacht.
Wurfausgleich und Ammen
Alle sieben Betriebe führen einen Wurfausgleich durch. Dieser erfolgt in der Regel innerhalb der ersten 12 bis 24 Stunden nach der Geburt. Betrieb G beginnt jedoch bereits während der Geburt mit dem Ausgleich, damit die umgesetzten Ferkel Kolostrum ihrer Amme aufnehmen können.
Kleine Ferkel werden eher an Jungsauen mit den kleineren Zitzen umgesetzt. Teils achten die Praktiker darauf, dass das Leistungspotenzial von Jungsauen mit 14 Ferkeln pro Wurf grundsätzlich ausgenutzt wird.
Als natürliche Ammen kommen sowohl Sauen mit älteren Ferkeln als auch Schlachtsauen zum Einsatz. Jungsauen haben, wie oben erwähnt, den Vorteil der kleinen Zitzen, an denen untergewichtige Ferkel besser saugen können.
Fünf der sieben Betriebe setzen neben dem Wurfausgleich bei Bedarf auch künstliche Ammen ein. Das Alter der an diese Ammen gesetzten Ferkel schwankt zwischen fünf und zehn Tagen, wobei die älteren Ferkel möglicherweise besser mit der Umstellung zurechtkommen. Wie Praxiserfahrungen zeigen, können gut gemanagte künstliche Ammen die Ferkelverluste deutlich reduzieren.
Milch für große Würfe!
Mit Ausnahme von Betrieb C füttern alle Betriebe Ferkelmilch über offene Schalen zu, jedoch mit variablem Beginn zwischen zehn Stunden und fünf Tagen nach der Geburt. Auch wenn die Milchaufnahme zunächst gering ist, dient sie auf jeden Fall zur Versorgung mit Flüssigkeit, die in dieser Form wahrscheinlich besser akzeptiert wird als reines Wasser.
Betrieb E bietet den Ferkeln statt Milch bereits ab zehn Stunden nach der Geburt flüssigen Joghurt an, der nach Angaben des Landwirts gut angenommen wird. Prestarter wird in der Regel ab dem zehnten Tag angeboten, in fester oder flüssiger Form. Auch hier praktiziert Be-trieb G mit der Verabreichung von flüssigem Prestarter eine interessante Variante, da der Übergang von der Milchfütterung langsamer erfolgt.
Sauen richtig füttern
Die Geburtsvorbereitung beginnt bekanntlich schon in der Tragezeit. Hier spielt die Fütterung eine wichtige Rolle. Die Befragung ergab, dass mit Ausnahme eines Betriebes die tragenden Sauen mit Trockenfutter versorgt werden. Die Futterkurven differieren zwischen den Betrieben jedoch deutlich und reichen von der üblichen 2-Phasen-Fütterung (Trage-/Säugefutter) bis zu einer 4-Phasen-Fütterung.
Mit Ausnahme der Be-triebe A und C erfolgt in den ersten zwei bis vier Trächtigkeitswochen eine Konditionsfütterung für abgesäugte Sauen, wobei die Energiezufuhr bei den einzelnen Betrieben zwischen 36 und 43 MJ ME pro Tag liegt. Dafür wird in der Regel das Trächtigkeitsfutter genutzt. Betrieb F füttert jedoch zwei Wochen lang täglich 3,3 kg Laktationsfutter, solange die Sauen noch im Deckzentrum verbleiben.
In der Hochträchtigkeit erhalten die Muttertiere – unabhängig von der eingesetzten Genetik – zwischen 33 und 39,4 MJ ME pro Tag. Die Betriebe D, E, F und G führen dazu in den letzten Tagen vor der Geburt noch eine Vorbereitungsfütterung durch: Betrieb E durch An-hebung des Energieniveaus, Betrieb F durch Reduzierung der Futterzufuhr zur Vermeidung von Verstopfung. Betriebe D und G setzen ab dem 110. Tag bis zwei Tage nach der Geburt ein spezielles Vorbereitungsfutter ein.
Ebenso variiert der Futtereinsatz für die laktierenden Sauen. Zur Erleichterung der Futterumstellung werden bis auf die Betriebe A und C zunächst das Futter der tragenden weitergefüttert oder dieses mit Laktationsfutter verschnitten (Betriebe B, E), das Vorbereitungsfutter weiter gefüttert (Betriebe D, G) bzw. das Laktationsfutter be-reits im Abferkelstall gegeben (Betrieb F). Ab dem zweiten bis fünften Laktationstag wird dann auf das Laktationsfutter umgestellt. In den Betrieben B und G wird ab dem fünften bzw. zehnten Laktationstag dreimal gefüttert.
Tricks aus der Praxis
Zusätzlich zum allgemeinen Management haben Spitzenbetriebe noch spezielle Tricks und selbst entwickelte Praxistipps. So setzt Betrieb E im Abferkelstall bis fünf Tage nach Geburt täglich 100 g Traubenzucker pro Sau ein, um die Vitalität der Ferkel zu verbessern. Betrieb F verabreicht in den letzten zehn Tagen vor der Geburt 10 g Cholinchlorid pro Sau und Tag, um das Skelett der Ferkel zu stabilisieren und das Auftreten von Spreizern zu reduzieren.
Die geringe Verlustrate von 5 % führt der Leiter des Betriebes G neben der Vitaminfütterung auf die konsequente Geburtsüberwachung und intensive Kontrolle in den ersten drei Lebenstagen zurück. Der Aufwand ist natürlich beträchtlich und kann nur mit zusätzlichem Personal realisiert werden. Zudem arbeitet dieser Betrieb als einziger mit einer Liftbucht. Diese senkt den Laufbereich der Ferkel ab, solange die Sau steht. Dadurch lassen sich Erdrückungsverluste verringern.
Zur Rettung stark ausgekühlter Ferkel setzt die Leiterin von Betrieb B auf 38 °C warmes Wasser. Stabilisiert mit einer Schwimmweste können sich die Tiere aufwärmen, bevor sie wieder ans Gesäuge kommen.
Bleibt festzuhalten
Der Vergleich der sieben Spitzenbetriebe zeigt, dass das Management betriebsindividuell ist und es keine einfache Lösung zur Minimierung der Saugferkelverluste gibt. Dennoch gibt es einige Gemeinsamkeiten.
- Alle Betriebe führen eine – mehr oder weniger – intensive Geburtsüberwachung durch. Bei Problemen leisten die Sauenhalter Geburtshilfe.
- Während der Geburtsphase erfolgen bereits die ersten Hilfsmaßnahmen. Dazu gehören das Trockenreiben und Anlegen der Ferkel, das Aufwärmen unterkühlter Ferkel, das Verabreichen von Energiepräparaten sowie das Binden von Spreizern.
- Auch streuen alle sieben Spitzenbetriebe das Ferkelnest mit Hygienepulver ein, unter anderem, um so Feuchtigkeit zu binden.
- Alle Betriebe gleichen die Würfe aus, allerdings zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten.
- In der weiteren Aufzucht setzen sechs der sieben Betriebe bereits in den ersten Lebenstagen Milchaustauscher aus offenen Schalen ein. Auch mit Ammensauen und/oder künstlichen Ammen arbeiten alle Betriebe.
- Prestarter wird auf allen sieben Betrieben ab dem zehnten Lebenstag angeboten.