Das läuft ja wie am Schnürchen: In weniger als 30 Minuten hat Tom Wientjens 288 Ferkel über die Rampe auf seinen vierstöckigen Lkw getrieben. Der 25-Jährige ist Fahrer für das niederländische Viehhandels-Unternehmen Vaex in Reek (Noord-Brabant), welches rund 1 Mio. Ferkel pro Jahr transportiert. Aus dem Stall bis zum Fuß der Rampe bringt ein Mitarbeiter des Ferkelerzeugerbetriebs die Ferkel, dann übernimmt Wientjens. Um das Verladen für die Tiere so schonend wie möglich zu gestalten, sind elektrische Viehtreiber tabu. Stattdessen arbeiten die Männer mit Treibebrettern und -paddeln. Die Verladerampe lässt sich hydraulisch auf die Höhe der Zwischenböden hochfahren, sodass die Tiere fast waagerecht laufen können. Die holländischen Ferkel der ersten Fuhre des Tages sind für einen deutschen Mäster bestimmt. Beim Verladen ist auch ein Amtstierarzt anwesend. Denn für Exporttiere ist eine veterinärmedizinische Begutachtung vorgeschrieben. Die mehrstündige Fahrt bestreiten die 30 kg-Ferkel in Gruppen zu je 18 Tieren. Jede Koje ist mit vier Tränkenippeln ausgestattet, damit die Tiere jederzeit Zugang zu frischem Wasser haben. Zuvor hat Wientjens die Ladeflächen großzügig mit Sägespänen eingestreut. Das Material sorgt dafür, dass die Ferkel auf dem ungewohnten Boden nicht ausrutschen, trocken liegen und wühlen können. Bevor die Fahrt losgehen kann, überprüft Tom Wientjens noch einmal, ob er alle Dokumente beisammen hat. Neben Lieferschein, Ferkelpass und Exporterlaubnis muss er noch sechs weitere Belege griffbereit haben. Während der Fahrt hat Wientjens die Temperatur-Verhältnisse, die hinten im Auflieger herrschen, ständig im Blick. Denn Sensoren messen alle zwei Minuten die Temperatur im Tierbereich und melden die Informationen an den Fahrer. Entsprechend lassen sich die Ventilatoren zur mechanischen Regelung der Lüftung bedienen, die zur Standardausrüstung der normalen Tiertransporter zählen. Noch lieber fährt Wientjens einen der vier geschlossenen und vollständig klimatisierten Lkws, die ebenfalls zum Fuhrpark seines Arbeitgebers gehören. Während die Standardvariante eines vierstöckigen Ferkel-Transporters rund 220 000 € kostet, sind für die geschlossene, vollständig klimatisierte Version mit Luftfilter noch einmal 40 000 € extra zu investieren. Entsprechend höher fallen die Transportkosten aus. Trotzdem werden die geschlossenen Wagen zunehmend für den Transport hochgesunder Tiere nachgefragt. Denn durch die Vollklimatisierung wird der Kontakt mit Krankheitserregern von außen nachvollziehbar ausgeschlossen. Welches Fahrzeug und welche Tour Wientjens fährt, legen die Disponenten in der Firmenzentrale fest. Dabei hängt die Auswahl des Transportmittels unter anderem von der Art und Anzahl der Tiere, der Länge der Strecke und den Wetterverhältnissen ab. Auch werden die rechtlichen Vorgaben zum Transport penibel eingehalten. Insbesondere ein Überschreiten der Ladedichten wird beim zuständigen Veterinäramt registriert; bei Wiederholung droht dem Unternehmen der Entzug der Transporterlaubnis. „Als Transporteure haben wir ein großes Interesse daran, dass die Tiergesundheit und das Tierwohl gewährleistet sind. Denn sobald ein Tier auf dem Transport Schaden nimmt oder sogar stirbt, tragen wir das finanzielle Risiko“, erklärt Ruud Vosters, der bei Vaex für den Ein- und Verkauf für Deutschland zuständig ist. Ein weiteres Ziel ist es, jedes Fahrzeug und jeden Fahrer optimal auszulasten und lange Warte- und Standzeiten zu vermeiden. Dazu geben Vosters und seine Kollegen aus den anderen internationalen Ein- und Verkaufsteams ihre Anfragen und Aufträge an die Mitarbeiter in der Zentrale weiter. Diese überprüfen in ihrer Datenbank, welche Fahrer und Lkws wann verfügbar sind und teilen diese nach Absprache ein. Die Zentrale kann zu Wientjens und den anderen Fahrern jederzeit Kontakt aufnehmen. Denn alle Lkws sind mit modernsten Rückverfolgungs- und Kommunikationssystemen ausgestattet. Über Sprechfunk sowie über Textnachrichten auf einem kleinen Bildschirm in der Kabine können sie sich ständig mit dem Fahrzeugführer austauschen. Die Mitarbeiter in der Zentrale können also Anweisungen geben, wie die Fahrer verkehrsüberlastete Gebiete am besten umfahren oder was bei Verzögerungen zu tun ist. Dabei verfolgen sie an ihren Monitoren im Büro live den Weg der Lkws mit. So sehen sie zum Beispiel auch, mit welcher Geschwindigkeit die Fahrer aktuell unterwegs sind. Auf diese Weise ist es möglich, den Kunden die Ankunft der Transporter sehr genau anzukündigen. Denn auch das zeitnahe Ausstallen und Abladen kommt den Ferkeln zugute. Besonders interessierte Kunden können ihren Transport auch selbst verfolgen. Sie erhalten dazu auf Wunsch einen Code, mit dem sie sich in das System einloggen und sehen können, wo sich ihre Tiere gerade befinden. „Auch längere Transporte von acht Stunden und mehr sind für die Tiere an sich kein Problem. Die Schweine verhalten sich während der Fahrt ruhig. Nur wenn die LKWs länger stillstehen und nicht abladen können, kann es Probleme mit Rangkämpfen geben“, so Vosters. Das Abladen der Schweine auf dem Zielbetrieb erfolgt mit der gleichen Sorgfalt wie das Aufladen. Dabei haben Tom Wientjens und die anderen Fahrer die Anweisung, die Tiere nur dann abzuladen, wenn der Stall hinsichtlich Sauberkeit und Temperatur einen zufriedenstellenden Eindruck macht. „Nach dem Öffnen der Türen scheuchen wir die Tiere auch nicht sofort vom Hänger, sondern warten einen Moment, bis sie sich an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt haben“, erklärt Wientjens das Prinzip. Jeder Viehtransport schließt mit der Reinigung und Desinfektion der Fahrzeuge ab. In den Niederladen muss diese noch am Betrieb oder in unmittelbarer Nähe erfolgen. Die entsprechenden Auflagen hierzu sind im nationalen Qualitätssicherungssystem IKB festgelegt. Anschließend muss der Fahrer die Desinfektion auch dokumentieren. Da die Waschung der Fahrzeuge noch nicht überall möglich ist, sind viele Lkws inzwischen mit Reinigungs- und Desinfektionssystemen ausgerüstet, die die Fahrer unabhängig von den örtlichen Gegebenheiten machen. Die Systeme umfassen Wassertanks und Pumpen, die in einer separaten und frostfreien Kammer unter dem Fahrzeug untergebracht sind. Außerdem wird derzeit untersucht, ob sich durch Erhitzung des Innenraums eine effektive Desinfektion erreichen lässt. Diese könnte auch während der Fahrt durchgeführt werden. Unter anderem wird geprüft, inwieweit eine einstündige Erhitzung auf 70 °C pathogene Keime in den Fahrzeugen restlos abtötet. Es gibt in Holland sogar schon isolierte Reinigungskabinen, in denen ganze Lkws mittels Heißluft desinfiziert werden. Das Auftreten der Afrikanischen Schweinepest bei Wildschweinen in der EU hat den Aspekt der Desinfektion von Viehtransportern noch mal besonders in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Die meisten holländischen Ferkelexporte enden zwar in Deutschland. Allerdings gehen inzwischen auch viele Lieferungen des niederländischen Viehhändlers nach Süd- und Osteuropa, einige sogar ins außereuropäische Ausland. „Wir sind uns des Risikos durch Tiertransporte nach Osteuropa durchaus bewusst“, betont Ruud Vosters. „Der Absatz von Ferkeln nach Polen ist bereits eingebrochen. Ein ASP-Fall in Westeuropa brächte den Transport zum Erliegen.“ Aktuell fahren die Transporteure noch relativ oft die Tour nach Rumänien. Auch Tom Wientjens reißt die Strecke zusammen mit einem Kollegen manchmal zwei- bis dreimal pro Woche ab. Würde man die Strecke in einem Stück abfahren, dauerte dies fast 30 Stunden. Mit zwei Fahrern im Wechsel wäre das prinzipiell machbar. Doch für diese weiten Entfernungen bei Tiertransporten gelten besondere Bestimmungen. So muss nach spätestens 24 Stunden Fahrtzeit eine Pause für die Tiere von ebenfalls 24 Stunden eingelegt werden. In dieser Pause müssen die Fahrer die Schweine vom Hänger abladen und füttern. Dafür gibt es spezielle Ruheställe für Schweine, die Viehhändler anmieten können. Um sich hier nicht blind auf die Hygiene fremder Anbieter verlassen zu müssen, hat das Unternehmen 2009 in einen eigenen Ruhestall im Süden Ungarns investiert. Dieser liegt in Kiskorpad in günstiger Lage für Transporte nach Rumänien und in die südlichen Balkanländer. Der Ruhestall nennt sich Anhoka und bietet Platz für bis zu 3 000 Ferkel, die separat pro Lkw ruhen können. Zwei weitere kleine Ställe vor Ort sind für Notfall-Unterbringungen vorgesehen. Neben einem Platz zur Reinigung und Desinfektion der Trucks verfügt Anhoka auch über eine Unterkunft für die Fahrer. Alles in allem entstehen für eine 800er-Ferkelfahrt nach Rumänien Transportkosten von ca. 8 bis 9 € je Ferkel. Dabei sind die 20 Stunden Fahrt bis Ungarn, die Pause und die weiteren 10 Stunden Fahrt von Ungarn nach Rumänien eingerechnet. „Das hört sich teuer an, lohnt sich für die rumänischen Abnehmer aber meist trotzdem. Denn ihre Arbeitskosten sind niedrig und die Schweinepreise gleichzeitig höher als bei uns“, weiß Ferkelhändler Vosters. Um den Kunden möglichst günstige Angebote machen zu können und gleichzeitig einen höheren Umsatz pro Strecke zu erzielen, versucht das Handelsunternehmen Leertransporte möglichst zu vermeiden. Kurzerhand werden die Ferkeltransporter für den Rückweg umfunktioniert und dann zum Beispiel Terrassensteine oder Weinfässer mitgebracht. Vollklimatisierte Lkws Zentrale überwacht Route Desinfektion ist Pflicht 800 Ferkel nach Rumänien Ruhestall in Ungarn Fazit Ein schonender Tiertransport beginnt schon mit dem Aufladen der Schweine. Mittels Hebebühne werden die mehrstöckigen Ferkeltransporter bequem beladen. Während der Fahrt haben die Schweine ständig Zugang zu frischem Wasser. Der Fahrer kann die Luftverhältnisse nicht nur im vollklimatisierten, sondern auch im halboffenen Transporter mittels mechanischer Lüftung steuern. Die Desinfektion der Wagen ist Pflicht und kann oft ortsunabhängig vor bzw. während der Rückfahrt durchgeführt werden. Bei Langstrecken-Transporten nach Osteuropa sind eintägige Pausen einzulegen. Die Schweine werden dazu abgeladen und in sogenannten Ruheställen mit Futter versorgt, bis die Fahrt fortgesetzt werden kann. -Mareike Schulte, SUS- Hightech sorgt dafür, dass es den Ferkeln auf dem Transport gut geht. SUS hat einen Ferkelhandel begleitet.