Die Schweinepreise sind 2014 stark gefallen. Doch im Laden ist Fleisch kaum billiger.Wer profitiert von der Marktlage? Wie geht es weiter?
Bei vielen Schweinehaltern liegen die Nerven blank. Denn seit Mitte letzten Jahres sind die Erzeugererlöse stark eingebrochen. Der Wegfall des Russlandexports und hohe Schlachtzahlen im zweiten Halbjahr 2014 setzten den Markt stark unter Druck. So werden seit Monaten in der Ferkelerzeugung und in der Mast keine kostendeckenden Preise erzielt.
Während etliche Landwirte um ihre Existenz bangen, konnte die Schlacht- und Fleischbranche offenbar gute Geschäfte machen. So präsentierte z. B. die Westfleisch trotz herber Verluste im Russlandgeschäft für 2014 den höchsten Jahresüberschuss aller Zeiten.
Auch der Lebensmittelhandel dürfte 2014 beim Fleischverkauf gutes Geld verdient haben. Denn trotz des Verfalls der Erzeugerpreise ist Fleisch an der Ladentheke kaum preiswerter geworden. Auch der Pro-Kopf-Verbrauch an Schweinefleisch hat sich 2014 entgegen der Prognosen nur leicht verringert. Für 2015 erwartet man sogar einen etwas steigenden Konsum.
6 € mehr Marge je Schwein
Dass die Schlacht- und Handelsstufe ihre Marge beim Schweinefleisch ausbauen konnte, lässt auch eine Auswertung der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) vermuten. Demnach lagen die Erzeugerpreise für Schlachtschweine der Klasse S-P im Mittel des Jahres 2014 nur bei 1,55 €/kg SG. Das sind 15 Cent oder 8,8 % weniger als im Jahr 2013.
Hingegen blieben die Ladenpreise für frisches Schweinefleisch nahezu konstant. So zahlten die Verbraucher für die wichtigsten Teilstücke vom Schwein im Jahr 2013 im Mittel 5,89 €/kg. Im Jahr 2014 gaben die Verbraucherpreise leicht auf 5,80 € nach. Das sind Minus 5,4 %.
Die Spanne zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen stieg damit 2014 auf 4,25 €/kg Schweinefleisch. Im Jahr 2013 lag die Handelsspanne noch bei 4,19 €/kg. Umgerechnet auf ein Schlachtschwein heißt das: Schlacht- und Handelsstufe haben 2014 rund 6 € je Tier mehr abgeschöpft.
Die Ausweitung der Handelsspanne spiegelt sich auch in einer mehrjährigen Auswertung der AMI wider (siehe Übersicht 1). Die errechnete Handelsspanne bezieht sich hier jeweils auf den Monat Dezember. In den Jahren 2010 und 2011 lag die ausgewiesene Handelspanne bei gut 4,50 €/kg. In den Folgejahren konnte der Handel die Spannen dann merklich ausweiten. Ende letzten Jahres lag die Differenz zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen erstmals deutlich über 5 €/kg.
Doch wer hat am stärksten von der Ausweitung der Marge beim Fleischverkauf profitiert? Sind es die Schlachthöfe, die Verarbeitung oder der Lebensmittelhandel? Um die Frage zu beantworten, müssen auch die veränderten Abläufe und Kosten in den Branchen nachvollzogen werden.
Haken gut ausgelastet …
Zunächst zur Schlachtbranche. Hier schwankt die Rentabilität mindestens genauso heftig wie in der Schweinemast. Erfahrungsgemäß sind das zweite und dritte Quartal durch kleine Schlachtzahlen und Margen gekennzeichnet. Zum Herbst steigt das Angebot an Schlachtschweinen aufgrund saisonaler Effekte in der Regel deutlich an. In dieser Zeit verdienen die Fleischzentren im Normalfall mehr Geld. Denn aufgrund der höheren Schlachtmenge sinken die Fixkosten je Schwein bzw. je Kilogramm Fleisch.
Im zweiten Halbjahr 2014 profitierten Schlachthöfe von einem besonders großen Angebot. So wurden von Juli bis Dezember 2014 mit 26 Mio. rund 2,4 % mehr Schlachtschweine angedient als im Vorjahr. In der Spitze erreichte Deutschland Anfang Dezember eine Wochenmenge von 1,15 Mio. Schlachtschweinen. Dies führte zu einer optimalen Mengenauslastung der Schlachtstätten und geringeren Stückkosten.
… aber mehr Bürokratie
Den mengenbedingten Kosteneinsparungen stehen allerdings auch Kostensteigerungen in der Fleischvermarktung gegenüber:
- Der Zerlege- und Aufbereitungsprozess von Schweinefleisch ist wesentlich komplexer geworden. Dokumentations- und Rückverfolgungsprozesse verteuern die einzelnen Arbeitsschritte.
- Der Anteil sogenannter Convenience-Produkte hat stark zugenommen. Durch das veränderte Konsumverhalten nimmt die Verarbeitungstiefe ständig zu. Bedarfsgerechte Portionierungen für Single-Haushalte haben einen wesentlich höheren Marktanteil.
- Auch die Fleischwirtschaft ist zunehmend von staatlichen Kontrollkosten betroffen, die verstärkt in den Fleischpreis einfließen. Gleichzeitig steigen Qualitätssicherungs- und Weiterbildungskosten für Personal und Mitarbeiter überproportional.
- Neue Auflagen führen zu mehr Bürokratie und lassen die Kosten ausufern. Insider sprechen von zunehmenden Wettbewerbsnachteilen durch sogenannte Politik-Kosten.
- Die Löhne werden angepasst. Insbesondere die Einführung des Mindestlohns führt zu Kostensteigerungen.
- Ab dem 1. April steigen die Logistikkosten weiter. Dann müssen die Schlachtunternehmen europaweit bei Frischfleisch den Nachweis des Herkunftslandes führen. Das heißt: Sie müssen für die Rückverfolgbarkeit im Schlachtprozess geradestehen.
Schlachthof kauft günstig ein
Auf der Kostenseite sind also gegenläufige Trends zu beobachten, die sich zum Teil aufheben. Hingegen konnten die Schlachtunternehmen beim Einkauf von den im Vergleich zu 2013 um 15 ct niedrigeren Erzeugerpreisen profitieren. Hierdurch sank der kalkulierte Einkaufspreis von 162,35 € auf 148,49 € netto je Schwein. Der Preisvorteil im Einkauf beträgt somit gegenüber 2013 rund 14 € netto je Tier bzw. 8,5 %.
Dem stehen Einbußen im Fleischverkauf an den Lebensmittelhandel gegenüber. So konnten die Schlachtunternehmen z. B. für die Schinken rund 2 € je Schwein weniger erlösen als 2013 (siehe Übersicht 2). Im Mittel des Jahres 2014 konnten die Schlachthöfe für die wertbestimmenden Teilstücke 80,51 € je Schwein erzielen. Das sind rund 4,60 € je Schwein bzw. 5,4 % weniger als in 2013.
Weiterhin sind Erlöseinbußen bei Speck- und Fettwaren sowie Innereien zu berücksichtigen. Sie machen 8 bis 10 kg vom Schlachtkörper aus. Insbesondere durch das Russland-Embargo hat sich seit Februar 2014 der Preis für Speck- und Fettwaren von zuvor 1,40 € bis 1,50 € auf 35 bis 45 Cent/kg reduziert. Hierdurch ist die Wertschöpfung im Export um etwa 7 bis 9 € je Schwein gesunken.
Die Erlösminderung der Schlachtunternehmen summiert sich so auf etwa 11 bis 13 € je Schwein. Dem stehen 14 € Einkaufsvorteil gegenüber. So lässt sich im Mittel des Jahres 2014 eine Ausdehnung der Handelsspanne um 1 bis 2 € je Schwein ableiten. Insbesondere im zweiten Halbjahr 2014 dürfte das Plus bei der Handelsspannne der Schlachthöfe wesentlich höher gewesen sein.
LEH hat profitiert
Aus der Kalkulation für die Schlachtstufe lässt sich ableiten, dass eine erhebliche Verschiebung der Wertschöpfung zugunsten des Lebensmittelhandels erfolgt ist. So dürfte das Gros der letztjährigen Ausweitung der Handelsspannen um 6 € je Schwein in den Taschen der LEH-Konzerne gelandet sein.
Jedoch sind auch auf Handelsstufe Steigerungen bei den Lohn- und Logistikkosten zu verzeichnen. Dies zehrt das Gros der Einkaufsvorteile auf.
Gleichzeitig steckt der LEH bei den Abgabepreisen für Fleisch an den Endkunden im engen Korsett. So ist der Handel bestrebt, die Preise an der Ladentheke konstant zu halten, um die Kunden nicht zu verunsichern. Denn steigende Preise dämpfen den Konsum. In der Folge ist Schweinefleisch in kaum einem EU-Land so günstig wie bei uns.
Letztlich führt die Konzentration im Lebensmittelhandel dazu, dass die Landwirte immer mehr zu Rohstofflieferanten degradiert werden. Schweinefleisch ist dabei europaweit austauschbar, insbesondere in der Verarbeitung. Durch Handelsabkommen wie Ceta und TTIP nimmt der Wettbewerb auf den Beschaffungsmärkten weiter zu.
Lösungen gesucht
Doch was können die Schweinehalter tun, um ihre Marktposition wieder zu stärken? Dabei ist zu bedenken, dass auch in der Vergangenheit zahlreiche Konzepte entwickelt wurden. Viele haben allerdings in der Regel nicht zum Erfolg geführt:
- Markenfleischprogramme sollten die Wertschöpfung am Schwein erhöhen. Viele sind jedoch wegen geringer Marktakzeptanz oder hoher Kosten gescheitert.
- Die Bündelung des Angebotes in Erzeugergemeinschaften sollte höhere Erlöse bringen. Dies stößt angesichts der Konzentration der Schlachtstufe an Grenzen.
- Die Absatzwege für die Direktvermarktung sind großteils ausgeschöpft.
- Die Agrarpolitik soll die Branche unterstützen. Doch die jüngst beschlossene PLH belegt ihre Hilflosigkeit.
Möglicherweise bietet der Ansatz, über die Herkunftssicherung deutsche Schweineproduzenten zu unterstützen, aktuell einen Ausweg. Hiesige Landwirte können nur dann ihre Marktposition behaupten, wenn sie erhöhte Sozial-, Umwelt- und Tierschutzstandards durch höhere Preise an der Ladentheke absichern. Doch nur wenn der Verbraucher nicht auf Billigprodukte aus dem Ausland ausweichen kann, ist eine höhere Wertschöpfung für die Schweinehalter machbar.
Fazit
Die Handelsspanne beim Schweinefleisch ist 2014 spürbar gestiegen. Nutznießer war der Lebensmittelhandel, aber auch die Schlachtstufe.
Ermöglicht hat die Spannenausweitung vor allem der Einbruch der Erzeugerpreise. Denn im Laden hat sich der Fleischpreis kaum verändert. Auch künftig werden die strukturell überlegenen Schlacht- und LEH-Konzerne anstreben, steigende Kosten auf die Erzeugerstufe abzuwälzen.
Ein Ausweg für die Landwirte ist die verstärkte Herkunftssicherung beim Fleisch. Allerdings lassen sich höhere Preise nur erzielen, wenn die Verbraucher nicht auf billiges Fleisch aus dem Ausland ausweichen können.