Russland hat sich für die europäischen Fleischexporteure in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Drittlandsmärkte entwickelt. Die EU setzte dort im Jahr 2013 rund 750 000 t Schweinefleisch ab. Der Warenwert belief sich auf mehr als 800 Mio. €. Beim Export konnten die Europäer zum einen mit der räumlichen Nähe zu den russischen Ballungsgebieten punkten. Weiterer Vorteil war, dass sich auch die in Europa wenig gefragten Fett- und Speckwaren gut vermarkten ließen. Deutschland hat seine Exporte nach Russland ebenfalls kontinuierlich ausgebaut. Im Jahr 2010 erreichten unsere Ausfuhren mit 322 000 t Schweinefleisch ihren vorläufigen Höhepunkt (siehe Übersicht 1). Seitdem bröckeln die Ausfuhren kontinuierlich ab. Im Jahr 2013 umfassten sie nur noch 182 000 t Schweinefleisch. Mit dem WTO-Beitritt Russlands hofften viele auf eine Erholung des Russlandgeschäftes. Doch dies ist nicht eingetreten. Im Gegenteil: Der Einbruch am russischen Markt setzte sich etappenweise fort: Für die deutschen Fleischbetriebe ist Moskaus Vorgehen nicht nachvollziehbar. Insbesondere der abrupte Importstopp im Februar aufgrund angeblicher seuchenhygienischer Bedrohungen um die Afrikanische Schweinepest hat für Unmut gesorgt. Zumal er die gesamte Europäische Union betrifft. Die Folgen für die hiesige Schweinehaltung sind dramatisch. So konnte Deutschland allein im ersten Halbjahr 2014 rund 90 000 t Schweinefleisch weniger in Russland absetzen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das ist ein Rückgang um mehr als 90 %. Russland hat sich damit vom zweitwichtigsten deutschen Drittlandsmarkt zum Totalausfall entwickelt. So betrug der Anteil an den gesamten deutschen Schweinefleischausfuhren im ersten Halbjahr 2014 weniger als 1 %. Dies ist bedauerlich, weil alternative Absatzkanäle für Fleischmengen in dieser Größenordnung schwer zu erschließen sind – schon gar nicht kurzfristig. Das gilt insbesondere für Speck und Fettwaren, die mit 46 % das Gros der deutschen Fleischexporte nach Russland ausmachten. Deutschland war damit bereits im ersten Halbjahr 2014 einer der Hauptverlierer des russischen Importstopps. Auch andere EU-Staaten beklagen das russische Embargo. So erwarten Vertreter des dänischen Dachverbandes der Agrarwirtschaft, dass sich der Wettbewerb am Fleischmarkt weiter verschärft. Zudem könnte sich die Konkurrenz zwischen den drei Hauptfleischarten zuspitzen. Denn Rind- und Geflügelfleisch unterliegen ebenfalls dem Importverbot aus Moskau. Die europäischen Fleischexporteure waren damit gezwungen, möglichst schnell neue Abnehmer zu finden. Den deutschen Schlachtunternehmen ist dies insbesondere im fernen Osten gelungen. So konnte die Bundesrepublik im ersten Halbjahr 2014 die Fleischausfuhren nach Südkorea und auf die Philippinen mehr als verdoppeln. In die beiden Staaten wurden von Januar bis Juni insgesamt gut 70 000 t Schweinefleisch verkauft. Zusätzlich konnte Deutschland seine Ausfuhren nach Japan um knapp 30 % steigern. Allerdings ließ sich damit der Verlust des Russlandgeschäftes nicht vollständig kompensieren. So hat Deutschland in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres rund 50 000 t weniger Schweinefleisch in andere EU-Länder oder Drittstaaten ausgeführt als im selben Zeitraum 2013. Das enstpricht einem Minus von 3,3 %. Neben dem Rückgang der Ausfuhrmengen mussten die hiesigen Fleischexporteure schmerzliche Zugeständnisse beim Preis hinnehmen. Denn nach dem plötzlichen Wegbruch des russischen Marktes war man bei Preisverhandlungen mit möglichen neuen Abnehmern eher in der Defensive. Zudem stehen die europäischen Fleischexporteure in Fernost in starker Konkurrenz zu den günstigen Anbietern aus Nord- und Südamerika. Hinzu kommt: Auch in den USA und Kanada sind die Schweinepreise seit dem Handelskrieg mit Russland im August spürbar zurückgegangen. Das drückt das Preisniveau im Exportgeschäft weiter. Die Probleme beim Fleischexport wurden so zum Hauptauslöser für den dramatischen Preisverfall am deutschen und europäischen Schweinemarkt. Denn die Schlachtkonzerne mussten insbesondere bei den Speck- und Fettwaren enorme Einbußen hinnehmen. Ihre Preise lagen noch im letzten Jahr bei mehr als 1,30 €/kg. Aufgrund des Russlandproblems bringen fettreichere Artikel derzeit nur noch rund 40 bis 50 Cent/kg ein. So fehlen den Schlachthöfen in der Zerlegekalkulation mindestens 6 bis 8 € je Schwein. Bei rund 58 Mio. Schlachtschweinen in Deutschland belaufen sich die sektoralen Schäden allein in diesem Jahr auf mindestens 400 Mio €. Fakt ist: Bei Speck- und Fettwaren ist der Absatzmarkt in Russland nahezu alternativlos. Denn für die enormen Mengen fettreicher Teile vom Schwein lassen sich neue Absatzkanäle nur mühsam aufbauen. Häufig bleibt den Schlachtbetrieben nur noch die Verwertung über die Fettschmelze. Nach Angaben von Danish Crown und Vion wurden zudem erhebliche Mengen der genannten Produkte tiefgefroren. Dänische und niederländische Branchenvertreter fordern daher die Einführung einer privaten Lagerhaltung speziell für Speck- und Fettartikel. Unwahrscheinlich ist, ob die hin und wieder geforderte Exporterstattung für Speck- und Fettwaren politisch durchsetzbar ist. Denn die WTO-Beschlüsse stehen solchen Maßnahmen ebenfalls im Wege. Auch Subventionen, z. B. im Rahmen einer Verarbeitungsbeihilfe, dürften politisch nicht mehrheitsfähig sein. Doch auch an Russland gehen die selbst verhängten Handelssperren nicht spurlos vorrüber. So muss das Land rund 50 % der benötigten Lebensmittel importieren. Moskau ist also stark abhängig von seinen Zulieferern. Beim Schweinefleisch kann Russland nur knapp 70 % des Bedarfs selbst erzeugen. Den Wegfall der Fleischimporte aus Europa konnte Russland auch einige Monate nach Verhängung des Importstopps nicht kompensieren. Denn mehr als 75 % des eingeführten Schweinefleisches bezog Moskau im Jahr 2013 aus EU-Ländern (siehe Übersicht 2). Die größten Lieferanten waren Deutschland und Dänemark. Beide Länder konnten zusammen mehr als 300 000 t Schweinefleisch nach Russland exportieren. Bei den internationalen Lieferanten spielen inbesondere Brasilien und Kanada eine Rolle. Nach dem Stopp der EU-Einfuhren hat Moskau die Handelsbeziehungen vor allem mit Brasilien ausgebaut und neue Lieferverträge, z. B. jüngst mit China, abgeschlossen. Dennoch ist die Versorgung mit Schweinefleisch in Russland extrem angespannt. In der Folge sind die Fleischpreise im Laden rasant gestiegen. Bei vielen Teilstücken haben sich die Verbraucherpreise binnen kurzer Zeit nahezu verdoppelt. So ist z. B. 1 kg Schweinenacken in Moskau derzeit mit 6,50 € mehr als doppelt so teuer wie in Europa. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich die Verbraucherstimmung über den Winter eintrübt und es zu politischen Unruhen kommt. Möglicherweise wird Präsident Putin aufgrund humanitärer Gründe das Importverbot zumindest für wichtige Lebensmittel lockern müssen. Denn alternative Exporteure, die an die Stelle der Europäer treten können, sind nicht in Sicht. Auf der anderen Seite profitieren die russischen Veredlungsbetriebe derzeit stark von der Angebotsverknappung. So sind die Erzeugerpreise für Schweine inzwischen auf deutlich mehr als 3 €/kg hochgeschnellt. Dies fördert die russischen Erzeuger und kommt damit Moskaus Ziel vom Ausbau der heimischen Produktion und einer geringeren Importabhängigkeit entgegen. Die europäischen Fleischexporteure werden sich daher verstärkt alternative Absatzwege aufbauen müssen. Nach einer aktuellen Prognose des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) bieten die asiatischen Länder die größten Potenziale. Scheinbar unbegrenzt ist der Fleischhunger in China. Das USDA schätzt den Importbedarf der Volksrepublik für 2015 auf 1 Mio. t Schweinefleisch. Das wären rund 25 % mehr als im laufenden Jahr. Hinzu könnten rund 360 000 t Schweinefleisch kommen, die über die Sonderwirtschaftszone Hongkong eingeführt werden. Der Preiseinbruch am deutschen Schweinemarkt ist stark auf das russische Importverbot für EU-Schweinefleisch zurückzuführen. So fehlen in der Zerlegekalkulation 6 bis 8 €/Schwein. Trotz der erheblichen Verteuerung von Schweinefleisch in Russland ist eine Aufhebung des Importstopps nicht in Sicht. Denn der Handelskrieg mit Europa hat die Fronten weiter verhärtet. Zudem liefert die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest weitere Gründe, um Einfuhren zu untersagen. Während die EU-Kommission die Marktstützung für Obst, Gemüse und Milch beschlossen hat, zeigt sie sich bei Schweinefleisch zurückhaltend. Vermutlich wird sie erst eingreifen, wenn sich existenzbedrohende Entwicklungen z. B. wie bei der Dioxinkrise zeigen. Für die EU-Fleischexporteure gilt es daher, insbesondere in Fernost neue Absatzwege aufzubauen. Exporte bröckeln seit 2010 Importstopp für EU-Fleisch Neue Märkte in Fernost Rund 400 Mio. € Erlösverlust Russland: Fleisch sehr teuer Fördermittel aus Moskau Wir halten fest Bereits 2012 ließ Moskau einzelne hiesige Exporteure auslisten. 2013 wurde dann die Einfuhr von frischen und gekühlten Fleischwaren aus Deutschland verboten. Ab Februar 2014 verhängten die russischen Behörden das vollständige Importverbot für EU-Schweinefleisch. Seit dem Handelsembargo im August soll der russische Markt für EU-Fleisch vorerst ein Jahr gesperrt bleiben. - Dr. Albert Hortmann-Scholten, LWK Niedersachsen- Im August verhängte Kreml-Chef Putin ein einjähriges Importverbot für EU-Lebensmittel.Was sind die Folgen für unseren Fleischmarkt? Wo sind alternative Abnehmer?