Klimaschutz spart Geld und ist gut für das Image. Die ersten Schlachtunternehmen sind dabei, CO2-Bilanzen für die Produktion von Schweinefleisch zu erstellen. Jeder Mensch setzt im Laufe seines Lebens eine bestimmte Menge CO2 frei – etwa durch Nutzung von Heizung, Verpackung, Klimaanlagen, Wasser, Reisen und den Konsum von Lebensmitteln. Die individuelle Freisetzung nennt man CO2-Fußabdruck. Jeder deutsche Haushalt erzeugt laut einer Statistik des Energiekonzerns Deutsche BP aus dem Jahr 2006 rund 13 t CO2 pro Jahr. Wer übermäßig heizt und viel per Flugzeug unterwegs ist, liegt beim CO2-Rechner schnell über dem Schnitt. Kohlendioxid (CO2) ist neben Methan und Lachgas am Treibhauseffekt beteiligt. Etwa 20 % der emittierten Treibhausgase entfallen auf die dem Nahrungsmittelsektor zugrunde liegende Wertschöpfungskette. Im Rahmen der Diskussionen um mögliche Verringerungen der Emissionen werden immer wieder Forderungen nach verstärkten Verbraucherinformationen erhoben. Der Kun- de soll vergleichen und mit seiner Kaufentscheidung etwas für den Umweltschutz tun können, so die Befürworter. Umweltschutz ist „in“ Auf diesen Zug springt der eine oder andere aus dem Lebensmitteleinzelhan-del: So hat die Handelskette Tengelmann die Klimabilanz eines Hühnereis nach- rechnen lassen: Ein Sechserpack Bioeier von Frei- landhennen belastet die Atmosphäre demnach mit fast 1,2 kg CO2. Tchibo gibt die Klimabelastung für eine Tasse Kaffee mit 50 bis 101 g CO2 an, je nachdem, wie stark der Kaffee gebrannt ist. Das Unternehmen Rewe hat kürzlich angekündigt, man werde CO2-Fußabdrücke für Fisch-, Milch- und Fleischprodukte erstellen. Die Ökobilanz werde künftig in der Ge- schäftsbeziehung zwischen Han- und Hersteller eine wichtige- re Rolle spielen als bisher. In Großbritannien ist man schon etwas weiter. So verkauft die dort an- sässige Supermarktkette Tesco ihr Konsummilchsortiment bereits mit Angaben zum Klimagas-Ausstoß auf den Verpackungen. Weitere 500 Pro- dukte sollen folgen. Auch in Schweden pla nen mehrere Lebens- mittelanbieter Produkte in den Handel zu bringen, die mit einer speziellen Klimaschutzmar ke gekennzeichnet sind. Es sollen ausschließlich Produkte gelabelt werden, bei deren Produktion, Verpackung und Distribution mindestens 25 % weniger klimaschädliche Gase anfallen als bei herkömmlichen Erzeugnissen. Klimaschutz ist im Trend, und auch Betriebe der Fleischverarbeitung schauen heute genauer hin, wenn es um den CO2-Ausstoß geht. Einige fürchten, dass Umweltschutzgruppen mit dem Argument der globalen Erwärmung gegen den Fleischverzehr mobil machen könnten. Sie suchen nach Argumenten, um sich gegen übertriebene Vorwürfe zur Wehr zu setzen. Zudem kann Klimaschutz helfen, betriebliche Kosten einzusparen und ist obendrein gut für das Image. Doch gerade im Fleischsektor ist die Berechnung des CO2-Fußabdruckes nicht einfach. Denn es gibt keine genormten Berechnungsvorlagen. Nur eine dänische Studie aus dem Jahr 2007 dient als Referenzwert: Sie führt 0,17 kg CO2 je kg Fleisch für den Bereich „Schlachthof“ an. Die Hauptbelastung falle in der Aufzuchtphase vor der Schlachtung an. Rund zwei Drittel oder 2,4 kg CO2 je kg Fleisch mache allein die Futtermittelkomponente aus, schreibt die Lebensmittel Zeitung. Fleischverarbeiter bereiten sich vor Als nach eigenen Angaben erstes deutsches fleischverarbeitendes Unternehmen hat TönniesFleisch eine CO2-Bilanz für den Standort Rheda-Wiedenbrück erstellt, welche die Emissionen der Produktion sowie des Verkehrs auf dem Betriebsgelände berücksichtigt – die vor- und nachgelagerten Betriebe allerdings ausgenommen. Weil Schlacht- und Zerlegebetriebe Fleisch unterschiedlich weiterverarbeiten, wurde der Stammsitz für die CO2-Bilanz zuerst in verschiedene Produktionsbereiche aufgeteilt. Es wurden Bilanzgrenzen definiert und die Energiever-bräuche wurden für die Bereiche Zer-legung Schwein und Sau, Schlachtung und Kuttelei, SB-Fleisch, SB-Convenience und Rindfleischzerlegung ermittelt. Mit insgesamt rund 65 % der Gesamt-emission entstehen im Bereich Schlachtung (rund 23 %) und Zerlegung (rund 42 %) die mit Abstand höchsten Emissionen. TönniesFleisch hat einen Wert von 0,075 kg CO2 je kg Fleisch ermittelt. „Ein Grund für den vergleichsweise niedrigen, spezifischen Emissionswert liegt darin, dass wir durch unsere Produktionsweise mit hohen Durchsätzen energieintensives Hoch- und Runterfahren der Anlagen weitestgehend vermeiden können“, so Geschäftsführer Josef Tillmann in einer Pressemitteilung. Die höchsten spezifischen Werte fallen mit 0,258 kg CO2 je kg Fleisch in der Convenience-Produktion an. Hier wirken sich der hohe Veredelungsgrad der Produkte, bzw. das Erhitzen, spätere Herunterkühlen und abschließende Tiefkühlen spürbar in der Energiebilanz aus. Gesamte Kette berücksichtigen Auch die Westfleisch-Unternehmensgruppe errechnet derzeit eine CO2-Bilanzierung, allerdings für die gesamte Wertschöpfungskette einschließlich Futtermittelproduktion und Mast bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel. Im Frühjahr 2010 ist die Veröffentlichung erster Zahlen geplant. Westfleisch legt dafür einen Bestferkel-Erzeugerbetrieb mit 200 Sauen zugrunde. Dieser liefert Schlachtschweine, die Futter aus eigener Erzeugung erhalten, an Westfleischbetriebe, die daraus SB-Frischfleisch herstellen. Anhand von Leistungsdaten der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen wird der CO2-Fußabdruck berechnet. So lässt sich zusammen mit Transport und Schlachtung/Zerlegung ein CO2-Wert pro kg Fleisch ermitteln, der theoretisch auf der Endverbraucherpackung stehen könnte. Das ist aber noch nicht geplant. „Auch wenn es noch keine konkreten Anfragen gibt, werden wir in naher Zukunft damit zu tun haben“, wagt Hubert Kelliger, Vertriebsleiter und Verantwortlicher bei Westfleisch für die Nachhaltigkeitsstrategie, eine Prognose. „Der Druck der Klimaschützer auf den Handel wird stärker, und der LEH benötigt dann Argumente von seinen Lieferanten. Darauf sollten wir vorbereitet sein.“ Zudem sollte man den Ist-Zustand kennen, um an einzelnen Schrauben drehen und prüfen zu können, wie sich das auf die Klimabilanz auswirkt. Dieses Projekt ist Bestandteil der „Qualitätspartnerschaft Westfleisch“, die jährlich von einem Prüfinstitut kontrolliert wird und neben dem CO2-Fußabdruck u. a. auch Punkte wie Umwelt- und Tierschutz umfasst. Ernährungsbranche gegen Kennzeichungspflicht Im Sinne des Klima- und Umweltschutzes wird man also in der gesamten Wertschöpfungskette alle relevanten Stellschrauben betätigen müssen, um den Ausstoß schädlicher Klimagase zu verringern. Das heißt, dass von der landwirtschaftlichen Rohstofferzeugung über die industrielle Veredelung bis hin zum Verbraucher geschaut werden muss, wo noch Schwachstellen sind. Schweineproduzenten sind aufgefordert, insbesondere Futter und Energie noch effizienter einzusetzen. Firmen, die den Klimaschutz im Betrieb vorantreiben, bzw. Ketten, die sich in diesem Punkt Vorteile erarbeitet haben, müssen Gelegenheit haben, dies zu kommunizieren. Gegen eine Kennzeichnung ihrer Produkte auf freiwilliger Basis ist nichts einzuwenden. Eine verbindliche CO2-Kennzeichnung auf Lebensmitteln wird allerdings vehement von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V. (BVE) abgelehnt. Zur Begründung werden drei Argumente herausgestellt. Zunächst verweist die Interessensvertretung in einer Presseerklärung darauf hin, dass derzeit keine standardisierten Methoden zur Verfügung stehen, um die Treibhausgase mit angemessenem Aufwand zu ermitteln. Zweitens sei der CO2-Ausstoß nur ein Teilaspekt bei der ökologischen Beurteilung von Nahrungsmitteln. Andere umweltrelevante Faktoren müssten ebenfalls berücksichtigt werden. Und drittens sei es ein Problem, alle relevanten Informationen auf die begrenzte Fläche auf den jeweiligen Verkaufspackungen zu drucken. Zumal von einer Überfrachtung mit Verbraucher-informationen abzuraten ist. Fazit Nachhaltigkeit ist eines der zentralen Themen der Zukunft. Diskussionen um den so genannten CO2-Fußabdruck sind voll im Gange, auch in der Lebensmittelbranche. Mit im Boot ist die Fleisch verarbeitende Industrie, die sich aktuell darauf vorbereitet, den CO2-Ausstoß künftig auszuweisen. Eine generelle Kennzeichnungspflicht der Lebensmittel ist derzeit nicht geplant. Das Ausweisen des CO2-Ausstoßes soll zunächst auf freiwilliger Basis erfolgen. Muss ein Fleischverarbeiter seinen CO2-Ausstoß senken, weil zum Beispiel der Lebensmitteleinzelhandel klima-freundliche Produkte zur Einkaufsbedingung macht, wird wohl die gesamte Kette in die Pflicht genommen. Das wiederum hätte Konsequenzen für Landwirte und Futtermittelunternehmen. Insbesondere wäre in diesem Falle auf eine gute Futterverwertung sowie auf einen noch effizienteren Energieeinsatz zu achten.