Eine Befragung unter Mästern zeigt, dass ein Tierschutz-Label nicht grundsätzlich abgelehnt wird. Den Erfolg eines solchen Labels schätzen viele Praktiker jedoch eher pessimistisch ein. Die Diskussion um Tierschutz bzw. Tierwohl hat die deutsche Fleischbranche erreicht. Verschiedene Schlacht- und Verarbeitungsunternehmen denken über Investitionen in diesem Segment nach. Es wird in Erwägung gezogen, ein Tierschutz-Label für Schweinefleisch und Wurstwaren zu etablieren. Dem Verbraucher soll vermittelt werden, dass im Rahmen eines solchen Programmes im besonderen Maße auf das Tierwohl geachtet wurde. Damit ein Tierschutz-Label erfolgreich umgesetzt werden kann, müssen entsprechende Betriebe gefunden werden, die in ein derartiges Programm einsteigen wollen. Um das aktuelle Stimmungsbild in der Produktionsstufe zu erfassen, hat die Universität Göttingen mit Unterstützung des Marktforschungsunternehmens „Produkt und Markt“ im vergangenen Jahr eine Online-Befragung durchgeführt. Insgesamt wurden 160 Schweinemäster einbezogen. Diese hielten im Schnitt 1 362 Mastschweine. Was ist tiergerecht? Zunächst sollten die Landwirte beschreiben, was sie unter tiergerechter Schweinehaltung verstehen. Mit großer Übereinstimmung nannten sie Aspekte, die unter den Stichworten Haltungs-system, Management und Tiergesundheit zusammengefasst werden können (siehe Übersicht 1). Eher selten wurden hingegen Aspekte genannt, die dem Tierverhalten eine Bedeutung für das Wohlergehen der Schweine beimessen. Nur ein Landwirt betonte die Wichtigkeit der Sozialkontakte innerhalb der Gruppe, während ein anderer das Verhindern von Verhaltensstörungen als wichtig für die Tiergerechtheit eines Produktionssystems empfindet. In diesem Zusammenhang wurden auch der „Wohlfühlfaktor“ und eine stressarme Haltung erwähnt. Insgesamt zeichnete sich klar ab, dass die meisten Landwirte ein technisch-funktionales Verständnis von Tierwohl haben und die Tiergesundheit bzw. die biologische Leistung als Indikator für eine optimale, tiergerechte Haltung sehen. Aus Sicht der neueren wissenschaftlichen Forschung ist das Verständnis der Landwirte damit zu einseitig: Bei der Bewertung des Tierwohls müssen neben den unbestritten wichtigen so genannten umweltbezogenen Indikatoren wie Haltungseinrichtung und Management, die direkten, tierbezogenen Merkmale im Vordergrund stehen. Dazu gehören die Tiergesundheit und insbesondere das Tierverhalten. Zweifel am Markterfolg Im weiteren Verlauf der Befragung sollten die Landwirte über die mögliche Teilnahme an einem besonders tiergerechten Produktionssystem nachdenken. Das Ziel: Durch ein größeres Platzangebot und mehr Liegekomfort sollen die Tiere wichtige Verhaltensmuster besser ausleben können. Einige Landwirte konnten sich zwar vorstellen, die Schweinehaltung in einem solchen System zu organisieren. Sie schätzten jedoch den Markterfolg des Produktionssystems eher pessimistisch ein. So gingen 52 % der Befragten von einem schlechten bis sehr schlechten Markterfolg aus. 44 % sahen einen mittleren und nur 4 % gingen von einem hohen Markterfolg aus. Viele sind nicht davon überzeugt, dass das System wirtschaftlich für ihren Betrieb ist. Denn sie gehen davon aus, dass die Konsumenten nicht bereit sind, mehr Geld für tiergerechtere Produkte auszugeben. Trotz dieser Skepsis lehnten aber nur 17 % der Landwirte eine Investition in das beschriebene Programm kategorisch ab. Immerhin konnten sich 12 % der Befragten vorstellen, an einem solchen Programm teilzunehmen (3 % „Ja, auf jeden Fall“; 9 % „Ja, eher schon“). Die Mehrheit der befragten Landwirte (71 %) war unentschlossen. So stimmten 42 % der Mäster mit „Nein, eher nicht“ und 29 % mit „Vielleicht“ ab. Derzeitiges System bereits tiergerecht? Die Teilnahme an einem Tierschutz-Label wurde hauptsächlich aus zweierlei Gründen abgelehnt: Einerseits befürchten die Landwirte, dass die zusätzlichen Kosten bei einer Umstellung nicht durch höhere Erlöse abgedeckt werden. Andererseits stuften sie ihr derzeitiges Produktionssystem bereits als tiergerecht ein. Weitere Gründe für das Ablehnen waren ein höherer Arbeitsaufwand und eine als übertrieben empfundene Diskussion um Tiergerechtheit. Einzelne Landwirte befürchteten einen zu hohen technischen Aufwand. Auch wurde argumentiert, dass derartige Produktionssysteme eher für kleine Betriebe geeignet sind oder dass gerade in den Ausbau des derzeitigen konventionellen Produktionssystems investiert worden ist (siehe Übersicht 2). Insgesamt fielen bei der Auswertung regionale Unterschiede auf. So waren süddeutsche Landwirte (Bayern, Baden-Württemberg) eher zu einer Teilnahme bereit als Landwirte im Norden (Schleswig-Holstein, Niedersachsen). Auch wurde die Umsetzbarkeit verschiedener Haltungsanforderungen unterschiedlich bewertet. Als leicht umsetzbar wurden Anforderungen wie ein größeres Platzangebot pro Tier sowie eine maximale Gruppengröße von 20 Schweinen beschrieben (siehe Übersicht 3). Einige Landwirte meinten, dass sie dies bereits heute schon umsetzen. Größere Bedenken hatten die Landwirte hingegen bei der Einrichtung eines Auslaufs, teilweise eingestreuter Buchten sowie eines Außenklimastalls. Auch die Strukturierung der Buchten in verschiedene Funktionsbereiche bewerteten die Landwirte als schwierig. Fazit Das Tierwohl-Verständnis der meisten Landwirte ist bisher auf technisch-funktionale Aspekte wie das Haltungssystem und die Tierleistung fokussiert. Dementsprechend ist die derzeitige Teilnahmebereitschaft an einem besonders tiergerechten Produktionssystem in Verbindung mit einem Tierschutz-Label eher gering. Allerdings lehnten nur 17 % der befragten Schweinemäster die Teilnahme an einem solchen System grundsätzlich ab. Die Mehrheit der Landwirte (71 %) war unentschlossen und könnte vom Erfolg eines ganzheitlichen „Tierwohl-Ansatzes“ noch überzeugt werden.