Nach 10 Jahren Wachstum gehen die Schlachtzahlen erstmals wieder zurück.Sind die Boomjahre vorbei? Was sind die Folgen für Ferkelerzeuger und MästerIn den letzten zehn Jahren erlebte die deutsche Schweineproduktion einen Boom. Der Selbstversorgungsgrad stieg seit 1996 von 77 % auf über 115 %. Und im letzten Jahr wurden fast 60 Mio. Schweine in Deutschland geschlachtet (siehe Übersicht 1). Nicht nur die Investitionsbereitschaft der Schweinehalter war groß. Auch die Schlachthöfe haben ihre Kapazitäten stark ausgebaut. Auf Basis florierender Exporte wurde Deutschland zur Drehscheibe für Schweinefleisch in Europa. Doch in den vergangenen Monaten gerät der Wachstumsmotor zunehmend ins Stocken. Und seit Beginn dieses Jahres scheint die bisherige Steigerung der Schlachtungen ein Ende zu finden. So liegen die wöchentlichen Schlachtzahlen im ersten Quartal 2012 deutlich unter der Millionengrenze. Hingegen wurde in den ersten Wochen des Jahres 2011 fast durchweg die Grenze von 1 Mio. Schlachtungen überschritten. Insgesamt kamen in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres über 700 000 Schweine weniger an den Haken (siehe Übersicht 2). Das ist ein Minus von etwa 4,4 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Vermutlich hält dieser Trend an. Das heißt: Auch im Gesamt-ergebnis kommen 2012 voraussichtlich deutlich weniger Schweine in Deutschland an den Haken. Der Rückgang der Schlachtzahlen ist auf mehrere Gründe zurückzuführen: Doch nicht nur in Deutschland ist ein Rückgang des Angebotes zu erkennen. Auch in anderen wichtigen EU-Ländern sinkt das Schlachtaufkommen spürbar. Im Durchschnitt der Länder Belgien, Niederlande, Frankreich, Dänemark und Deutschland gingen die Schlachtungen im ersten Quartal 2012 um 3,2 % im Vergleich zum ersten Quartal 2011 zurück. Diese Abnahme war abzusehen, wenn man die Sauenbestände in Europa betrachtet. Besonders deutlich ist der Bestandsabbau in Tschechien und Polen, wo 2011 gut 19 % bzw. 15 % weniger Sauen gezählt wurden als ein Jahr zuvor (siehe Übersicht 3 auf Seite 12). In Italien, Dänemark und Österreich ist ebenfalls ein starker Rückgang der Sauenzahlen zu verzeichnen. In Summe der EU-27-Länder ist eine Abstockung um mehr als eine halbe Million Sauen bzw. 3,5 % zu beziffern. Dass eine derartige Veränderung nicht ohne Folgen für die Schweinebranche bleibt, ist logisch. Für die Schweinehalter hängt kurzfristig viel von der Umsetzung der Gruppenhaltung ab. Während insbesondere die nordeuropäischen Länder relativ weit in der Umsetzung sind, befinden sich im Süden Europas noch mit Abstand die meisten Sauen während der Trächtigkeit in Einzelhaltung. Die Erfahrungen zeigen, dass nicht alle Länder die Umsetzung der Haltungsvorschriften rigoros durchsetzen. Verschiedene Studien kommen zum Ergebnis, dass die EU-Sauenbestände ab 2013 um 5 bis 10 % einbrechen. Ferkelerzeuger, die bereits die Anforderungen an 2013 erfüllen, können relativ gelassen in die nahe Zukunft blicken. Sollte die Sauenhaltung in Europa wirklich kurzfristig deutlich einbrechen, so dürften die Ferkelpreise eine Weile auf relativ hohem Niveau bleiben. Das Beispiel der Legehennenhaltung hat jedoch gezeigt, dass die Erwartung steigender Gewinne oft Aufstockungen bringt. Mittelfristig wird die Sauenhaltung daher vermutlich ein Geschäft mit engen Margen bleiben. Zumal ab einem gewissen Preisniveau die Einstallbereitschaft der Mäster nachlässt. Hinzu kommt: Die steigenden Anforderungen an die Haltungsbedingungen bzw. den Tierschutz heizen die Kosten weiter an. Für die Schweinemast gilt das gleiche. So lässt ab einem gewissen Preisniveau die Nachfrage der Schlachtunternehmen trotz der Bestrebungen zur Auslastung der Schlachthaken nach. Denn bei höheren Preisen nimmt die Wettbewerbsfähigkeit auf den Exportmärkten für Fleisch ab. Und auf den Inlandsmärkten schwindet die Verbrauchernachfrage.Auch in der Mast dürfte die Gewinnspanne für die meisten Betriebe daher weiter gering bleiben. Umso wichtiger ist es, die Ferkelerzeugung und Mast zu optimieren. Dabei geht es nicht um biologische Rekorde, sondern die Ökonomie. Ein gutes Beispiel ist die Vermarktung. Hier wird auf vielen Betrieben noch Geld verschenkt, weil sie zu wenig Sorgfalt auf die Sortierung der Schlachttiere legen. Neben der Erzeugerstufe steht auch die Schlachtbranche am Scheideweg. Wenige große Unternehmen setzen auf Expansion, während sich viele mittelständische Unternehmen in der Konsolidierungsphase befinden. Die unterschiedliche Unternehmensstrategie spiegelt sich auch in den regionalen Schlachtzahlen wider. Zu den Gewinnern zählt Nordrhein-Westfalen. Hier haben die Schlachtungen in den ersten vier Monaten des Jahres 2012 entgegen dem bundesweiten Trend sogar zugelegt. Die Steigerung ist vorwiegend auf Tönnies und Westfleisch zurückzuführen. Beide haben ihren Hauptsitz in NRW und wollen weiter wachsen. Klare Verlierer sind Niedersachsen und die neuen Bundesländer. Hier wurden im ersten Quartal 2012 jeweils rund 400 000 Schweine weniger geschlachtet als im Vorjahreszeitraum. Der Rückgang ist zu größeren Teilen Vion und DanishCrown zuzuschreiben. Beide sind in den betroffenen Regionen stark vertreten und setzen bereits seit 2011 auf Konsolidierung. Der extreme Rückgang der Schlachtzahlen in den neuen Bundesländern hat auch mit der Schließung des Gausepohl-Schlachthofes in Chemnitz zu tun. Hinzu kommt die Steigerung der Ausfuhr von lebenden Schweinen nach Polen. Der Strukturwandel in der Schlachtbranche hält also an. Absoluter Kostenführer ist Tönnies. Der Branchenprimus plant weitere Wachstumsschritte im In- und Ausland. So ist anzunehmen, dass Tönnies die übrigen Wettbewerber weiter abhängt. Das anstehende Kastrationsverbot schürt diese Befürchtung zusätzlich. Schließlich ist Tönnies eines der wenigen Unternehmen, das im großen Stil Eber schlachtet und die entsprechenden Mengen auch direkt verarbeiten kann. Bei den mittelständischen Unternehmen bereitet die Ebermast hingegen großes Kopfzerbrechen. Denn ihnen mangelt es an Abnehmern für Eberfleisch. Und nicht nur das: Auch in der Erzeugerstufe steckt die Jungebermast noch in den Kinderschuhen. Aufgrund rückläufiger Schlachtzahlen wird sich der Wettbewerb in der Schlachtbranche verschärfen. Branchenbeobachter rechnen mit weiteren strukturellen Änderungen in der Fleischbranche, aus denen die führenden Unternehmen erneut als Gewinner herausgehen. Die weitere Konzentration auf der Abnehmerseite stellt eine Gefahr für die Wirtschaftlichkeit der Schweinehaltung dar. Denn die Konzentration auf sehr wenige Schlachtunternehmen und Lebensmitteleinzelhändler führt zu einer deutlichen Abhängigkeit. Hierbei können die Großunternehmen die Standards für die Branche zunehmend allein festlegen, ohne dass die Landwirtschaft noch wesentlichen Einfluss ausüben kann. Nach einer langen Wachstumsphase gehen die Schlachtzahlen in Deutschland 2012 erstmals zurück. Ein vermindertes Angebot, geringere Einfuhren und mehr Lebend-Exporte sind die Gründe. Für die Schlachtunternehmen wird die Rohstoff-Beschaffung daher noch wichtiger. Dennoch bleiben die Gewinnmargen in der Mast vermutlich eng. Die Zukunft der hiesigen Schweinehalter hängt stark davon ab, wie strikt die Behörden in Europa die Umsetzung der Haltungsauflagen ab 2013 kontrollieren. Wichtig ist zudem die Strategie der Schlachthöfe: Setzen sie auf kurzfristige Gewinnmitnahmen oder die langfristige Rohstoff-Sicherung vor Ort. Rückgänge bei den Sauen Schlachtung sinkt EU-weit Gewinnmargen bleiben eng Schlachthöfe unter Druck Kastrationsverbot begünstigt die Großen Fazit Hauptgrund ist das verringerte Aufkommen aus deutschen Betrieben. Insbesondere die Ferkelerzeuger haben eine lange Durststrecke hinter sich. Die Viehzählungsergebnisse zeigten schon für 2011 einen um knapp 2 % verringerten Zuchtsauenbestand im Vergleich zu 2010. Dieses Jahr dürfte sich der Sauenbestand angesichts des bevorstehenden Verbots der Einzelhaltung tragender Sauen weiter verringern. Denn die Gruppenhaltung ist auch rund 200 Tage vor dem Verbot der Einzelhaltung noch längst nicht in jedem Betrieb umgesetzt. Eine weitere Ursache ist der Rückgang der Lebend-Importe. Aus Dänemark wurden in den ersten Monaten dieses Jahres 30 % weniger Tiere importiert als im Vorjahr. Die Importe umfassten zuletzt nur noch etwa 25 000 Schweine pro Monat. Auch die Niederländer verkaufen dieses Jahr weniger Schweine nach Deutschland. Das monatliche Minus liegt bei gut 20 000 Schweinen. Statt 260 000 werden aktuell nur noch 240 000 Tiere monatlich nach Deutschland ausgeführt. Auslöser ist u. a. die Schwächung unserer Schlachtschweinenotierung im EU-Vergleich. Sie macht Lebend-Exporte nach Deutschland weniger attraktiv. Der dritte Grund für den Rückgang der hiesigen Schlachtzahlen ist die Steigerung unserer Lebend-Exporte. Hauptabnehmer sind die Staaten in Osteuropa, insbesondere Polen. Mit über 50 000 Schweinen wurden z. B. im Februar 2012 etwa doppelt so viele Tiere in unser östliches Nachbarland geliefert wie im Monatsmittel des Jahres 2011. -Matthias Quaing, ISN – Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands-