Schulden zwangen den Holländer Jan Overeem, seinen 900er-Sauenbetrieb zu verkaufen. Er geht offen damit um und will künftig Berufskollegen in ähnlicher Lage unterstützen.
Unsere Entscheidung fiel im vergangenen Dezember. Da wurde mir und meiner Frau klar, dass der Betrieb nicht länger zu halten ist. Der über die Jahre gewachsene Schuldenberg war so groß, dass ein Weitermachen nicht möglich war. Seit dem Frühjahr ist unser Hof verkauft. Das hat viel Kraft gekostet! Jetzt schauen wir wieder nach vorne.
Kräftig investiert
Begonnen hat alles 2008, als wir den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft in der Schweinehaltung legen wollten. Unsere damalige Hofstätte mit 300 Sauen und 600 Mastschweinen bot dafür aber keine ausreichende Entwicklungsperspektive. Wir entschieden uns deshalb, rund zwei Kilometer entfernt einen neuen Betrieb mit 900 Sauen, 2800 Ferkelplätzen und 1900 Mastschweinen aufzubauen. Finanziert werden sollte der Standortwechsel zum Teil durch den Verkauf unseres alten Betriebsgeländes und Wohnhauses. Die Gemeinde zeigte Interesse, da dort nach Abriss der Altbauten ein neues Wohngebiet entstehen konnte.
Alles schien nach Plan zu verlaufen. Doch wenige Wochen vor Verhandlungsbeginn brach die weltweite Finanzkrise aus. Innerhalb kürzester Zeit verloren unser Grund und die vorhandenen Altgebäude massiv an Wert. Weil die Vorbereitungen für die Standortneugründung aber bereits weit fortgeschritten waren, gab es kein zurück mehr. Deshalb mussten wir schließlich einen Verkaufspreis akzeptieren, der deutlich unter dem von uns einkalkulierten Niveau lag.
So entstand in unseren Investitionsplanungen ein Finanzierungsloch von über 1 Mio. €. Ein teurer Zusatzkredit wurde nötig. Im Nachhinein wissen wir, dass diese finanzielle Zusatzbelastung nie zu stemmen war und uns die Aussicht auf eine wirtschaftliche Schweinehaltung nahm.
Hohe Produktionskosten
Die Veredlung in den Niederlanden zählt ohnehin zu den kostenintensivsten in Europa. Geprägt von regionalen Ballungszentren und flächenarmen Betrieben mit großen Tierbeständen gelten bei uns sehr strenge Umweltauflagen.
Deshalb wurden auch unsere neuen Schweineställe mit Abluftwäschern ausgerüstet, und die Gülle ging zum Großteil in die überbetriebliche Verwertung. Derartige Mehrkosten sind nur durch sehr gute Leistungen und auskömmliche Erlöse für Ferkel und Schlachtschweine aufzufangen.
Der Aufbau der Sauenherde verlief reibungslos und der Start war uns gelungen. Doch dann setzte ein dramatischer Preisverfall ein. Es gab kaum noch Phasen, wo der finanzielle, aber auch der psychische Druck nachließen. Als die Preise Anfang 2015 ein neues Tief erreichten, steckten wir bis zum Hals in den roten Zahlen. Da halfen auch über 31 abgesetzte Ferkel pro Sau und Jahr nicht weiter.
Offen gesprochen
Mit derselben Offenheit und Transparenz, mit der ich in den letzten Jahren zahlreiche Besuchergruppen auf meinem Hof empfangen habe, wollte ich nun dieser belastenden Situation begegnen. Ich informierte früh Familie, Freunde und Geschäftspartner über unsere Finanznot. Als feststand, dass wir den Betrieb aufgeben würden, kam das für unser Umfeld nicht überraschend. Die Unterstützung war sofort riesengroß. Auch von etlichen Berufskollegen wurde uns für diese Entscheidung viel Anerkennung und Verständnis entgegengebracht. Das gab uns die Kraft, diesen schmerzhaften Weg nun bis zum Ende zu gehen.
Es folgten sehr schwierige Verhandlungen mit der Bank. Denn der Verkauf der Ställe samt Tierbestand und Produktionsrechten konnte unsere angestauten Verbindlichkeiten nicht decken. Letztlich gewährte uns die Bank aber ein Finanzbudget, mit dem wir einige Kredite und ausstehende Lieferantenforderungen bedienen konnten. Da meine Frau und ich praktisch wieder bei Null anfangen müssen, hat uns die Bank bis auf Weiteres von der Tilgung unserer Restschuld entbunden. Ganz davon befreien will sie uns nicht. Das verhindert leider, dass wir mit dem Kapitel vollends abschließen können.
Erfahrungen teilen
Nachdem ich den neuen Eigentümer in die Ställe eingewiesen habe, gaben wir den Betrieb Mitte April offiziell ab. Ich mache niemandem einen Vorwurf, dass es soweit gekommen ist. Auch mir selbst nicht. Im Nachhinein hätte ich mir nur gewünscht, dass die Betriebsaufgabe früher eine Option gewesen wäre. Dann wären die Schulden und die psychische Belastung für mich und meine Frau nicht so groß geworden.
Darum möchte ich nach dieser aufreibenden Zeit noch ein wenig zur Ruhe kommen und später als Berater arbeiten. So hoffe ich, meine Erfahrungen an andere Landwirte weitergeben zu können, die ähnliche Probleme haben. Ich möchte das Thema Betriebsaufgabe aus der Tabu-Ecke holen. Denn da gehört es nicht hin.
Michael Werning, SUS