Für eine TV-Talkshow sucht der WDR noch eine Bäuerin mit Tierhaltung. Wäre das nicht etwas für Sie, Frau Selhorst?“ Mit dieser Frage meldete sich vor ein paar Wochen die Pressestelle des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands bei mir. Das Thema der Sendung: „Menschenrechte für Tiere“. Die Mitdiskutanten: eine Philosophin, ein Ethologe, ein Jäger und ein Pfarrer. Die Einschaltquote: über 120 000 Zu-schauer! Da musste ich erst mal schlucken. Ich ins Fernsehen? Als Vertreterin eines ganzen Berufsstands, der in den Medien nicht gerade immer fair und sachlich behandelt wird? Ein Wochenende lang habe ich überlegt und mit meiner Familie das Für und Wider diskutiert. Am Ende war für mich die Chance, die Landwirtschaft ins rechte Licht zu rücken, größer als die Bedenken. Also sagte ich zu. Eine Woche vor der eigentlichen Sendung rückte ein drei Mann starkes Fernsehteam auf unserem Hof an. Sie sollten einen kurzen Einspieler drehen, der meine Person vorstellt. Der Aufnahmeleiter sagte ganz offen, er habe den Auftrag erhalten, Massentierhaltung zu zeigen. Deshalb war ich froh, dass mein Mann Benedikt, während ich vor der Kamera stand und im Stall agierte, das Gespräch mit dem Aufnahmeleiter suchte und ihm unsere Arbeitsweise erklärte. Seine Argumente schienen auf fruchtbaren Boden zu fallen, denn im Laufe der sechs Stunden, die das Kamerateam auf unserem Hof war, merkten wir, wie sich die Einstellung des Redakteurs änderte. Das gab uns ein sichereres Gefühl. Denn den Einspieler bekamen wir vor der Sendung nicht zu sehen. Wir ließen uns lediglich vertraglich zusichern, dass die Aufnahmen in keinem anderen Zusammenhang verwendet werden dürfen. Bei einer Live-Aufzeichnung gilt: Gesagt ist gesagt! Was einmal geäußert wurde, kann später nicht zurückgenommen werden. Deshalb habe ich mich in den Tagen vor der Sendung intensiv vorbereitet. Fachinfos erhielt ich über die Verbände. Massentierhaltung, Platzangebot für Schweine und Antibiotika-Einsatz waren die Stichworte, die mir der Produktionsleiter vorab an die Hand gab. So hatte ich eine Orientierung, was mich erwartete. Trotzdem wollte ich auch für andere Fragen gewappnet sein. Deshalb informierte ich mich z. B. beim Bauernverband zum aktuellen Stand der Initiative Tierwohl. Zusätzlich hatte ich die Möglichkeit, mit einem professionellen Kommunikationstrainer die Interview-Situation durchzugehen. Dieser Coach kannte sich nicht nur mit Fernsehen aus, sondern hatte glücklicherweise auch eine Verbindung zur Landwirtschaft. Er hat mir viele wertvolle Tipps gegeben. Mir war zum Beispiel gar nicht so klar, dass während der Aufnahme fünf Kameras gleichzeitig laufen und man immer damit rechnen muss, ins Bild zu kommen – auch wenn man gar nicht spricht! Am Tag der Sendung war ich erstaunlich ruhig. Mein Lampenfieber hielt sich in Grenzen. Die Aufzeichnung fand im Foyer des WDR in Köln statt. Den Moderator und die Mitdiskutanten lernte ich kurz vor der Sendung kennen. Zuschauer gab es im Studio keine. Nach kurzem Abpudern in der Maske ging es los. Die ersten an mich gerichteten Fragen lauteten: „Sind Ihre Schweine glücklich, Frau Selhorst? Woran merken Sie das?“ Als Mutter von fünf Kindern konnte ich, so hoffe ich, glaubhaft machen, dass ein guter Beobachter merkt, wenn einem Wesen etwas fehlt – auch wenn dieses nicht sprechen kann. Im Grunde waren alle Fragen zwar kritisch, aber fair. So habe ich in meiner Redezeit viel von dem unterbringen können, was ich mir vorgenommen hatte. Natürlich hätte ich gerne noch mehr Themen angeschnitten, die mir am Herzen liegen, wie gesunde Ernährung. Aber die Zeit war begrenzt und das Themenfeld eng abgesteckt. Erst als die Sendung im Kasten war, hab ich gemerkt, wie anstrengend die Situation für mich war. Eineinhalb Stunden war ich höchst konzentriert. Ich habe nicht nur meine Worte im Kopf zurecht gelegt, sondern auch immer bedacht, wie gerade meine Mimik und Gestik wirken. Denn ich musste ja jederzeit damit rechnen, von einer Kamera eingefangen zu werden. Nach der Sendung haben mein Mann und ich mit Interesse die Zuschauer-Beiträge im WDR-Gästebuch und auf Facebook gelesen. Die große Resonanz hat mich überrascht. Dass es auch viele kritische, teilweise persönlich beleidigende Kommentare gab, will ich nicht verschweigen. Doch diese habe ich mir nicht zu Herzen genommen. Vielmehr habe ich mich über die zahlreichen positiven Reaktionen gefreut. Dass ich statt Statistiken zu bemühen vom täglichen Umgang mit den Tieren erzählt habe, kam gut an. Anerkennende Worte bekam ich auch außerhalb der Landwirtschaft. Ich erhielt sogar E-Mails von Leuten, die ich gar nicht kenne! Deshalb möchte ich alle überzeugten Schweinehalter ermutigen, solche Chancen wahrzunehmen! Sprechen Sie über unsere Arbeit und geben Sie der Schweinehaltung ein Gesicht! Auch wenn wir häufig in der Kritik stehen, haben wir doch auch positive Geschichten zu erzählen. Insbesondere Frauen gelingt es oft besonders gut, emotionale Themen einfühlsam zu vermitteln. Sind Sie für ein Interview im Radio oder im Fernsehen ausgewählt, können Sie auf die Unterstützung der Verbände zählen. Also seien Sie mutig! Protokoll: Mareike Schulte Filmteam im Stall Intensive Vorbereitung Fragen waren fair Große Resonanz im Netz Regina Selhorst möchte mit ihrem TV-Auftritt anderen Bäuerinnen und Bauern Mut machen. Sie hat SUS von ihrem „Abenteuer Fernsehen“ erzählt.