Die Bauern haben unfaire Berichterstattung satt. Mit seiner Gegenanzeige in der ZEIT brachte Rolf Nathaus nicht nur in den Sozialen Medien einen Stein ins Rollen.
Der Artikel in der ZEIT war nicht der erste, der mich ärgerte. Wenn es um den Antibiotika-Einsatz im Stall geht, werden häufig Tatsachen verdreht und Berichterstatter beziehen oft einseitig Stellung.
Doch was mich in diesem Fall wirklich wurmte, war, dass auch ein in meinen Augen seriöses Blatt so oberflächlich recherchiert. Die Sachverhalte waren einseitig dargestellt. Die Redakteure schoben die Verantwortung für die Entstehung multiresistenter Keime vorwiegend der Landwirtschaft und den Tierärzten in die Schuhe.
Wette verloren …
Aus dem Impuls „Das kann doch nicht sein!“ heraus kam ich dann auf die Idee mit der Wette. In Kürze: Ich wettete, dass es nicht gelänge, genug Landwirte und Tierärzte zu mobilisieren, die zusammen rund 33 000 € spenden, um in besagter Wochenzeitung auf einer großformatigen Anzeige ihrem Protest gegen diese Form des Journalismus Ausdruck zu verleihen.
Um die Aktion publik zu machen, gründete ich eine entsprechende Gruppe auf Facebook und schickte eine Pressemitteilung an die relevanten Fachmedien.
Natürlich hoffte ich, die Aktion würde erfolgreich sein. Aber welche weiten Kreise sie dann zog, war für mich zu Beginn absolut nicht abschätzbar. Das Presseecho war enorm. Und bei Facebook kletterte die Anzahl der Gruppenmitglieder innerhalb kürzester Zeit auf über 1 500 Follower.
Zum Glück tolerierten meine Kollegen in unserer Gemeinschaftspraxis, wenn ich zwanzigmal täglich zwischendurch E-Mails beantwortete oder Kommentare bei Facebook postete – von den Anrufen ganz zu schweigen.
Dabei habe ich drei Dinge gelernt:
- Die an den Diskussionen teilnehmenden Landwirte und Tierärzte lieben ihren Beruf. Und sie haben das tiefe Bedürfnis, ihrem Umfeld zu vermitteln, warum das so ist.
- Alle sind sich einig, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Landwirtschaft neue Wege beschreiten muss. Sie sind bereit, ihren Beitrag dazu zu leisten, erwarten aber auch von ihrem Verband noch mehr Initiative – zum Beispiel in den Sozialen Medien.
- Wenn eine Aktion zur Imagepflege spontan und zeitlich begrenzt, attraktiv und transparent ist, sind die Landwirte auch bereit, dafür ihre Portemonnaies aufzumachen. Als die Deadline näherrückte und das Geld noch nicht zusammen war, spendeten manche Leute ein zweites oder drittes Mal. Das hat mich sehr berührt.
So habe ich die Wette – zum Glück – verloren. Denn insgesamt 1 837 Leute haben zusammen genau 36 272,65 € auf das Spendenkonto überwiesen.
… neue Kontakte gewonnen
Nach Erscheinen unserer Anzeige und dem damit verbundenen Hochgefühl gab es plötzlich viele Fragezeichen in der Gruppe: Wie sollte es jetzt weitergehen? Oder war jetzt alles vorbei?
Doch bei der Kompetenz, die die Mitglieder bündeln, war mir schon früh klar, dass es weitergehen muss! Die Gruppe vereint Schweinehalter, Nebenerwerbs-Landwirte, Tierärzte, Milcherzeuger, Journalisten, Agrarstudenten und Azubis. Die meisten bringen schon Erfahrung im Bereich Öffentlichkeitsarbeit mit oder betreiben diese sogar professionell. Sei es als Agrarblogger oder klassisch durch die Schulklasse auf dem Hof. Daher sollte dieses wertvolle Netzwerk unbedingt erhalten bleiben. Es wäre zu schade, wenn das Erreichte wieder verpuffte und die Gruppendynamik verloren ginge.
Kompetenzen bündeln
Mir ist es ein Anliegen, das Potenzial dieses Netzwerks konstruktiv zu nutzen. Eine Idee ist, eine neue Internetpräsenz zu gründen, die die vielen guten teils privat, teils öffentlich be-triebenen Agrar-Homepages zur Verbraucheraufklärung bündelt. Eventuell könnte man dazu die Verbände ins Boot holen. Mir wäre aber wichtig, dass die vorhandenen Angebote dabei wie gehabt ganz frei in der Hand ihrer Macher blieben.
Ziel muss es sein, selbst aktiv Themen zu setzen. Das müssen solche sein, die die Öffentlichkeit überraschen. Ich könnte mir vorstellen, dass das z. B. beim Thema Antibiotika-Monitoring gelingen kann.
Oft ist eine Diskussion schon halb gelaufen, bevor der Berufsstand eine offizielle Erklärung dazu abgibt. Die Einstellung „Besser keine schlafenden Hunde wecken“ bringt uns nicht weiter. Wir kennen die wunden Punkte der Schweinehaltung am besten. Wenn wir es schaffen, uns früher zu schwierigen Themen zu positionieren, sind wir unseren Kritikern einen Schritt voraus.
Deshalb werden wir auch die Sozialen Netzwerke weiterhin aktiv bespielen. Beim Austausch mit Kritikern sollten wir nicht den Fehler begehen, sofort eine Verteidigungshaltung einzunehmen und Diskussionen zu schnell abbrechen zu lassen, weil sich Positionen scheinbar nicht vereinen lassen.
Stattdessen sollten wir immer fair bleiben und mit kritischen, aber diskussionswilligen Personen im Gespräch bleiben. Im Netz kann sich daran jeder ohne Aufwand beteiligen.