Thomas Tillig hat seine Nische gefunden. Auf der Basis einer Edelschwein-Herde züchtet er Jungsauen für Sauenbetriebe in verschiedenen Bundesländern.
Der Dreiseitenhof von Familie Tillig aus Ebersbach (Sachsen) ist fein herausgeputzt. Alle Dächer sind neu und die Fassaden renoviert. Das, was schon immer Stall war, ist jetzt ein großes Abferkelabteil mit 25 Plätzen. Dort, wo früher die Scheune war, ist jetzt der Deck- und Wartebereich. Das 1818 erbaute, später ererbte und heute denkmalgeschütze Bauernhaus im Fachwerkstil ist original erhalten und in fünfter Generation in Familienbesitz.
Durchdachte Produktion
„Selbst vor der Wende haben wir unter der Regie der LPG bei uns Schweine gehalten. Nach dem Mauerfall hat mein Vater eine kleine Ferkelproduktion aufgebaut“, erzählt Thomas Tillig (51). Zu der Zeit war Tillig noch bei dem Nachfolgebetrieb der LPG vor Ort als Chef der Ferkelproduktion tätig. „Ich habe dann im Jahr 2000 den Job aufgegeben, um mit rund 100 Sauen in den Haupterwerb einzusteigen. Dazu mussten wir die Ställe an der Hofstelle im Ort umbauen sowie einen Aufzuchtstall im Außenbereich neu errichten“, so der Diplom-Agraringenieur.
Dabei wurden folgende Punkte umgesetzt:
- Der Betrieb sollte optimal mechanisiert sein. Dazu gehören u. a. Vollspaltenboden in allen Produktionsbereichen sowie die automatische Futtervorlage.
- Mit Umzäunung, Verladerampe, Schleusen etc. wurden die baulichen Voraussetzungen für ein strenges Hygieneprotokoll geschaffen.
- Mit dem Absetzen verlassen die Ferkel die Hofstelle. Die getrennte Ferkel- und Jungsauenaufzucht im 1 km entfernt gelegenen Stall ist ein großes Plus.
- Die Abteilgrößen wurden an 25er-Sauengruppen angepasst. Seit 2002 arbeitet Tillig mit drei Sauengruppen im Sieben-Wochen-Takt (siehe Kasten, Seite 54).
- Um höhere Margen je Verkaufstier erzielen zu können, entschied sich Tillig für die Jungsauenproduktion. Von 2004 bis 2013 gehörte Tillig dem Zuchtverband MSZV an. Seit dem letzten Jahr ist er Mitglied in der EGZH Bayern als Jungsauen- und Eberproduzent.
- Der Schweinezüchter setzte auf die Rasse Edelschwein. Die Tilligsche Herde ist mittlerweile eine der wenigen verbliebenen Edelschwein-Basiszuchten in Deutschland. Die mittlere Wurfleistung liegt bei 13,6 lebend geborenen Ferkeln.
- Die Gülle wird am Hof in einem versenkten Behälter gelagert. Die Lagerkapazitäten am Aufzuchtstall reichen für neun Monate. Dafür gab es damals Zuschüsse vom Land.
Eigener Chef
Thomas Tillig kommentiert die damalige Entscheidung so: „Wir wollten die Wirtschaftsgebäude sinnvoll nutzen und haben uns für den Ausbau der Schweinehaltung entschieden.“ Heute ist Thomas Tillig sein eigener Chef, führt die Tradition fort. Zudem kann er sich intensiv seinem Steckenpferd Zucht widmen.
„Jeder braucht aber auch Freiräume, die wir uns schaffen mussten“, erzählt er weiter. Beispielsweise möchten er und seine Frau, die außerhalb der Landwirtschaft im Angestelltenverhältnis tätig ist, nicht auf ihren Jahresurlaub verzichten. Dieser kann aufgrund des Mehrwochen-Rhythmus’ bequem zwischen zwei Abferkelgruppen eingeplant werden.
In der Zeit springt sein Nachbar ein, der als Teilzeitkraft eingestellt ist. „Diese Konstellation ist viel wert, da wir Arbeitsspitzen zu bewältigen haben und ich als Züchter einige Tage im Jahr unterwegs bin“, erklärt Tillig.
Um nicht nur vom Verkauf der Schweine abhängig zu sein, hat der Betrieb in neue Energien investiert. So betreibt Tillig eine Photovoltaik-Anlage auf den Dachflächen des Altgebäudes. Die zum Betrieb gehörenden 37 ha landwirtschaftliche Nutzfläche werden jedoch von einem ortsansässigen Pflanzenbaubetrieb beackert.
Zum Betrieb gehört auch eine Pension. Die Gäste fühlen sich in dem alten Bauernhaus wohl und können vom Treppenhaus aus durch eine Scheibe direkt in den Abferkelstall blicken.
Trumpfkarte Tiergesundheit
Auch wenn es zusätzliche Einnahmequellen gibt, ist der Jungsauenverkauf das wichtigste Standbein. Voraussetzung hierfür ist ein hoher Gesundheitsstatus. Die Sauenherde ist sowohl PRRS- als auch Mykoplasmen-frei. Hinzu kommt die Räudefreiheit sowie eine R. a.-Unverdächtigkeit. Im Rahmen eines Projektes wurde auch auf MRSA hin untersucht. Die Ergebnisse waren negativ. Die Überwachung des Gesundheitsstatus erfolgt durch den Schweinegesundheitsdienst.
Beim Gesundheitsstatus kommt Tillig entgegen, dass in der näheren Umgebung nur wenige Schweinebetriebe gibt. Der nächste größere Betrieb liegt 5 km Luftlinie entfernt. Doch auch der Sieben-Wochenrhythmus sowie die Trennung der Ferkelproduktion von der -aufzucht bieten hygienische Vorteile. Der Altersabstand der Ferkel unterschiedlicher Gruppen ist so groß, dass sich auch aus diesem Grund ein Zurücksetzen verbietet.
Wichtig dabei ist, dass die Transporte zwischen den Standorten mit eigenen Fahrzeugen erledigt sowie alle Hygieneregeln eingehalten werden. Sehr oft macht Tillig bei Projekten und Programmen mit, die von der sächsischen Tierseuchenkasse initiiert und finanziell unterstützt werden.
Flexibel auf Kunden zugehen
Neben der Absicherung des hohen Gesundheitsstatus sieht Tillig in seiner Flexibilität einen großen Vorteil. So liefert er die Jungsauen selbst aus, was beiden Seiten Vorteile bietet. „Reklamationen gibt es so gut wie keine, da wir im Vorfeld viele Dinge abklären“, betont der Jungsauenproduzent, der sieben Ferkelerzeugerbetriebe in verschiedenen Bundesländern beliefert.
Auch züchterisch kann Tillig Akzente setzen, wobei ihm ausgewogene Zuchtziele wichtig sind. Einerseits sollen es fruchtbare Sauen mit gutem Gesäuge und möglichst 15 bis 16 Zitzen sein. Andererseits müssen diese gruppentauglich und pflegeleicht sein. Aber auch die Mast- und Schlachtleistungen müssen stimmen. „Zu meiner Kundschaft gehören Kombibetriebe, die selbst die Masttiere vermarkten“, argumentiert der Züchter.
Das i-Tüpfelchen ist der Verkauf von Besamungsebern. „Die Eberaufzucht frisst sehr viel Zeit und der Absatz ist nicht gesichert. Auf der anderen Seite ist es immer auch ein Aushängeschild, wenn es gelingt, die Besamungsstationen zu beliefern“, betont Tillig. Zudem konnte der Züchter in den letzten Jahren einige Jungeber der Rasse Edelschwein auch im Ausland absetzen.
Vernetzung ausbauen
Unterm Strich geht die Rechnung auf und Tillig sieht sich mit seinem Konzept bestätigt. Allerdings merkt er auch, dass der Wind immer rauher wird. „Gerade als kleinerer Betrieb braucht man soziale Netzwerke − im Dorf und tief in die Branche hinein“, erklärt der Züchter.
Tillig ist die Akzeptanz der Leute vor Ort wichtig. Da er sich ehrenamtlich z. B. im Heimatverein engagiert und langjähriges Mitglied im Ortschaftsrat ist, ergeben sich zahlreiche Gelegenheiten, über Landwirtschaft und Schweinehaltung zu informieren. Dabei geht es weniger um fachliche Details, sondern mehr um persönliche Einordnungen. „Die Bewohner sollen wissen, was wir tun“, unterstreicht der Züchter.
Ein Netzwerk von Zuchtberatern, Betriebswirtschaftlern und Tierärzten braucht der Betriebsleiter, um seine Produktion weiterzuentwickeln. „Der enge Draht zu den Behörden, Verbänden und Kundenbetrieben hat mir schon so manche neue Tür geöffnet. Dies vermittle ich auch meinem Sohn, der in der landwirtschaftlichen Ausbildung ist und die Zeit nutzt, verschiedene Betriebe und Konzepte kennenzulernen“, so Tillig. Noch ist nicht entschieden, ob der Sohn eines Tages auf den Betrieb zurückkehrt und die Tradition fortsetzt.
Konzept weiter verfeinern
In den Gesprächen mit den Beratern ist auch die Idee geboren, künftig die Sauenherde im fünfwöchigen Takt zu führen. Bei dem Fünfwochen-Absetzrhythmus besteht die Sauenherde aus vier Produktionsgruppen. Abferkelungen finden dreimal hintereinander im Abstand von fünf Wochen und dann einmal im Abstand von sechs Wochen statt. Daraus ergeben sich insgesamt 21 Produktionswochen. Die übliche Säugezeit von 28 Tagen kann beibehalten werden. Dies hätte den Vorteil, dass Tillig die Kundenbetriebe individueller beliefern kann. Zudem könnte er so die Produktion etwas ausdehnen. Allerdings müssten die Borgferkel wegen begrenzter Aufzuchtplätze bereits mit 8 bis 10 kg und nicht wie bisher mit 30 kg verkauft werden.
Mit der Umstellung auf den neuen Produktionsrhythmus will Tillig auch die Option „Initiative Tierwohl“ prüfen. Diese kommt für die Sauenhaltung des Betriebes infrage. In der Ferkelaufzucht sind die Chancen nicht sehr groß. Zudem wäre Tillig auch mit der Jungsauenaufzucht weitestgehend außen vor. Denn rund 80 % der aufgezogenen Jungsauen werden an die Ferkelerzeugerstufe weitergegeben und gehen nicht zum Schlachten.
Fazit
Thomas Tillig hat mit 100 Sauen eine Nische gefunden. Er nutzt die vorhandenen Altgebäude und produziert Jungsauen auf der Basis einer Edelschwein-Herde.
Die Produktion basiert auf einem durchdachten Hygiene- und Managementkonzept. Dabei spielt der Sieben- bzw. der Fünfwochen-Rhythmus eine entscheidende Rolle.
Die Stärken des Betriebes sind die Vernetzung, die Flexibilität und der Service. Eine Photovoltaik-Anlage sowie der Pensionsbetrieb sind zusätzliche Einnahmequellen.