Auf dem Familienbetrieb Hein werden die Geburten intensiv betreut und die schwächsten Ferkel aus den Würfen mit Milch zugefüttert. Der Lohn sind höhere Absetzgewichte und eine problemlose Ferkelaufzucht und Mast. Wir haben schon immer großen Wert darauf gelegt, möglichst viele lebend geborene Ferkel aufzuziehen. Seitdem wir im Abferkelstall extra Milch über eine spezielle Tasse zufüttern, sind die Saugferkelverluste nochmals um 3 % gesunken“, freut sich Annegret Hein (41) aus Weikersheim-Neubronn in Baden-Württemberg. Die gelernte Kinderkrankenschwester unterstützt ihren Mann Waldemar Hein (43) vor allem im Abferkelstall. Zusammen führen sie einen 160-ha-Betrieb mit 280 Sauen plus Ferkelaufzucht und 1 100 Mastplätzen. Unterstützt werden sie dabei von den Eltern und ein bis zwei Auszubildenden. Mit 23,3 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr und 836 g Tageszunahmen in der Mast liegt der Betrieb im oberen Drittel der Auswertungen des Beratungsdienstes in Baden-Württemberg. Extra-Milch für die Ferkel Auf dem Betrieb Hein ferkeln alle zwei Wochen rund 28 Sauen der Genetik BWHybrid und Hülsenberger ZS ab. Das Ziel ist, nach dreiwöchiger Säugedauer 300 Ferkel pro Sauengruppe abzusetzen. Doch das ist leichter gesagt als getan. „Wir beobachten immer wieder, dass zwei, drei Tage nach der Geburt einzelne Ferkel in den Würfen schwächer werden und verhungern würden, wenn wir nicht rechtzeitig eingreifen. Bislang waren wir auf keine überzeugende Lösung gestoßen, dies zu verhindern“, beschreibt Annegret Hein das Problem. Als vor einigen Monaten ein Händler dem Betrieb einen Beutel Milchpulver, einen Drencher und kleine Milchtassen anbot, war die Verantwortliche im Abferkelstall zunächst skeptisch. Denn bisher hatte sie mit diversen Milchpulvern überwiegend schlechte Erfahrungen gemacht. Doch die Skepsis wich, als sie sah, wie gern die schwächeren Ferkel die Ersatzmilch aufnehmen. Zudem ist die Milch offensichtlich bekömmlich und führt nicht zu Durchfall. Das Set mit Milchpulver, Tassen und Trinkflasche ist Teil eines in den USA entwickelten automatischen Tränkesystems. Die so genannte Supp-Le-Milk, die zu 80 % aus Süßmolkepulver besteht und mit 120 g je Liter Wasser angerührt wird, dient als Startpilot für die Kleinsten in den Würfen. Ziel ist, dass auch sie kräftig genug sind, das Gesäuge zu massieren und so die Milchproduktion anzuregen. Meist sind es die Ferkel an den hinteren, milcharmen Zitzen, die nicht satt werden und ihren Restbedarf am Milchtrog decken müssen. „Manchmal stecken aber auch kräftige Ferkel die Nase in die Tasse, die eine Zusatzversorgung eigentlich gar nicht nötig hätten. Doch lang nicht alle Ferkel eines Wurfes saufen aus den Cups“, hat Annegret Hein beobachtet. Um sie auf den Geschmack zu bringen, wird den zwei bis vier kleinsten Ferkeln eines Wurfes die Milchmischung eingeflößt. Das erste Mal wenige Stunden nach der Geburt. Dies wird zweimal wiederholt, um ganz sicherzugehen, dass die Ferkel anschließend die Tassen auch annehmen. Zur Wiedererkennung markiert Annegret Hein die Ferkel mit einem Farbstift. Mit dem zweiten Drenchen wird dann die Tasse mit Kabelbinder im Bodenrost neben dem Ferkelnest verankert. Über zehn Tage setzt Annegret Hein im Wechsel mit den Lehrlingen dreimal täglich heißes Wasser auf, rührt die Milch frisch an und füllt die Tassen auf. Bereits am zweiten oder dritten Tag wechselt sie von der Tasse auf kleine Trogschalen, die die Ferkel gut erreichen können. Mehraufwand lohnt Wie bei allen Verfahren mit leicht verderblichen Futtermitteln läuft auch hier ohne konsequente Hygiene nichts! Die Cups müssen vor jedem Neubefüllen ordentlich ausgespült und, bevor eine neue Sau eingestallt wird, mit Essig und Wasser gründlich gereinigt werden. Für Reinigung sowie Zubereitung und Verabreichen der Milch benötigt Annegret Hein in den ersten Tagen nach den Abferkelungen rund eine Stunde pro Tag. „Der Zeitaufwand ist nicht zu unterschätzen“, gibt Annegret Hein zu. Doch heute schafft es der Betrieb, deutlich mehr Ferkel mit unter 1 000 g Geburtsgewicht am Leben zu erhalten und die Absetzgewichte dieser kleinen Ferkel um ca. 0,5 kg zu erhöhen. Und ihr Mann, Landwirtschaftsmeister und ehemaliger stellvertretender Vorsitzender des Beratungsdienstes, rechnet vor: „Bei 3 % weniger Saugferkelverlusten, die sich momentan abzeichnen, ziehen wir ca. 0,7 Ferkel pro Sau und Jahr mehr auf – und das, obwohl wir in baulich ungünstigen Ställen arbeiten. Dieser schnelle Erfolg hat uns von dem System absolut überzeugt.“ Ein weiterer Vorteil des Supp-Le-Milk-Systems: Man muss die Ferkel nicht aus den Würfen nehmen und man braucht keinen zusätzlichen Platz für z. B. eine künstliche Amme. Auch das späte Umsetzen von einzelnen Ferkeln wird heute deutlich weniger praktiziert, was hygienische Vorteile hat. Bei einem Verbrauch von 60 g pro Ferkel und einem Preis von 2,90 € pro kg Milchpulver kommt der Betrieb auf Kosten von 2 € pro Wurf. Trotz der relativ hohen Arbeitsbelastung kommt für Waldemar und Annegret Hein eine Investition in den zur Anlage gehörigen Anmischautomaten derzeit nicht infrage. Dazu ist die bauliche Situation zu ungünstig. Bei einem Stallneubau allerdings könnten sie sich schon vorstellen, die automatische Tränketechnik einzuplanen. Systematische Geburtsvorbereitung Die Versorgung der schwächeren Ferkel mit Ersatzmilch ist aber nur ein Mosaikstein. Oberstes Ziel im Abferkelstall ist für Annegret Hein, dass die Ferkel optimal mit Biestmilch versorgt werden. Um dies zu erreichen, sorgt sie einerseits für schnelle, reibungslose Geburten, damit die Ferkel direkt nach der Geburt vital sind. Andererseits schafft der Betrieb über ein lückenloses Impfprogramm und Maßnahmen zur MMA-Vorsorge günstige Voraussetzungen, dass Sau und Ferkel nach der Geburt gesund bleiben. Welche Maßnahmen dazu gehören, hat Annegret Hein niedergeschrieben. Als gelernte Krankenschwester kennt sie das systematische Vorgehen und das Abarbeiten vorgegebener Arbeitsschritte. Auch helfen die Anweisungen bei der Einarbeitung der Auszubildenden. Zur Geburtsvorbereitung werden unter anderem folgende Punkte berücksichtigt: Zwei Wochen vor dem Abferkeln werden die Sauen prophylaktisch gegen E. Coli und Clostridien geimpft. Zudem erhalten sie 10 ml eines Eisenpräparates. Die umgestallten Sauen werden im desinfizierten Abferkelbereich mit speziellem Schaum gewaschen. Abschließend wird der feuchte Boden mit Trockendesinfektionspulver eingestreut, um ein Ausrutschen der Sauen zu vermeiden. Vor der Geburt füttert Annegret Hein die Sauen mit 1 bis 1,5 kg Säugefutter und zweimal täglich morgens und abends 250 g Vorbereitungsfutter aus Leinsamen. Mit dem Schlauch gibt sie reichlich Wasser direkt in den Trog. Beim zweimal täglichen Ausmisten der Bucht kontrolliert die Landwirtin den Kot. Ist dieser sehr hart, kann Glaubersalz gegeben werden. Auch ein Laufenlassen der Tiere bringt die Verdauung unter Umständen wieder in Schwung. Um während der Geburt selbst keine Zeit zu verlieren, wird schon zeitig mit der Vorbereitung begonnen. Annegret Hein hängt ein bis zwei Rotlichtlampen in die Bucht, um diese vorzuwärmen. Zudem überprüft sie, ob das Ferkelnest warm genug ist. Hinter der Sau ausgelegte Hanfmatten sollen sowohl das Auskühlen der Ferkel durch den Güllekanal verhindern als auch zur Hygiene beitragen. Zum Schluss werden noch alle Utensilien wie Trockendesinfektionsmittel, Handschuhe und Papiertücher bereitgelegt, damit bei Bedarf schnell eingegriffen werden kann. Nächtliche Geburtenwache Während der Abferkelphase sind auch nächtliche Kontrollen im Stall für die Betriebsleiter selbstverständlich. Die Neugeborenen werden mit Zewa-Tüchern abgetrocknet und mit dem Trockendesinfektionsmittel eingepudert. Auch wird nach der Geburt des ersten Ferkels bei Bedarf 1 ml Oxytocin verabreicht. Danach sollte alle Viertelstunde mindestens ein Ferkel geboren werden. Stockt die Geburt, gilt es einzugreifen, aber nur mit Einweghandschuhen und viel Gleitgel! Je nach Situation kann auch die Verabreichung eines Entkrampfungsmittels oder eines Calcium-Präparates helfen, um die Kontraktionsbereitschaft der Gebärmutter zu erhöhen. „Manchmal hilft es auch, die Sau aufzutreiben, damit sie Harn lässt. Denn eine gefüllte Blase könnte den Geburtsweg verlagert haben“, weiß Annegret Hein. Bei anhaltend schwerer Geburt wird mit entsprechender Medikation reagiert. Nach der Geburt stehen die Neugeborenen im Fokus, doch auch die Fürsorge um das Muttertier geht weiter. „Unsere Sauen werden zunächst mit einem Joghurtbecher Traubenzucker, etwas Vorbereitungsfutter und einer halben Schaufel Abferkelschrot versorgt. Dazu bieten wir viel Wasser an. So kommt die Sau schnell wieder auf die Beine!“, so die Betriebsleiterin. Sollte die Sau nicht fressen, wird sie zunächst aufgetrieben und kontrolliert. Daran schließt sich das in diesen Fällen obligatorische Fiebermessen an. Gute Erfahrungen hat der Betrieb zudem mit der Verabreichung von Prostaglandin ca. 24 Stunden nach der Geburt gemacht. Das Prostaglandin beschleunigt die Rückbildung der Gebärmutter. „Das ist mir bei drei Wochen Säugezeit sicherer und trägt dazu bei, dass wir in puncto Umrauschrate bei moderaten 10 % liegen“, ist Annegret Hein von dieser Maßnahme überzeugt. Ferkel fürs Absetzen fit machen „Gerade bei der kürzeren Säugezeit kommt es auf möglichst hohe und gleichmäßige Absetzgewichte an. Denn mit dem Absetzen kommt der Wachstumsknick, den man aber abmildern kann“, fährt Waldemar Hein fort. So erreichen die Ferkel in den ersten drei Wochen nach dem Absetzen im Schnitt 270 g Tageszunahme, wie die beiden Auszubildenden des Betriebes kürzlich feststellten, als sie aus eigenem Interesse bei 200 Ferkeln die Gewichtsentwicklung erfassten. „Um Absetzdurchfall zu vermeiden, ist in jedem Fall die langsame und fließende Umstellung der Futter entscheidend. Damit sich die Ferkel daran gewöhnen, muss die Aufnahme festen Futters mit dem Prestarter rechtzeitig erfolgen“, empfiehlt Fütterungsexperte Joachim Mack vom Beratungsdienst in Öhringen, der den Betrieb betreut. Um das Verdauungssystem für diese Zeit fit zu machen, füttert der Betrieb Hein bereits ab dem sechsten oder siebten Säugetag zu. Dazu Annegret Hein: „Wir bieten zunächst mehligen Prestarter an. Je nachdem, wie sich der Wurf entwickelt hat, füge ich auch Wasser hinzu. Denn die breiige Konsistenz ist den Ferkeln meist lieber. Ab und zu nehmen wir auch Cola, damit es süßlich schmeckt!“ Ab dem 14. Tag verschneiden die Landwirte den mehligen Prestarter über mehrere Tage mit einem gekörnten Prestarter, welcher bis zum Absetzen am 21. Tag gefüttert wird. Zur Aufzucht und Mast werden die Ferkel in neue Ställe gebracht, die ca. einen Kilometer von der Hofstelle entfernt liegen. Dort erhalten die Ferkel ein krümeliges Starterfutter am Rondomat. Erst wenn jedes Ferkel ca. 2 kg davon gefressen hat, wird langsam Ferkelaufzuchtfutter I untergemischt. Dies ist ab dem sechsten oder achten Tag nach dem Absetzen der Fall. Der Übergang zum Ferkelaufzuchtfutter II verläuft ebenfalls fließend, nämlich ab dem 16. bis 20. Tag nach dem Absetzen. „Wir füttern den Prestarter 14 Tage lang durch. Nach unserer Erfahrung rechnet sich der relativ hohe Futteraufwand, weil die kleineren Ferkel dann besser mitkommen und nicht im Wachstum stehen bleiben“, versichert Waldemar Hein. „Schließlich ist nicht nur der Prestarter, sondern auch das Ferkelaufzuchtfutter I teuer. Im Aufzuchtabschnitt von 6 bis 30 kg Lebendmasse kommen wir auf Futterkosten von 13,65 € pro Ferkel. Zudem zeigen uns die Mast- und Schlachtleistungen, dass die Fütterungsstrategie bei den Ferkeln passt“, betont der Landwirt. Fazit Familie Hein investiert sehr viel Zeit in die Geburtsüberwachung und die Versorgung der Ferkel. Unter anderem werden die schwächeren Tiere aus den Würfen mit Ersatzmilch zugefüttert. Der Lohn sind geringere Saugferkelverluste und gleichmäßigere Würfe beim Absetzen. „Wenn man den Saugferkeln zu einem guten Start verhilft, ist die anschließende Ferkelaufzucht und Mast weniger arbeitsintensiv, so dass unterm Strich nicht mehr Arbeit anfallen muss!“, zieht Annegret Hein ein positives Fazit.