Schweinehalter Gerald Deetman hat ein klares Ziel: Er will Fleisch produzieren, welches Verbraucher gerne und mit gutem Gefühl kaufen. „Der wichtigste Punkt dabei ist für mich der weitestgehende Verzicht auf Antibiotika“, erklärt der 46-jährige Niederländer. Unterstützt von seiner Schwester Evelien Deetman führt er im holländischen Putten (Gelderland) einen Betrieb mit 400 Sauen plus Aufzucht und Mast. Seit zwei Jahren hat er keine Gruppenbehandlung mehr durchgeführt. Um dies zu schaffen, hat Gerald Deetman in den letzten Jahren viel an seiner Produktionstechnik gefeilt. Wichtigster Partner dabei war sein Tierarzt Gerard van Eijden, mit dem er einen Betreuungsvertrag hat. Das heißt, der Landwirt bezahlt einen Festbetrag pro Monat und darf ihn dafür so oft anrufen und in den Stall bestellen, wie er will. Für eine Top-Gesundheit achtet Deetman zunächst darauf, dass keine Erreger oder Krankheiten eingeschleppt werden. Weil er Eigenremontierer ist, kommen außer dem Ebersperma von außen keine Tiere in den Betrieb. Auch betriebsfremde Personen sollen möglichst nicht in den Stall. Deshalb hat Gerald Deetman den vor eineinhalb Jahren eingeweihten Maststall so angelegt, dass die reparaturanfälligen Teile, wie der Fütterungs- und der Lüftungscomputer, in einem separat von außen zugänglichen Technikraum untergebracht sind. „Alles, was sich im Stall befindet, möchte ich selbst reparieren können“, erläutert Deetman. Bei der täglichen Arbeit strukturiert der Schweinehalter die Abläufe so, dass er jeden Weg möglichst nur einmal ablaufen muss. Ziel ist, die Gefahr zu minimieren, Keime aus einem Abteil ins andere zu tragen. Dafür erstellt er sich für jeden Tag einen Aufgabenplan, den er konsequent in der geplanten Reihenfolge abarbeitet. Diesen hängt er am Stalleingang auf. „So vergesse ich nichts! Denn es wäre sehr ärgerlich, neu einduschen zu müssen, weil mir einfällt, dass im Ferkelstall noch etwas zu erledigen ist“, erklärt der Praktiker. Die Aufgabenblätter hebt er auf und passt sie entsprechend mit neuen Aufgaben an. „Falls ich mir eine Woche Urlaub nehme oder einmal krankheitsbedingt ausfallen sollte, ist für jeden nachvollziehbar, wie und nach welchem Muster ich die Sachen erledige, um die größtmögliche Hygiene einzuhalten“, kommentiert der Landwirt. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang auch das Farben-System für die Arbeitsutensilien in den verschiedenen Stallbereichen. Besen, Kehrblech und Treibebrett sowie Overalls und Stiefel sind im Abferkelstall blau, bei den Absetzferkeln rot, bei den älteren Läufern gelb und bei den Mastschweinen grün. „Abgesetzte Ferkel sind der empfindlichste Bereich des Betriebes!“, betont der Schweineprofi. Er bemüht sich, diesen Stallbereich nur ein- bis zweimal am Tag zu betreten. Muss er in eine Bucht steigen, tritt er zuvor mit den Stiefeln einmal in eine kleine Desinfektionswanne mit feuchter Schwammeinlage, die er für den Kontrollgang mit einer Kette am Overall befestigt immer bei sich trägt. Bei allen Arbeiten im Stall trägt Deetman Einmal-Handschuhe aus dem medizinischen Bereich. Das gilt selbstverständlich auch für die Geburtenüberwachung, für die sich in erster Linie seine Schwester verantwortlich zeichnet. Alle zehn Tage ferkeln 24 Sauen ab, denn der Betrieb arbeitet im 10-Tage-Rhythmus mit vierwöchiger Säugezeit. „Das ist recht ungewöhnlich, hat aber den Vorteil, dass wir die Abferkelbuchten besser ausnutzen als beim Drei-Wochen-Rhythmus, durch kleinere Gruppen die Geburten intensiver überwachen können und gleichzeitig einen Zeitpuffer im Deckzentrum schaffen. Damit sich die Sauen vor der Geburt gut einstimmen und ihr Nestbauverhalten ausleben können, gibt Deetman jedem Tier einen Jutesack. Während oder direkt nach der Geburt knotet Deetman diesen hinten am Ferkelnest fest. Auf diese Weise sollen die Neugeborenen schneller den Weg dorthin finden. In den ersten drei Tagen nach der Geburt trennt Deetmans Schwester Evelien in allen Würfen die größeren Ferkel dreimal täglich eine Stunde ab, damit auch die kleineren ungestört Biestmilch aufnehmen können. „In den ersten drei bis vier Lebenstagen sollen sich die Ferkel voll und ganz auf die Milchaufnahme konzentrieren“, betont Deetman die Wichtigkeit der Maßnahme. Deshalb verzichtet der Betrieb auf jegliche Eingriffe am Tier. Das heißt, die männlichen Ferkel werden nicht kastriert. Es gibt keine Eiseninjektion, stattdessen wird das Eisen den Ferkeln als Pulver für die orale Aufnahme angeboten. Auch die Ohrenmarken ziehen Deetmans den Tieren frühestens am fünften oder sechsten Tag nach der Geburt ein. Um dann möglichst nicht in die Bucht steigen zu müssen, setzen die Praktiker einen Greifer ein, um sich die Ferkel zu holen. Außerdem werden die Ferkel gar nicht geimpft, weder gegen Circo noch gegen Mykoplasmen. Der einzige Impfschutz kommt über die Sauen in den Bestand. Diese impft Deetman gegen Parvo-Rotlauf, Influenza und PRRSV. Auf einen Wurfausgleich verzichtet der Schweineprofi weitestgehend. Denn für ihn gilt der Grundsatz: Würfe nicht mischen! Allerdings setzt er Ammensauen ein. Für diese wählt er bevorzugt Sauen im dritten Wurf mit einer sehr guten Milchleistung aus. Diesen setzt er dann die schwächeren Ferkel aus bis zu sieben Würfen einer Wochengruppe an. „Doch diese Ferkel bleiben Zeit ihres Lebens Risikoferkel. Deshalb stalle ich sie im Flatdeck separat auf. Mit etwa 23 kg transportiere ich sie dann von diesem Standort weg, um sie in einem meiner beiden Pachtställe in Putten zu mästen“, erklärt der Landwirt. Jede Ferkelgruppe wird nach dem Absetzen aus zwei Würfen zusammengesetzt. Das sind 24 Ferkel pro Bucht. Kommt diese Zahl durch Ferkelverluste oder Ähnliches nicht hin, würden andere Betriebe die Lücken mit anderen Ferkeln auffüllen. Das ist für Deetman tabu. Beim Einstallen ins Flatdeck sorgt er dafür, dass die Ferkel auf jeden Fall sofort etwas zu Fressen und zu Saufen finden, indem er zusätzliche Trogschalen mit Futter und Wasser in die Bucht stellt. Die Trogform und das Futter sind den Tieren schon bekannt. Und auch der vertraute Jutesack aus der Abferkelbucht begleitet die Ferkel in „ihre erste eigene Wohnung“. Was noch recht ungewöhnlich ist, ist der Umstand, dass Deetman die Ferkel einmal mehr umtreibt als üblich. So kommen die Ferkel nach dem Absetzen zunächst in Buchten mit 0,4 m2 Platz pro Ferkel. Vier Wochen später treibt er sie in ein anderes Abteil, wo jedem Tier 0,5 m2 Platz zur Verfügung steht. Dort bleiben sie drei Wochen lang. Mit rund 30 kg Lebendgewicht wechseln die Schweine dann in den Maststall mit einem Platzangebot von 1 m2 pro Tier. Bei jedem Ortswechsel begleitet die Tiere ihre Ferkelkarte, die Deetman für jeden Wurf angelegt hat und auf der er alle wichtigen Ereignisse notiert. In Zukunft möchte er sogar einen Schritt weitergehen und alle Schweine mit RFID-Ohrmarken zur Einzeltiererkennung ausstatten. Beim Bau des Maststalles in 2013 hat Gerald Deetman versucht, möglichst allen natürlichen Bedürfnissen der Schweine gerecht zu werden. Die einzelnen 24er-Buchten weisen 60 % geschlossene Fläche und 40 % Roste auf. Dabei sind die einzelnen Funktionsbereiche deutlich getrennt. Vorne am Kontrollgang sind die Tröge. Daneben, jedoch getrennt durch eine Trennwand, befindet sich der Liegebereich. Im hinteren Teil der Bucht ist der Kot- und Aktivitätsbereich mit verschiedenen Spielzeugen. „Weil der Weg vom Futter zum Wasser und zum Koten den Liegebereich nicht kreuzt, können die Schweine ungestört ruhen“, erklärt Deetman. Im Sinne einer hohen Atemwegsgesundheit war ihm auch viel Luftvolumen für die Schweine wichtig, sodass die Abteildecke dem Stalldach entspricht. Die Zuluft kommt unterflur in den Stall. Den natürlichen Tag- und Nacht-Rhythmus erfahren die Tiere durch die Fensterflächen aus Milchglas im Dach. Das Tier-Fressplatz-Verhältnis beträgt 6 : 1. Allerdings ist zwischen den zwei Trockenfuttertrögen noch ein weiterer Trog für die Raufuttergabe angebracht, den Deetman täglich von Hand mit Maissilage füllt. Den Mais nehmen die Tiere gerne an. So verbraucht er im gesamten Betrieb für alle Tiere zusammen rund 4 500 kg Mais pro Monat. Zur Beschäftigung setzt Deetman verschiedene Materialien und Objekte ein. Neben Maissilage im Trog, Spelzen als leichte Einstreu auf den Liegeflächen sowie Holz- und Gummiblöcken an Ketten, testet er aktuell ein neues Spielzeug: eine Art gezahnten Kunststoffring, den es in verschiedenen Farben und Geschmacksrichtungen gibt. Männliche und weibliche Schweine bleiben bis zum Mastende zusammen. „Weil die Tiere Geschwister sind und genug Platz und Beschäftigung haben, tritt das ruppige Verhalten der Jungeber bei mir kaum auf“, berichtet Deetman. Er sieht in der gemischten Aufstallung auch einen weiteren Vorteil: „Die Sauen animieren die Eber zum Fressen.“ Dank hoher Zunahmen von 890 g sind die Tiere schon wieder aus dem Stall, bevor die Geschlechtsreife einsetzt. Und höhere Verluste kann der Landwirt auch nicht beklagen. Im Gegenteil: Diese liegen vom Absetzen bis zum Mastende bei 0,5 %. Weil er die Punkte Ebermast, 25 % mehr Platz und zusätzliches Beschäftigungsmaterial erfüllt, kann Deetman am sogenannten Beter-Leven-Programm teilnehmen. Dabei erhält er für jedes abgelieferte Schwein einen kleinen Bonus je kg Schlachtgewicht ausbezahlt. Doch dieser Bonus ist Gerald Deetman zu wenig für die extra Leistungen, die er erbringt, um hochgesunde Schweine zu erzeugen. Deshalb ist er in die Direktvermarktung eingestiegen. Unter dem Namen Vallei Varken vertreibt er das Fleisch seiner Tiere über einzelne regionale Schlachter sowie über seine eigene Internetseite im Online-Handel. Der Holländer Gerald Deetman hat sich die Produktion hochgesunder Schweine ohne Medikamente und Antibiotika auf die Fahnen geschrieben. Um dies zu erreichen, hält er konsequent alle Hygienemaßnahmen ein und versucht, in jeglicher Hinsicht Stress für die Saugferkel zu vermeiden, indem er auf etliche Routine-Eingriffe verzichtet. In der Ferkelaufzucht und Mast gilt: Die Würfe bleiben zusammen. Zudem profitieren die Tiere von mehr Stallgrundfläche, viel Luftvolumen und einem hohen Buchtenkomfort. Eiserne Hygiene Ferkel vier Tage nicht stören Risikowürfe separat händeln Mast: Viel Platz und Luft Fazit -Mareike Schulte, SUS- Gerald Deetman will Schweine ohne Antibiotika produzieren. Voraussetzungen dafür sind eine eiserne Hygiene, optimale Biestmilchversorgung sowie luftige und helle Ställe.