Portugal bildet bei der Umstellung auf die Gruppenhaltung das Schlusslicht. Laut offizieller Zahlen der Europäischen Kommission stehen in über 40 % der Betriebe die Sauen noch in Einzelhaltung. Die Betriebe, die schon umgestellt haben, wählten oft die einfachste und kostengünstigste Lösung: Sie flexten die hintere Hälfte der Kastenstände ab, um das erforderliche Mindestplatzangebot pro Sau zu erreichen, und richteten Kleingruppen ein. Für Farmmanager Carlos Vitorino Filipe war die Billig-Variante keine Option. Stattdessen steht er voll hinter dem Einstieg in die Haltung an Abrufstationen. „Freilaufende Sauen brauchen Platz, um einander ausweichen zu können. Und nicht zuletzt ist die tierindividuelle Fütterung für uns auch in der Gruppenhaltung ein Muss!“, so Filipe. Für eine einflussreiche portugiesische Unternehmer-Familie, die insgesamt 4 000 Sauen im geschlossenen System auf sieben Standorten besitzt, managt er unter anderem einen Betrieb in São Lourenço de Mamporcão, etwa 170 km östlich von Lissabon. Bei der Betreuung der 640 Sauen plus Aufzucht wird der 36-jährige Agraringenieur von vier Mitarbeitern unterstützt. In São Lourenço fand die Umstellung auf Gruppenhaltung bereits vor fünf Jahren statt. Als Wartestall wird ein Einraum-Abteil mit einschaligen Betonwänden und natürlicher Lüftung genutzt, in dem die tragenden Sauen in einer dynamischen Großgruppe gehalten werden. Im vorderen Teil befindet sich der Aktivitätsbereich mit Spaltenboden. Für je 70 Sauen steht eine Schauer-Abrufstation zur Verfügung. Einfache, brusthohe Betoninnenwände trennen den großzügigen Liegebereich ab. Auch die planbefestigten Liegekojen sind aus Beton. Für die Jungsauen gibt es einen gesonderten Bereich mit einer Dummy-Abrufstation zum Anlernen. Vor den Fenstern des Wartestalles schützen einfache Rollos vor direkter Sonneneinstrahlung. Die produzierte Gülle wird in offenen Güllelagunen gelagert. Die Beschreibung macht deutlich: Bei den Baukosten stehen Portugal und Spanien im europäischen Vergleich sehr gut da. „Unsere Achillesferse sind die Futterkosten!“, erklärt Carlos Filipe. Als einer von wenigen Betrieben kann São Lourenço zumindest etwa ein Drittel seines Getreidebedarfs aus eigenem Anbau decken. Andere Betriebe sind zu 100 % auf den Zukauf von Futter angewiesen, welches oft teuer importiert werden muss. Den Futterverbrauch der Sauen stets im Überblick zu behalten, ist deshalb besonders wichtig für Filipe. Die Fütterung an der Abrufstation hilft ihm dabei. Das Tragefutter wird trocken und portionsweise ausdosiert. Dabei ist die Dosiergeschwindigkeit dem Fresstempo der Tiere angepasst. So bleiben keine Futterreste im Trog, und jede Sau bekommt genau die für sie bestimmte Ration. Der Fütterungscomputer orientiert sich dabei an einer von vier Futterkurven. Wenn eine Sau nicht die komplette Futtermenge abgerufen oder die Station den ganzen Tag überhaupt noch nicht besucht hat, wird dies im Futterprotokoll vermerkt. Dieses drucken sich die Mitarbeiter jeden Morgen gegen 11 Uhr aus. Mit der Liste mit den Ohrmarkennummern machen sie sich dann auf die Suche nach den entsprechenden Tieren. Schließlich kann das Nicht-Fressen ein Hinweis auf lahme oder kranke Sauen sein. Doch pro Tag sind es in der Regel maximal vier Tiere, die von Hand zur Station getrieben werden müssen. „Die Sauen in der Gruppe zu finden, ist am einfachsten, wenn alle Tiere ruhen. Deshalb fangen wir ganz bewusst um 2 Uhr nachts mit der Futterzeit an. Denn dann schlafen 90 % der Sauen den Vormittag über“, berichtet Filipe. Dass die Sauen so viel ruhen, hängt auch mit dem Futter zusammen. Es ist mit 9 % Rohfaser sehr strukturreich und hält die Tiere lange satt. Zur Ruhe im Wartestall trägt auch der Grundriss des Stalles bei. Damit die Sauen von der Betriebsamkeit im Fressbereich möglichst nicht gestört werden, ist der Liegebereich deutlich vom Fressbereich getrennt. „Zunächst hatten wir mehr Stichgänge vom Liegebereich zum Aktivitätsbereich vorgesehen, um die Laufwege für die Sauen zu den Futterstationen und Tränken möglichst kurz zu halten. Doch dies hat sich nicht bewährt, weil zu viel Tierverkehr die ganze Gruppe unruhig gemacht hat“, ist der Praktiker überzeugt. Zur Unterstützung des Schlafverhaltens ist nachts nur die Beleuchtung im Fressbereich eingeschaltet. In den Liegebereich scheint gerade so viel Licht, dass die Sauen sich orientieren können. Hier haben sie ausreichend Platz, um sich ihren Wunsch-Schlafplatz auszusuchen oder auch mal zu wechseln, wenn ihnen der Rüssel der Nachbarin nicht gefällt. Auch der Eingangsbereich der Futterstationen ist großzügig gestaltet. Breite Gänge sorgen dafür, dass auch rangniedere Tiere sich auf dem Weg zum Fressen sicher fühlen, weil sie Buchtengenossinnen jederzeit ausweichen können. Alle drei Wochen werden neue Tiere in die Gruppe integriert. Diese Arbeit erledigen Filipe und seine Kollegen ebenfalls am späten Vormittag, wenn die Sauen ihr Mittagsschläfchen halten. „Satte Schweine interessieren sich wenig für die Neuankömmlinge. Sie haben keinen Elan, einen Streit anzuzetteln. Und später tauchen die Neuen einfach in der Masse unter und werden nicht mehr erkannt“, ist sich Filipe sicher. Weil kaum Rangkämpfe auftreten, gibt es auch nur wenig Klauenverletzungen und Lahmheiten. Bei der Nachmittagskontrolle, wenn die Sauen aktiver sind, hält das Team um Agraringenieur Carlos Filipe die Augen besonders danach offen. Drei von vier Mitarbeitern sind ausgebildete Tierwirte. Um kein Risiko einzugehen, werden die Sauen allerdings erst in der fünften Woche nach dem Belegen in die Großgruppe integriert. Dann sind sie bereits zweimal auf Trächtigkeit untersucht worden und die kritische Phase der Einnistung der befruchteten Eizellen ist überstanden. Auch im Abferkelbereich dreht sich viel um Sicherheit. Zunächst muss sichergestellt sein, dass die Muttertiere genug Futter aufnehmen. Dazu werden die Sauen dreimal täglich gefüttert. „Auf diese Weise fällt uns sofort auf, wenn die Tiere Fressunlust zeigen, und wir können zeitnah eingreifen“, berichtet Filipe. Während die Sauen gefüttert werden, werden die Saugferkel in den ersten zwei Tagen, bei Würfen mit vielen kleinen Ferkeln sogar in den ersten drei Tagen, im Ferkelnest fixiert. So kann einerseits die Sau ungestört fressen. Andererseits vermeidet die Maßnahme Erdrückungsverluste. „Außerdem lernen die Ferkel dadurch, genau dort zu schlafen, wo es warm, trocken und sicher ist“, ist Filipe überzeugt. Ab dem fünften Tag wird den Ferkeln ein mehliger Prestarter angeboten. Das trainiert ihr Enzymsystem und entlastet die Muttertiere. „Bei vierwöchiger Säugezeit kommen unsere Sauen mit nur 39,8 kg Futter pro abgesetztem Ferkel aus. Damit gehören wir zu den Top Ten der Topigs-Betriebe in Portugal“, berichtet Filipe stolz. Pro Jahr verbraucht eine Sau in São Lourenço 10,9 dt Futter. Überzählige Ferkel werden an Ammensauen großgezogen. Als Leihmütter dienen die Sauen, die gerade im zweiten oder dritten Wurf sind. Vom Einsatz technischer Ammen hält der Farmmanager nicht viel: „Seien wir ehrlich: Sauen wissen immer noch am besten, wie man Ferkel aufzieht.“ Anders als in den meisten anderen Sauenbetrieben Portugals werden die Ferkel in São Lourenço auch kastriert. Denn das Schweinefleisch wird später größtenteils zu Wurstwaren verarbeitet und in direkter Beziehung von einer Supermarktkette in Polen abgenommen. Dafür, dass die Ferkel gut vorbereitet und fit ins Flatdeck kommen, sorgen unter anderem die Impfungen. Die Mitarbeiter behandeln die Ferkel gegen Circo und PRRS. Darüber hinaus wird die Gesundheit der Ferkel medikamentös sichergestellt. Wie weit weg die Portugiesen von den hiesigen Diskussionen um weniger Antibiotika-Einsatz entfernt sind, verrät ein Blick auf den Behandlungsplan oder in den gut gefüllten Medikamentenschrank. Nach gut vier Wochen Säugezeit werden die Ferkel mit einem Gewicht von 7,8 kg abgesetzt. Für die Aufzucht gibt es zwei Wege, die praktiziert werden. Die Würfe mit kleinen Ferkeln werden in Gruppen zu je 25 Ferkeln in gesonderten Aufzuchtabteilen aufgezogen. Alle anderen Ferkel kommen in einer von zwei Megabuchten für je 300 Ferkel unter. Trotz der erschwerten Tierkontrolle und der offensichtlichen gesundheitlichen Risiken bietet die Haltung in den Großgruppen auch Vorteile: Dafür, dass alle Ferkel gut am Fressen gehalten werden, sorgt auch das Konzept „Choice Feeding“. Darunter versteht man das Anbieten von zwei verschiedenen Futtersorten gleichzeitig. Nach dem Aufstallen wird den Ferkeln in den Trögen zunächst der trockene Prestarter angeboten, den sie schon aus der Abferkelbucht kennen. Zusätzlich stellen die Mitarbeiter Futterschalen auf, die sie mehr-mals täglich frisch mit einem noch hochwertigeren Prestarter mit mehr Milchbestandteilen befüllen. Dieser wird im Wechsel mit Warmwasser und Cola angerührt. „Zunächst geht es darum, dass kein Ferkel einen leeren Magen hat. Wir bieten zuerst eine große Anzahl von Futterstellen an, damit uns kein Ferkel durchs Netz geht“, erklärt Betriebsleiter Filipe. Nach und nach wird dann die Anzahl der Futterschalen reduziert. Die meisten Ferkel nutzen zunächst beide Futterquellen. „Der etwas andere Geschmack am anderen Trog ist ein zusätzlicher Anreiz, mehr Futter aufzunehmen“, hat Filipe beobachtet. Die Auswahl zwischen zwei Futtersorten bleibt auch jeweils bei den Übergängen von Prestarter auf Ferkelaufzuchtfutter I sowie dann hin zu Aufzuchtfutter II bestehen. Die Ferkel, die schon weiter in der Entwicklung sind, steigen früher auf das jeweilige Folgefutter um. Das spart Futterkosten. Gleichzeitig werden aber auch die kleinen Ferkel mitgenommen. „Durch das Choice Feeding konnten wir nicht nur die Futterkosten senken, sondern auch die Tageszunahmen um 40 g anheben. Dadurch liegen die Tiere mit ihren Leistungen fast auf dem Niveau der Kleingruppen“, sagt Filipe. Mit etwa 20 kg Lebendgewicht werden die Ferkel dann zur Mast auf einem der anderen Standorte aufgestallt. Diese erfolgt zweiphasig und in Kleingruppen. Hohe Futterkosten sind das Handicap der Schweineproduktion der Portugiesen. Sauenhalter Carlos Filipe steuert mit ausgefeilten Fütterungskonzepten dagegen. Tragende Sauen werden tierindividuell nach vier Futterkurven versorgt. Die rohfaserreiche Ration hält die Sauen lange satt. Säugende Sauen werden dreimal täglich gefüttert. In der Ferkelaufzucht setzt der Betrieb eine Wahlfütterung um. In puncto Leistung und Futterverbrauch je Tier gehört der Betrieb zur Spitzengruppe des Landes. Altbau mit viel Beton Abrufstation: Futterverbrauch im Blick Wartestall: Seelige Ruhe Intensive Säugezeit Megagruppe in der Aufzucht Freie Auswahl beim Futter Fazit Die Einteilung der Bucht in Funktionsbereiche ist gut zu realisieren. Dadurch gibt es insgesamt weniger Kotstellen und eine geringere Oberfläche der Bucht ist verdreckt, was die Luftqualität im Stall verbessert. Es gibt weniger Auseinandersetzungen und Rangkämpfe. Denn kleine Ferkel können „angriffslustigen“ Buchtengenossen ausweichen und in der Gruppe „untertauchen“. Auch kleine Ferkel nehmen mehr Futter auf. Denn die Futterstellen sind besser erreichbar. So ist quasi zu jeder Zeit auch für kleinere, schwächere Ferkel irgendwo ein Trog zugänglich, ohne dass sie Konkurrenten fürchten müssen. -Mareike Schulte, SUS- Kein Stress für Sauen und Ferkel! Nach diesem Motto hält der Portugiese Carlos Filipe seine Schweine. Größte Herausforderung sind die hohen Futterkosten.