Wer von der Dorfstraße in die Hofeinfahrt des Betriebes Niedringhaus einbiegt, vermutet kaum einen größeren Sauenbetrieb hinter der restaurierten Fachwerk-Fassade. In den Stallungen hinter dem alten Bauernhaus waren früher 250 Muttertiere und die dazugehörigen Aufzuchtferkel untergebracht. Heute werden dort 750 Topigs-20-Sauen gehalten. Neben dem Stammbetrieb mitten in einem Ortsteil von Petershagen im äußersten Nordosten Nordrhein-Westfalens hat die Familie einen zweiten Standort im Außenbereich erschlossen. Dieser liegt etwa 1 km vom Stammbetrieb entfernt. Dort hat Hofnachfolger Helge Niedringhaus (29) vor vier Jahren einen neuen Stall für 3 500 Aufzuchtferkel errichtet. Die Umbaumaßnahmen sowie die Investitionen in den neuen Stall wurden von langer Hand vorbereitet. Der Startschuss für die Planungsphase fiel quasi, als Helge Niedringhaus nach seinem Abitur signalisierte, dass er die Hofnachfolge antreten möchte. Nach einer landwirtschaftlichen Lehre und dem Studium an einer Fachhochschule stieg er 2010 in den elterlichen Betrieb ein. Zu diesem Zeitpunkt wurde gerade die Sauenherde aufgestockt. Helges Eltern Heinrich und Lisa Niedringhaus hatten zu der Zeit bereits einen Mitarbeiter fest eingestellt. „Uns war klar, dass wir weiter wachsen mussten. Zudem wollten wir den ständigen Wechsel von Saison- und Teilzeitkräften nicht mehr“, erklärt Heinrich Niedringhaus. So stieg vor mehr als zehn Jahren Vitaly Erbes als Mitarbeiter ein. Dieser wurde frühzeitig über die Aufstockungspläne informiert. „Wir wollten nicht, dass Vitaly denkt, dass sein Arbeitsplatz gefährdet ist, wenn unser Sohn nach dem Studium zurückkommt“, erklärt Lisa Niedringhaus. Mitten in der Bauphase, wurde dann der zweite und dritte Mitarbeiter eingestellt und das Team geformt. Heute hat jeder seinen eigenen Verantwortungsbereich. Während sich Betriebsleiter Helge Niedringhaus um die Ferkelaufzucht, Organisation und Büro- und Dokumentationstätigkeit kümmert, ist seine Mutter Lisa zusammen mit den Mitarbeitern Vitaly Spenst und Roland Wagner für den Abferkelbereich zuständig. Warte- und Deckstall sind das Reich von Vitaly Erbes. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Betriebs-KB mit der Spermaaufbereitung. Senior Niedringhaus engagiert sich in der Außenwirtschaft und übernimmt die Futterzubereitung sowie -logistik. Für ihn sind Vertretungsdienste im Stall kein Problem. „So bleibe ich weiterhin voll im Geschäft, habe aber als Pensionär meine Freiräume.“ „Es ist schön, kompetente Mitarbeiter zu haben, die mitdenken und die Ziele des Unternehmens als ihre eigenen sehen”, stellt Lisa Niedringhaus fest. Der Betrieb arbeitet im Einwochenrhythmus, um eine gleichmäßigere Verteilung aller anfallenden Arbeiten zu erreichen. Jede Sauengruppe umfasst 36, 37 Tiere. Beim Ferkelverkauf werden oft zwei Geburtswochen zusammengefasst, um 700 bis 900 Ferkel andienen zu können. Morgens um kurz vor sieben Uhr beginnt der Arbeitstag mit einer kurzen Besprechung. „Wir möchten, dass alle Mitarbeiter mit dem gleichen Informationsstand in den Tag starten. Wenn das Tagesprogramm vom gewohnten Arbeitsablauf abweicht, sprechen wir kurz über die Gründe“, erläutert Lisa Niedringhaus. Montags stehen Arbeiten wie das Besamen, die Ferkelbehandlungen und das Kennzeichnen der Tiere an. Auch kommt seit über 15 Jahren alle zwei Wochen montags der Hoftierarzt vorbei. Am Dienstag werden die Ferkel verkauft. Diese gehen an insgesamt drei Mastbetriebe. Zudem stehen die Besamungen und das Reinigen der Ferkelabteile an. Der Mittwoch ist sehr arbeitsreich. Denn zu diesem Zeitpunkt setzen die ersten Geburten ein, und es müssen die Neugeborenen behandelt werden. Auch wird die Gruppe Sauen mit den ältesten Ferkeln abgesetzt und die Ferkel umgefahren. Konsequenterweise erfolgt das Reinigen und Desinfizieren der leeren Abferkelabteile sofort nach dem Absetzen. Am Donnerstag ferkeln die meisten Sauen ab. An diesem Wochentag stehen auch die Sauenimpfungen an. Freitags beginnt die Ammenbildung. Zudem werden neue Sauen gewaschen und eingestallt. Anschließend werden alle Gänge mit Wasser abgespritzt, um den Stall sauber an denjenigen zu übergeben, der den Wochenenddienst antritt. Die noch verbleibende Zeit wird genutzt, um die aktuellen Wurf- und Besamungsdaten in den Sauenplaner einzugeben. Samstags arbeitet die Mannschaft in halber Besetzung. Das reicht in der Regel aus. Alle vier Wochen fällt ein Sonntagsdienst an. Dann hat der jeweilige allerdings auch sechs bis acht Stunden im Stall tun. Die Sonntagsdienste und Urlaube werden in einen Kalender eingetragen, der im Aufenthaltsraum aufgehängt ist. „Unseren Mitarbeitern ist klar, dass wir auch Weihnachten und Ostern füttern müssen. Dies ist kein Problem, wenn die Dienste gerecht verteilt werden und wenn genügend Vorlaufzeit eingeplant wird“, meint Helge Niedringhaus. Rund 90 % der Urlaubstage werden bereits im Januar in den Kalender eingetragen. Die Mitarbeiter notieren sich die Stunden in einen Taschenkalender, den jeder in seinem Spind aufbewahrt. Fallen Überstunden an, werden diese am Monatsende ausbezahlt. Neben der Flexibilität und dem lockeren Umgang schätzen die Mitarbeiter das offene Ohr der Betriebsleiter. Zwar wird vieles im Team besprochen. Doch es ergeben sich auch Gelegenheiten für Einzelgespräche. Diese nutzt insbesondere Lisa Niedringhaus, um zu erfahren, wie es dem Mitarbeiter derzeit privat ergeht bzw. ob es Sorgen gibt, die belasten. Bei dieser Gelegenheit tauscht man sich auch über private Ziele und Fortbildungswünsche aus. „Unter- und Überforderung wirken sich gleichermaßen negativ auf die Motivation aus. Deshalb haben wir stets ein offenes Ohr auch für solche Dinge“, erklärt Lisa Niedringhaus. Ebenso wichtig ist eine zeitnahe Rückmeldung. Diese gibt dem Mitarbeiter Sicherheit. „Alle positiven und auch negativen Dinge werden offen angesprochen. Dabei versuchen wir, immer sachlich zu bleiben und nicht zu überziehen“, fährt Helge Niedringhaus fort. Der junge Betriebsleiter hat kein Problem damit, einzugestehen, dass z. B. sein Mitarbeiter das Absamen der Eber besser umsetzt als er selbst. Wichtig ist vielmehr, dass jeder Mitarbeiter auch bei speziellen Arbeit vertreten werden kann, wenn dieser mal im Urlaub ist. Die Mitarbeiter haben auch gelernt, sich gegenseitig zu unterstützen. Mit einer motivierten Mannschaft geht der Betrieb seine Ziele an. Eines ist, annähernd 13 Ferkel je Wurf abzusetzen. Familie Niedringhaus hat sich für die Topigs-Sau entschieden und beschreibt sie als fürsorglich und pflegeleicht. Seit nunmehr acht Jahren betreut Produktionsberater Thomas Gladen den Betrieb. Stolz ist Lisa Niedringhaus auf anhaltend niedrige Saugferkelverluste von unter 9 %. Die aktuellen Daten werden in ein Formblatt eingetragen, im Stallbüro ausgehängt und mit allen besprochen. Um die hochgesteckten Ziele zu erreichen, gibt sich das Team im Stall insbesondere beim Geburtsmanagement und der Neugeborenenversorgung sehr viel Mühe. Aber auch die kritische Phase des Absetzens wird gut vorbereitet: Gerade in der Säugephase muss täglich an vielen kleinen Schrauben gedreht werden, um optimale Aufzuchtergebnisse zu erzielen. Die Routinearbeiten werden meist im Team erledigt. Das heißt, es wird eine Arbeitskette aus drei Personen gebildet. Dies ist für die Mitarbeiter eine willkommene Abwechselung zur Einzeltätigkeit. Sehr viel Wert legt der Betrieb auf die Eisenversorgung, die exakt zwei Tage nach der Geburt vorgenommen wird. Je nach Zeitfenster für die Geburten werden die Würfe an bis zu drei Tagen hintereinander versorgt. Auch die Ferkelimpfungen, derzeit gegen Mykoplasmen und Circo, werden sehr gewissenhaft erledigt. Schließlich sollen die Tiere bis zum Mastende über eine vollständig ausgebildete Immunität verfügen. In der ersten Lebenswoche gilt es, unterversorgte Ferkel schnell zu erkennen, um sie eventuell rechtzeitig aus den Würfen zu nehmen. Der Betrieb arbeitet je nach Situation mit künstlichen und natürlichen Ammen. Entscheidet sich Lisa Niedringhaus für Pflegesauen, werden diese in einem Extra-Abteil aufgestallt. Auch die Ferkel für die Kunstamme werden aus den Buchten genommen und in einem separaten Abteil aufgestallt. Insbesondere das Ferkelabsetzen will gut vorbereitet sein. So werden die Würfe eine Woche vor dem Absetzen drei Tage mit einer schmackhaften Milch versorgt und dann mit Prestarter. Direkt nach dem Absetzen bekommen sie wieder die leckere Milch. So nehmen alle Tiere am ersten Tag im Flatdeck genügend Flüssigkeit auf und starten optimal in die Aufzuchtphase. Die Familie Niedringhaus legt nicht nur auf eine interne Kommunikation sehr großen Wert. Auch mit den Kooperations- und Geschäftspartnern finden regelmäßig intensive Gespräche statt. „Wir nehmen uns Zeit und bereiten entsprechend Termine gewissenhaft vor“, erklärt Helge Niedringhaus. Sehr intensiv wurde natürlich in der Aufstockungsphase darüber diskutiert, wie das Management angepasst werden muss. Heute geht es um Feinheiten oder zukünftige Entwicklungen. So hat sich Sauenhalter Helge Niedrighaus bereits intensiv mit dem Thema „Tierwohl“ auseinandergesetzt und für seinen Betrieb die Entscheidung getroffen, möglichst rasch einzusteigen. Auch mit den angeschlossenen Mästern gibt es einen engen Draht. So werden die Produktions- und Schlachtdaten ebenso besprochen wie das Impf-, Hygiene- und Fütterungsprogramm in der Ferkelerzeugung. „Wir brauchen diese Infos ebenso wie die abnehmenden Betriebe, um die richtigen Entscheidungen zu treffen“, erklärt der Betriebsleiter. Einmal jährlich finden gegenseitige Besuche statt. Auch in puncto Öffentlichkeitsarbeit engagiert sich der Betrieb. So fand im letzten Jahr im Rahmen einer für Verbraucher organisierten Radtour eine Zwischenstation auf dem Hof Niedringhaus statt. Bei einer solchen Aktion versucht der Betriebsleiter auch die Geschäftspartner einzubinden. Zum einen kann so die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt werden. Zum anderen ergänzt man sich und schafft mehr als Team. Der Betrieb Niedringhaus erreicht über 32 abgesetzte Ferkel/Sau und Jahr. Basis des Erfolges sind ein konsequentes Management, gründliche Tierbeobachtung, kompetente Mitarbeiter und gute zwischenmenschliche Beziehungen im Team. Letzteres wirkt sich positiv auf die Zufriedenheit und die Motivation der Mitarbeiter aus. Die Arbeiten rund um die Geburt erledigen die Sauenprofis sehr gewissenhaft, um die Biestmilch-Versorgung aller Ferkel zu gewährleisten. Auch in puncto Wurfausgleich und Ammenhaltung werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Das Ziel ist, insbesondere die Ferkelverluste nachhaltig zu senken. Zuständigkeiten klar geregelt Morgens kurze Besprechung Guter Geist im Team Unter 10 % Ferkelverluste! Viele kleine Schrauben Enger Draht zu Geschäftspartnern Fazit Rund um die Geburt bekommen die Sauen ein Glas Kanne Brottrunk zu jeder Mahlzeit. Das fermentierte Brot bekommt den Sauen sehr gut. Es unterstützt die Durchsäuerung des Futterbreis im Magen. Zum Geburtstermin werden zusätzliche Lampen aufgehängt. Diese werden später über eine an der Decke angebrachte Winde hochgezogen und verbleiben im Abteil. Zwar werden die Geburten nicht rund um die Uhr betreut. Doch der letzte Kontrollgang erfolgt um 22.00 Uhr, sodass das Zeitfenster ohne Kontrolle nur neun Stunden beträgt. Der Betrieb setzt insbesondere im Abferkelstall auf Homöopathie. Während bzw. nach der Geburt werden die Zitzen auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft. Striche mit nur einem Kanal zählen bei Lisa Niedringhaus zu denen, die keine ausreichende Milchversorgung gewährleisten können. Beim Wurfausgleich werden die Anzahl abgesetzter Ferkel in vorangegangenen Würfen bzw. die Anzahl Zitzen mit mindestens zwei Strichkanälen berücksichtigt. Die ersten Ferkel des Wurfes werden nach deren Biestmilchaufnahme in einen Korb gesetzt, damit die übrigen Ferkel eine bessere Chance haben, ausreichend Kolostrum aufzunehmen. -Heinrich Niggemeyer, SUS- Bei über 32 abgesetzten Ferkeln muss alles ineinandergreifen. Familie Niedringhaus legt sehr viel Wert auf Kommunikation im Team und intensive Tierbeobachtung.