Die Agrar GmbH Dorfilm hat in Thüringen eine Direktvermarktung mit mehr als 230 Wurst- und Fleischprodukten aufgebaut. Das sichert auch die Existenz der Schweinehaltung.Auf den ersten Blick ist die Agrar GmbH Dorfilm ein typischer Betrieb in den neuen Bundesländern. Das Unternehmen im Südosten Thüringens umfasst 330 Milchkühe, 850 ha Acker- bzw. Grünland, eine 320-kW-Biogasanlage, eine freie Autowerkstatt sowie eine Schweinehaltung mit 300 Sauen plus Mast. Bei näherem Hinsehen fällt jedoch die umfangreiche Direktvermarktung ins Auge. Hier hat sich Dorfilm auf Thüringer Fleisch- und Wurstprodukte spezialisiert. „Wir sind 1997 mit 30 Schweinen pro Woche angefangen. Inzwischen haben wir uns auf gut 100 Schlachtungen pro Woche hochgearbeitet“, erzählt Ursula Mörl. Sie ist für den Schweinebereich verantwortlich und Gesellschafterin des Unternehmens. Den Einstieg in die Direktvermarktung hat die Agrar GmbH Ende der 90er-Jahre gewagt. Der Schweinebereich bestand damals nur aus einer Ferkelerzeugung mit 100 Sauen. Die starke Konkurrenz mit großen Sauenanlagen brachte jedoch immer häufiger Einbußen bei der Vermarktung. „Uns war klar, dass die Sauenhaltung nur rentabel bleibt, wenn wir die Ferkel selbst mästen und möglichst viel Fleisch direkt vermarkten. So bleibt mehr Wertschöpfung im Betrieb“, betont Ursula Mörl. Allerdings war zunächst eine umfangreiche Renovierung der alten Gebäude nötig. In diesem Schritt wurde die Ferkelerzeugung auf die jetzige Größe aufgestockt. Hierzu hat der Betrieb vorhandene Gebäude mit viel Eigenleistung umgebaut. Zusätzlich wurden in zwei Gebäuden am Standort 1 700 Mastplätze eingerichtet. Mit einem weiteren externen Standort kann Dorfilm jetzt alle Ferkel selbst ausmästen. Den Schweinebestand betreuen neben Ursula Mörl drei weitere Mitarbeiter. Das erscheint viel. Man muss jedoch bedenken, dass jeder Mitarbeiter in allen Bereichen arbeiten können muss. Außerdem remontieren die Praktiker die Sauen selbst und führen alle Umbauten und Reparaturen im Stall selbst durch. Auch der mehrmals wöchentliche Transport der Schlachtschweine kostet Zeit. Die Herde wird im Drei-Wochen-Rhythmus mit 40 Sauen je Abferkelgruppe geführt. Wobei der Betrieb die Sauen einer regionalen Genetik mit Piétrain-Ebern belegt. Die Leistung liegt bei 25,6 abgesetzten Ferkeln je Sau und Jahr. Mit der Fruchtbarkeit sind die Betriebsleiter durchaus zufrieden, jedoch nicht mit der Aufzuchtleistung. Deshalb wurde ein Genetikwechsel vollzogen. Nach vier Wochen Säugezeit kommen die Ferkel in die erste Phase der Aufzucht. Hier werden sie mit hochwertigem Futter versorgt. Über Langtröge wird zusätzlich Futter bereitgestellt. „In der kritischen Startphase in die Aufzucht beobachten wir die Ferkel sehr genau. Denn als Direktvermarkter sind wir ganz besonders gefordert, den Medikamenten-Einsatz so gering wie möglich zu halten“, unterstreicht Daniela Tandler, die den Abferkel- und Aufzuchtbereich betreut. Die Agrar GmbH Dorfilm geht in diesem Punkt sogar noch weiter. So sind antibiotische Behandlungen in der Ferkelaufzucht und Mast tabu. Dies hat der Betrieb etabliert, um gegenüber seinen Kunden absolut sauber argumentieren zu können. Denn im engen Dialog mit den Käufern ist der Medikamenten-Einsatz besonders kritisch zu sehen. Damit der Antibiotika-Verzicht funktioniert, hat der Betrieb eine Reihe von Vorbeugemaßnahmen eingeführt: Als wichtigste Vorbeuge-Maßnahme sieht Ursula Mörl jedoch, dass sie sich frühzeitig und strikt von kranken bzw. Problemtieren trennt. Hier kommt dem Betrieb zugute, dass in der eigenen Schlachtung alle Gewichtsklassen vom Spanferkel bis zur Sau gefragt sind. In der zweiten Hälfte der Aufzucht werden die Tiere mit etwa 15 kg Gewicht auf Vollspaltenboden aufgestallt und an Breiautomaten gefüttert. Die Umstallung in die Mast erfolgt dann mit rund 35 kg Lebendgewicht. Für die Fütterung in der Mast dienen ebenfalls Breiautomaten. Wobei es zwei Rationen gibt. Das eingesetzte Getreide stammt im gesamten Schweinebereich überwiegend von hofeigenen Flächen. Die Verarbeitung übernimmt eine fahrbare Mahl- und Mischanlage. Eine Rationierung zum Mastende ist nicht notwendig. „Bei unserer Vermarktung ist eine höhere Speckauflage sogar gewünscht“, erklärt Hans-Joachim Mirke, der die Mast betreut. Die Tageszunahmen liegen bei knapp 800 g. Ein deutlich höheres Niveau strebt Dorfilm nicht an, da die Fleischqualität im Vordergrund steht. Großen Wert legt Mirke auch auf die Tierbeobachtung. Er geht daher zweimal täglich durch alle Buchten und treibt die Tiere kurz auf: „Nur so erkennt man bei der Sattfütterung sicher, ob die Tiere fit sind. Wenn man ohne Antibiotika arbeitet, darf man keine Zeit verlieren.“ Mit etwa 120 kg Lebendgewicht erreichen die Schweine die Schlachtreife. Jeweils am Montag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag werden dann um zwei Uhr morgens 20 bis 30 Schweine zum Schlachthaus gefahren. Hierfür nutzt der Betrieb einen Hofschlepper mit Viehwagen. Aufgrund des kurzen Weges von nur 200 m ist der Transport für die Tiere stressarm. Auch am Schlachthaus gibt es kaum Wartezeiten, da die drei Metzger sofort mit ihrer Arbeit loslegen. Vorteile bietet zudem die enge Abstimmung zwischen der Mast und der Vermarktung. So melden die Metzger jeweils am Vorabend an, wie viele Tiere sie benötigen. Das bietet den Kunden maximale Frische. Direkt nach der Schlachtung kommen die Schlachtkörper in die hauseigene Zerlegung und Wurstherstellung. Hier werden mithilfe moderner Geräte rund 230 verschiedene Wurst- und Fleischprodukte hergestellt. Besonders hoch im Kurs sind dabei die regionalen Produkte wie Leber- und Blutwurst und natürlich die Thüringer Rostbratwurst. Aus der Verarbeitung gelangen die Fleischwaren wiederum auf kurzem Weg in die Vermarktung. Hier setzt die Agrar GmbH auf drei Absatzwege: Bei der Direktvermarktung setzt der Agrarbetrieb zum überwiegenden Teil auf hofeigene Produkte. Eine Ausnahme bilden nur wenige Geflügelprodukte. Im letzten Jahr hat Dorfilm Fleisch von über 5 000 Schweinen direkt vermarktet. Die übrigen Tiere gehen zum Schlachthof im nordbayerischen Hof. „Allerdings bringt die Direktvermarktung mehr Wertschöpfung. Zudem unterliegen wir nicht mehr dem Zwang zu größeren Verkaufspartien“, betont Ursula Mörl. Nicht zuletzt hat sich die Agrar GmbH auch zu einem wichtigen Arbeitgeber in der Region entwickelt. Momentan zählt der Betrieb 102 Mitarbeiter. Mit gut 60 Angestellten ist die Fleischverarbeitung und -vermarktung die wichtigste Säule. Doch in der Direktvermarktung wachsen die Bäume nicht in den Himmel. So ist die Schlachtung und Fleischverarbeitung neben dem Personalaufwand mit hohen Investitionen verbunden. Allein in die Schlacht- und Verarbeitungskapazitäten hat der Betrieb mehr als 800 000 € investiert. Die Anerkennung nach EU-Standard und Kapazitätserweiterungen machten dies erforderlich. Von Vorteil ist natürlich, dass der Direktvermarkter den Verkaufspreis seiner Produkte selbst steuern kann. Doch hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. „Unsere Kunden schätzen unsere Fleischwaren und sind bereit, etwas mehr dafür zu bezahlen. Doch wir liegen in einer strukturschwachen Region. Der Preisabstand zur Supermarktware darf daher nicht zu groß sein“, schildert Ursula Mörl. Mit Sorge sieht die Sauenhalterin auch das ab 2017 anstehende Verbot zur Ferkelkastration. Denn die Ebermast ist für den Direktvermarkter absolut tabu. So hat der Betrieb probeweise einige Jungeber geschlachtet. „Unsere Kunden lehnen Fleisch von Ebern jedoch ab, und wir können uns keine Experimente leisten“, betont der Fleischer Marco von Rein. Auch die Immunokastration ist aufgrund der Ängste der Verbraucher noch keine Alternative. Der Direktvermarkter hofft daher auf eine praktikable Lösung, mit der man unter Narkose weiter kastrieren kann. Trotz der Diskussion um die Kastration blickt der Betrieb positiv in die Zukunft. So will man sich mithilfe des Genetikwechsels auf 28 abgesetzte Ferkel pro Sau steigern. Für die Unterbringung der zusätzlichen Ferkel ist der Umbau eines vorhandenen Gebäudes angedacht. Bei der Direktvermarktung sieht man nur begrenzt Wachstumspotenzial. Zwar lassen die Schlachtkapazitäten leichte Steigerungen zu. Doch der Markt ist verteilt. Eine deutliche Ausdehnung des Absatzgebietes hält die Betriebsleitung ohnehin nicht für sinnvoll. „Unsere Kunden sind zwar bereit, für unser Fleisch etwas mehr zu bezahlen als im Supermarkt. Das funktioniert allerdings nur, wenn wir den engen Draht zum Käufer und unsere Regionalität bewahren“, fasst Ursula Mörl zusammen. Die Agrar GmbH Dorfilm bringt das Fleisch von mehr als 5 000 Schweinen im Jahr direkt an den Mann. Schlüssel zum Erfolg sind die hohe Fleischqualität, der enge Draht zum Kunden und die Regionalität. Die Direktvermarktung bringt eine höhere Wertschöpfung für die gesamte Kette vom Ferkel bis zum Schnitzel. Sie sichert so die Existenz des für die Region kleinen 300er-Sauenbetriebes. Steiniger Weg zumDirektvermarkter Mast ohne Antibiotika Großteils hofeigenes Futter Vier Schlachttage je Woche Verkauf über drei Kanäle „Ebermast ist für uns ein absolutes Tabu!“ Fazit Mithilfe der Eigenremontierung kommen keine fremden Tiere in den Stall. Neben den Standard-Impfungen im Sauenbereich werden alle Ferkel gegen Mykoplasmen und Circoviren geimpft. Mit dem Fachtierarzt wird stets an der Optimierung der Tiergesundheit gefeilt. Dazu gehört auch die Homöopathie. Alle Abteile werden im Rein-Raus-Verfahren belegt sowie gewaschen und desinfiziert – auch der Deck- und Wartebereich. Der Hauptumsatz läuft über die hauseigenen Fleischerfachgeschäfte. Neben dem Hofladen sind acht Läden in den Orten im Radius von ca. 40 km platziert. Der zweite Absatzkanal sind zwei Verkaufswagen. Hiermit ist man täglich in den kleineren Orten im Umland präsent. Der dritte Absatzweg läuft über zwei Kühl-Transporter. Hiermit werden Großkunden in der Region beliefert. -Fred Schnippe, SUS-