Straffe Organisation, durchdachtes Stallkonzept und verbraucherfreundliche Ställe: So schafft Hartmut Kümmerle mit 170 Sauen ansehnliche Erlöse bei niedrigem Arbeitsaufwand. Viele Schweinehalter haben sich in den letzten Jahren weiter spezialisiert. Um die Arbeit zu schaffen, haben sie Teilbereiche wie den Ackerbau ausgelagert. Hartmut Kümmerle aus Gerstetten im Landkreis Heidenheim (BW) geht einen anderen Weg. Auf der Domäne Falkenstein, die die Familie Kümmerle in vierter Generation bewirtschaftet, haben mehrere Betriebszweige wie der Ackerbau, die Ferkelproduktion, die Schweinemast sowie die Gastronomie ihre Bedeutung. „Wir sind vielseitig aufgestellt, was uns insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten hilft“, erläutert der 46-jährige Betriebsleiter, der von Ehefrau Annette sowie zwei Auszubildenden unterstützt wird. „Doch nicht die Vielseitigkeit, sondern das ausgeklügelte Produktionssystem und die straffe Arbeitsorganisation sind letztlich unser Erfolgsrezept.“ So schafft es der Betrieb, bei den rund 170 Sauen unter zehn Arbeitsstunden je Sau und Jahr zu bleiben. Und auch für die 1 200 Mastschweine auf dem Hof werden nur 30 bis 45 Minuten pro Tag für die Versorgung und Kontrolle aufgewendet. Dazu der Betriebsleiter: „Wir arbeiten sehr effektiv und können mit Großbetrieben mithalten!“ Seit 2004 organisiert Agraringenieur Hartmut Kümmerle seine Sauenherde im Fünfwochenrhythmus. Eine Sauengruppe befindet sich im Abferkel-, die drei weiteren Gruppen im Deck-/Wartebereich. Das bündelt die Arbeit rund um die Geburten und beim Besamen. Auf der anderen Seite ergeben sich in den Wochen Freiräume, in denen nur Routinearbeiten anstehen. Zudem schwört der Landwirt auf die Flüssigfütterung im Mast-, Sauen- und Ferkelbereich: „Die Fütterung erfolgt bei uns vollautomatisch, was uns sehr entlastet.“ Die Arbeiten im Schweinestall werden durch den Fünfwochenrhythmus vorgegeben. Was genau an dem jeweiligen Tag zu erledigen ist, steht auf einem der 35 laminierten DIN-A4-Blätter. Diese sind in einem Ordner abgelegt, der im Eingangsbereich des Stalles in Augenhöhe an einem Holzpfeiler angebracht ist. Auf den Blättern sind Fütterungs- oder Behandlungshinweise sowie alle wichtigen Wartungstermine aufgeführt. Auch vermeintlich Banales wie „Mülltonne herausstellen“ wird aufgelistet. „Erst wenn alle Arbeiten des Tages erledigt sind, wird weitergeblättert. So vergessen wir nichts und der Kopf bleibt frei von Routinearbeiten“, betont Kümmerle. Dank des Ordners fällt es auch den Auszubildenden und Praktikanten auf dem Betrieb deutlich leichter, sich in die Arbeitsabläufe einzubringen und schnell Verantwortung zu übernehmen. Die Arbeitsanweisungen sind nicht starr, sondern werden bei Bedarf ergänzt. Dies geschieht zunächst mit einem Edding direkt auf der Folie. „Auch nach sieben Jahren vervollständigen wir die Anweisungen noch oder streichen Punkte, wenn diese nicht mehr aktuell sind“, erklärt der Betriebsleiter. Einmal im Jahr werden die Blätter am PC überarbeitetet und neu ausgedruckt. Dieses System zur Selbstkontrolle soll jetzt weiter ausgebaut werden. Hartmut Kümmerle möchte eine To-Do-Liste in jedem Abteil aufhängen, eine rote für morgens und eine blaue für abends. „Die Anweisungen sollten möglichst vollständig und verständlich sein. So kann sich jeder vor dem Verlassen des Abteils schnell vergewissern, ob alles erledigt ist“, argumentiert der Betriebsleiter. Sicherlich sind strukturierte Abläufe wichtig, um Arbeitseffizienz und Tierleistungen weiter zu verbessern. Doch auch das Stallkonzept trägt dazu bei, gute Leistungen bei geringem Arbeitsaufwand zu sichern. 2011 hat der Betrieb einen neuen Ferkelaufzucht- und Sauenstall gebaut und die Bereiche im Altgebäude neu zugeordnet. So hat Kümmerle z. B. Platz für eine eigene Jungsauenaufzucht geschaffen. Nach Fertigstellung des Stalles wurde die Herde von bislang 120 auf 170 Sauen aufgestockt. Bei der Umstrukturierung hat Kümmerle insbesondere auf folgende Punkte geachtet: Seit der Fertigstellung des neuen Stalles sind die Leistungen deutlich gestiegen. Lag der Betrieb im letzten Wirtschaftsjahr noch bei knapp 26 Ferkel, sind es aktuell inzwischen 27 Ferkel pro Sau und Jahr. Der Durchschnitt des regionalen Ringes, bei dem der Betrieb Mitglied ist, liegt bei 23,8 Ferkel. „Neben Arbeitseffizienz und Tierkomfort ist uns aber auch wichtig, dass die Leute vor Ort die Schweinehaltung auf der Domäne akzeptieren“, fährt Kümmerle fort. Als ehemalige Gutsanlage hat die Domäne schon immer viele Wanderer und Gäste angelockt, zumal man von der Domäne aus den Blick hinunter ins Eselsburger Tal genießen kann. „Um den Vorstellungen der Verbraucher gerecht zu werden, bieten wir unseren Mastschweinen Stroh und Auslauf an. Deshalb haben wir uns 2001 für den Bau eines so genannten Schrägbodenstalles mit minimalem Stroheinsatz entschieden“, erklärt der Unternehmer. Die Mastbuchten sind doppelt so lang wie breit. Das erste Drittel der geschlossenen Liegefläche ist mit einem Gefälle von 3 % und das zweite Drittel mit 8 % ausgestattet. Der Kotplatz befindet sich im hinteren Viertel auf einem angehobenen Spaltenboden. Der Mistschlitz zwischen planbefestigter Fläche und Spaltenboden hat eine lichte Höhe von 10 cm. Mit einem mechanischen Schieber wird der darunter liegende Kanal täglich entleert. Der vollklimatisierte Stall bietet viel Luftraum und ist mit einer Quertrogfütterung ausgestattet. In der warmen Jahreszeit können die Schweine zusätzlich den planbefestigten Auslauf nutzen, so dass jedem Tier 1,2 m2 Platz zur Verfügung steht. Zusätzlich ist im Kotbereich eine Sprüheinrichtung montiert, die zur warmen Jahreszeit aktiviert werden kann. Zudem beschäftigen sich die Tiere mit dem täglich in die Buchten gegebenen Stroh, wobei ein Großballen etwa eine Woche reicht. Die drei 300er-Abteile werden im Rein-Raus-Verfahren belegt. Zuvor werden sie komplett gereinigt. „Pro Sauengruppe möchten wir etwa 450 Ferkel erzeugen. Eine Partie von ca. 150 Ferkeln wird verkauft, die restlichen 300 Stück werden mit rund 45 kg Gewicht in die Mast umgestallt“, beschreibt der Betriebsleiter sein Konzept. Die Mastzunahmen liegen bei 830 g, was für die eher fleischbetonten BW-Hybriden ein sehr guter Wert ist. Die Futterverwertung beträgt 1: 2,85. Die Mastverluste bleiben unter 2 %. Die Schweine werden unter dem eigenen Label „Falkensteiner Freilaufschweine“ einmal wöchentlich an eine örtliche Metzgerei vermarktet. Den Transport mit dem Treckeranhänger zur 3 km entfernten Schlachtstätte übernimmt der Betriebsleiter selbst. Der kurze Weg sowie der tierfreundliche Transport sind beste Voraussetzungen für höchste Fleischqualität, was sich bezahlt macht. Über die Direktvermarktung erzielt Kümmerle einen Aufschlag von 10 Cent je kg Schlachtgewicht. Den Kunden der Metzgerei-Fachgeschäfte ist die Herkunft der Tiere bekannt. Sie können sich jederzeit von der tierfreundlichen Schweinemast auf der Domäne Falkenstein überzeugen. „Besucher sind stets willkommen. Das schafft Vertrauen!“, ist Kümmerle überzeugt. Auch passt ins Gesamtkonzept des Betriebes, dass an ca. 15 Wochenenden im Jahr auf dem Hof Hochzeiten, Familienfeste oder Seminare stattfinden. Hierzu wird ein liebevoll renovierter Gewölbekeller genutzt, der aufgrund der Historie auch Rittersaal genannt wird. Zudem finden regelmäßig Trauungen in der kleinen Hofkapelle statt. „Die Gastronomie ergänzt unser Angebot und ist gleichzeitig Öffentlichkeitsarbeit für den Betrieb und den gesamten Berufsstand“, findet Annette Kümmerle, die diesen Part betreut. Trotz Schweinehaltung, Ackerbau und Gastronomie schaffen es Hartmut und Annette Kümmerle, regelmäßig Freiräume für die Familie freizuschlagen. So ist der nächste Urlaub mit den vier Töchtern fest gebucht. Natürlich in einer weniger arbeitsintensiven Woche zwischen zwei Abferkelterminen. Der Fünfwochenrhythmus macht es möglich. Der Betrieb Kümmerle ist mit Ackerbau, Ferkelproduktion, Mast und Gastronomie vielseitig aufgestellt. Um so wichtiger ist die straffe Arbeitsorganisation in den einzelnen Bereichen. So schwört der Betriebsleiter z. B. auf den Fünfwochenrhythmus, der klare und strukturierte Arbeitsabläufe vorgibt. Auch das Raumkonzept in der Ferkelaufzucht und Mast ist darauf abgestimmt. Die Mast der Schweine wird in einem Schrägbodenstall mit planbefestigtem Auslauf betrieben. Die Tiere werden unter dem Label „Falkensteiner Freilaufschweine“ vermarktet. Die Kunden schätzen diese Form der Schweinehaltung. Dank der Direktanbindung erzielt der Mäster trotz der durchschnittlichen Betriebsgröße überdurchschnittliche Schlachtschweineerlöse. „Kopf frei von Routinearbeiten“ Mehr Komfort im neuen Sauenstall Verbraucher-freundliche Mast Falkensteiner Freilaufschweine Resümee Die komplette Sauengruppe, etwa 35 bis 40 Erstlings- und Altsauen, sind in einem Abteil untergebracht, um kurze Wege zu gewährleisten. „Sowohl die Sauen als auch die Betreuer bekommen in einem Großabteil deutlich mehr mit.“ Über die Nasenlüftung werden die Sauen mit frischer, sauerstoffreicher Luft versorgt und danken es mit hohen Futteraufnahmen von bis zu 8 kg pro Tag. Dazu trägt auch die viermal tägliche Fütterung ab der zweiten Säugewoche bei, die vollautomatisch nach Futterkurve erfolgt. Die Absetzferkel werden durchgängig flüssig gefüttert, zunächst mit der Förstertechnik (Baby-Mix-Feeder). Später erfolgt der Wechsel auf die Weda-Fütterung. Jede Bucht ist dementsprechend mit zwei Futtertrögen ausgestattet. Um den Absetzstress zu mindern, werden die Saugferkel bereits mit Flüssigfutter versorgt. Dieses wird ebenfalls mit dem Baby-Mix-Feeder angemischt und direkt ins Abferkelabteil in einen Eimer gepumpt. Über einen Sensor wird die Füllmenge abgefragt. Nach dem Absetzen werden die Sauen direkt in den Deck-/Wartestall aufgestallt und verbleiben dort bis zur Hochträchtigkeit. Der Betrieb stallt nicht zwischendurch um. Der Laufbereich zwischen den Reihen mit Fressliegebuchten ist vier Meter breit. Rangkämpfe finden kaum nochstatt, da sich die Sauen aus dem Weg gehen können. Dadurch haben sich die Wurfleistungen deutlich verbessert. Der Betrieb Kümmerle hält ein 40er-Reserveabteil für güste und tragende Sauen vor. Somit braucht im Fünfwochenrhythmus keine Sauengruppe „zwischengeparkt“ zu werden. Vor dem erneuten Belegen wird ein Abteil gereinigt und desinfiziert. Diese Arbeit geschieht dank des Reserveabteils ohne Zeitdruck. Für güste und tragende Sauen wird die Futtermenge automatisch ausdosiert. Über von Hand vorgelegte Grünmehl-Pellets erhalten die Sauen zusätzlich Rohfaser. Das macht sie satt und zufrieden, der tägliche Personenkontakt zutraulich. „Im übertragenen Sinne ist das Vorlegen der Pellets die tägliche Streicheleinheit“, so der Betriebsleiter. -Heinrich Niggemeyer, SUS -