Auf dem Zuchtbetrieb Sommer in Dielheim-Unterhof bekommt jede Sau einen Namen. Dieser wird auf die Ohrmarke geschrieben. Doch im Sauenplaner werden die rund 110 Muttertiere mit Nummern geführt. „Die Anfangsbuchstaben der Namen geben die Linienzugehörigkeit an. Dies ist bei der gezielten Anpaarung eine kleine Gedankenstütze“, erklärt Manfred Sommer (54). Zusammen mit Sohn Andreas (26) hat sich der passionierte Züchter zum Ziel gesetzt, jährlich rund 200 Piétraineber vor allem an die KB zu verkaufen. Allein in Deutschland befinden sich weit über 300 Eber im KB-Einsatz, die aus der Zuchtstätte Sommer stammen. Der Betrieb Sommer ist einer von 18 Elitezuchtstätten im German-Piétrain-Zuchtprogramm. Er liegt 20 km südlich von Heidelberg im Rhein-Neckar-Kreis, direkt an der Autobahn A6. Dort sind wenig Schweinebetriebe angesiedelt, was für die Sommers ein großer Vorteil ist. So konnte der Züchter den SPF-Status, der u. a. auch die PRRS-Freiheit beinhaltet, bis heute halten. Der hohe Gesundheitsstatus ist nicht nur auf die Gesundlage des Betriebs zurückzuführen, sondern v. a. auch auf die vorbildliche Betriebsabschottung sowie die Einhaltung der strengen Hygieneregeln. Das Geschäft mit den Ebern hat sich gewandelt. Früher wurden zahlreiche Eber an die Sauenhalter im näheren Umkreis verkauft. Doch der Absatz von Natursprungebern läuft seit einigen Jahren nicht mehr. Heute sind die KB-Stationen die wichtigsten Kunden. Der Wandel hin zu nahezu 100 % Besamung hat die Verkaufsquote von rund 30 % nahezu halbiert. Nur eine kleine Gruppe aufgezogener Jungeber verlässt den Betrieb als Zuchttier. Trotz der geringeren Anzahl verkaufter Eber nimmt die Zuchtarbeit heute wesentlich mehr Zeit in Anspruch. „Wir investieren gut und gerne sechs bis acht Stunden pro verkauftem Jungeber“, hat Andreas Sommer überschlagen. Neben der Einzeltierkennzeichnung, Datenerfassung und Einzeltierhaltung der potenziellen Verkaufstiere nimmt die Kundenbetreuung sowie gezielte Anpaarung sehr viel Zeit in Anspruch. „Das Sperma für die Ebermütter beziehen wir mittlerweile von zig verschiedenen KB-Stationen aus ganz Deutschland. An den Hauptbesamungstagen werden bis zu fünf Pakete geliefert“, berichtet Andreas Sommer. Zwar verbringt Familie Sommer sehr viel Zeit im Stall. Vom Ebergeschäft allein könnte sie aber nicht leben. Vielmehr ist der Ackerbau auf rund 125 ha Fläche ein weiteres wichtiges Standbein. Mit dem eigenen Getreide werden rund 1 800 Schweine im Jahr gemästet. Die Schlachttiere werden heute vorwiegend über einen Händler vermarktet. „Vor einigen Jahren haben wir die Hochprozenter direkt an die Metzger vor Ort geliefert. Das brachte gutes Geld. Doch die wenigen Metzger-Fachgeschäfte, die noch übrig geblieben sind, kaufen heute immer mehr Teilstücke vom Großhandel“, blickt Manfred Sommer zurück. Nicht nur die Vermarktung der Zucht- und Schlachttiere haben sich gewandelt, sondern auch die Zucht selbst. „Die Datenmengen zu den Tieren haben deutlich zugenommen“, weiß der Vollblutzüchter zu berichten. Hierzu beigetragen hat die Einführung der überregionalen Zuchtwertschätzung im Jahr 2009. Die ehemals eigenständigen Zuchtverbände aus Schleswig-Holstein, dem Rheinland und aus Baden-Württemberg sowie Zuchtbetriebe aus Westfalen haben dieses Konzept entwickelt. Der überregionale Genaustausch spielt heute im German-Piétrain-Zuchtprogramm eine große Rolle. Auch die Prüfverfahren befinden sich im Wandel. Früher mussten vor allem die Geschwister auf den Leistungsprüfstationen überzeugen. Heute verfolgen die Züchter auch die umfangreichen Nachkommenprüfungen im Feld. Diese Daten aus den unterschiedlichsten Prüfprogrammen werden inzwischen bei der Zuchtwertschätzung in vollem Umfang berücksichtigt. In kurzen Zeitabständen werden die Zuchtwerte aktualisiert. Um hier den Überblick zu behalten, nutzen die Sommers sehr intensiv den 2009 installierten Online-Sauenplaner. So haben die Züchter zum einen Zugriff auf die aktuellsten Zuchtwerte. Zum anderen können Listen nach beliebiger Sortierung zusammengestellt werden. Das hilft bei der täglichen Arbeit. Insbesondere die Entwicklung der Zuchtwerte der Ebermütter und -väter wird intensiv verfolgt. Da die Spitzenvererber überbetrieblich eingesetzt werden, interessieren auch die Wurfleistungen in den Betrieben der Züchterkollegen. „Die Herdbuchdaten sind jederzeit für uns Züchter zugänglich. Bei etwaigen Fragen stellen wir den PC an und lassen die jeweilige Auswertung laufen“, berichtet Sommer. Auch beim Verkauf greift der Züchter auf die Möglichkeiten des Online-Sauenplaners zurück. So kann er für die Kunden schnell die entsprechenden Datenblätter mit den wichtigsten Informationen zu den Jungebern zusammenstellen und ausdrucken. Früher hat der Verband zu jeder Auktion einen Katalog erstellt und diesen an die Kunden verschickt. Die neueste Entwicklung ist die Genotypisierung. Für die Zucht ist das komplette Genmuster des Schweines nicht interessant. Vielmehr nutzt man stattdessen eine Methode, die sich Einzelnukleotid-Polymorphismen, kurz SNPs oder Snips nennt. Das heißt, es werden die DNA-Basenfolgen an bestimmten Stellen des Genoms bestimmt. Um alle Eigenschaften zu bewerten, die für die Züchter interessant sind, reichen rund 60 000 Snips. Leider kostet eine Untersuchung mit dem sogenannten 60K-Chip noch über 120 €. Deshalb greifen Zuchtverband und Züchter zunächst auf die Low-Cost-Variante zurück. Sie setzen auf die Genotypisierung von den 384 Snips mit den größten Effekten auf die wichtigsten Kenngrößen wie Zunahme und Schlachtkörperqualität. Eine Untersuchung kostet etwa 60 €. Nur ausgewählte KB-Eber, die für die Reinzuchtanpaarungen geeignet sind, werden später mit dem 60K-Chip typisiert. Doch bevor man die Gene untersuchen kann, muss zunächst geeignetes Probenmaterial von den Tieren gewonnen werden. Dies geschieht kurz vor dem Absetzen. Dann werden alle Eberferkel mit einer speziellen Ohrmarke gekennzeichnet. Beim Einziehen dieser Ohrmarke wird eine kleine Gewebeprobe aufgefangen und gelangt in ein kleines Plastikröhrchen, welches mit einem Barcode versehen ist. Dieses DNA-Material wird dann zum Labor geschickt und zunächst eingefroren. Wenn die Jungeber 150 bis 160 Tage alt sind, schaut sich Manfred Sommer die aktuellen Zuchtwerte der Tiere an. Zu diesem Zeitpunkt haben alle Wurfbrüder ein- und denselben Zuchtwert. Um von z. B. fünf Wurfbrüdern die drei besten herauszufiltern, gibt Eberzüchter Sommer eine Gentypisierung in Auftrag. In einem Labor wird aus der jeweiligen Gewebeprobe DNA-Material gewonnen und dieses auf eins von 24 Feldern auf einem Snip-Chip getropft. Jedes Feld ist einem Eber vorbehalten, es können also 24 Tiere gleichzeitig analysiert werden. Das Ergebnis sind Basenabfolgen, quasi die Signatur an bestimmten Stellen des Genoms. Diese Daten leitet das Labor weiter an die Rechenzentrale des Zuchtunternehmens. Dort werden die Infos zu den Basenfolgen gespeichert und mit den Abstammungen sowie den Leistungsdaten der Tiere in der Population zusammengebracht. Hier bedarf es um-fangreicher PC-Programme, die im Hintergrund einer modernen Zuchtwertschätzung ablaufen. Das heißt: Der Pedigree-Zuchtwert des Jungebers wird nach Vorliegen der genetischen Infos mehr oder weniger stark auf- oder abgewertet. Im Falle der fünf Wurfbrüder können die Zuchtwerte nun zwischen 130 und 160 Punkten liegen und es ist eine Rangierung möglich. Der Blick in die Gene macht die Zuchtwertschätzung ein Stück weit sicherer. Der Betrieb Sommer lässt derzeit etwa jeden zweiten Jungeber aus der Aufzucht typisieren. „So kommen jährlich Kosten in fünfstelliger Höhe zusammen“, stellt der Züchter fest. Doch insgesamt scheinen sich die Investitionen zu rechnen. Denn die Besamungsstationen wissen inzwischen den Vorteil der genomischen Selektion zu schätzen. Bleibt die Hoffnung, dass künftig die Untersuchungskosten je Probe fallen werden, sodass deutlich mehr Tiere typisiert werden können. „Da wir ja bereits heute von jedem Eberferkel eine Gewebeprobe entnehmen und einschicken, wäre eine höhere Untersuchungsdichte nicht mit Mehrarbeit für uns verbunden“, erklärt Manfred Sommer. Der Züchter kann sich sogar vorstellen, demnächst auch die weibliche Nachzucht zu beproben, um jeweils die genetisch wertvollsten Jungsauen nachzustallen. „Wir wollen das genetische Niveau der Herde weiter erhöhen und den Leistungsvorteil an unsere Kunden weitergeben“, so Manfred Sommer. „Mir ist eine sichere Rangierung der Sauen und Nachkommen sehr wichtig. Bei den Piétrains verkauft man die Eber heute vor allem über hohe Zuchtwerte!“ Dazu beitragen soll auch eine Herdenaufstockung von jetzt 110 auf 180 Sauen. So kann der Betrieb auf eine größere Anzahl Zuchtlinien bauen und die Basis verbreitern. In diesem Zuge soll das Deckzentrum und der Wartebereich modernisiert werden. Auch stellt sich der Züchter darauf ein, noch mehr Daten zu erfassen, als dies bereits getan wird. So haben Sommer und seine Züchterkollegen angefangen, die Geburten sowie die Ferkelgewichte zu bewerten. Denn die Ferkelvitalität hat auch eine genetische Komponente. Zudem werden künftig neue Merk-male wie Ebergeruch eine Rolle spielen. Auch wenn sich diese Kriterien eines Tages über die genetische Selektion sehr gut züchterisch bearbeiten lassen, bleibt doch die Merkmalserfassung für die Referenzstichprobe. „Unser Input wird künftig weiter zunehmen“, ist sich Manfred Sommer sicher. „Deshalb müssen wir die Wertschöpfung pro verkauftem Eber steigern. Schließlich profitieren Ferkel-erzeuger und Mäster gleichermaßen von unserer Arbeit.“ Eberzüchter mit Herzblut Zeitintensive Zuchtarbeit Steigende Datenmenge Überblick dank Online-Sauenplaner Genomische Selektion etabliert Sichere Zuchtwerte Was bringt die Zukunft? Kompakt Der Betrieb Sommer züchtet Piétraineber. Die wichtigsten Kunden sind die Besamungsstationen. Nur wenige Jungeber erfüllen letztlich die hohen Anforderungen. Zur Unterstützung der Zuchtarbeit setzt Familie Sommer den Online-Sauenplaner ein. Die für die Tiere berechneten Zuchtwerte sind stets aktuell. Von jedem Eberferkel wird eine Gewebeprobe eingelagert. Während der Aufzucht entscheidet der Züchter, welche Eber genotypisiert werden. Das sind derzeit etwa 50 % aller Aufzuchttiere. Die genomischen Zuchtwerte sind sicherer und ermöglichen eine frühe Selektion der wertvollen Vererber. Auf diese Weise wird der genetische Fortschritt beschleunigt. Das Instrument der genomischen Selektion soll künftig auch bei der Auswahl der Remontetiere genutzt werden, um das genetische Niveau der Sauenherde weiter zu steigern. -Heinrich Niggemeyer, SUS- Die Piétrainzüchter Manfred und Andreas Sommer nutzen gezielt die genomische Selektion. Denn heute wird das Potenzial eines Jungebers auch an seiner DNA gemessen.