Die innovative Abferkelbucht „Prodromi“ soll die Arbeit erleichtern und das Wohlbefinden von Sau und Ferkeln steigern. Erste Ergebnisse vom Versuchsbetrieb in Sterksel liegen vor.Sauenhalter verbringen einen Großteil der Arbeitszeit im Abferkelstall. Für viele Aufgaben muss der Landwirt in die Buchten steigen. Das ist mühsam und birgt das Risiko, Krankheitskeime zu streuen. Um hier Abhilfe zu schaffen, haben vierzehn niederländische Sauenhalter völlig neue Konzepte für die Abferkelbucht der Zukunft entworfen. Unterstützt wurden sie dabei von der Animal Science Group der Uni Wageningen sowie drei Stalleinrichtern. Das erste Konzept („Prodromi I“) basiert auf einer herkömmlichen Abferkelbucht, die allerdings in etlichen Punkten optimiert ist. Beim zweiten Konzept („Prodromi II“) handelt es sich um eine Freilaufbucht ohne den Ferkelschutzkorb für die Sau. Füttern, Wasser geben, Kot entfernen oder Ferkel einfangen – das alles kann bei den neuen Buchten erledigt werden, ohne diese betreten zu müssen. Auch die Schaffung verschiedener Klimazonen für Sau und Ferkel innerhalb der Bucht sowie eine Verbesserung des Tierwohls waren Ziele, die sich die Holländer setzten. Im Herbst 2010 wurden im Schweine-Innovationszentrum Sterksel zwölf Prototypen der Bucht Prodromi I und fünf der Bucht Prodromi II eingebaut. Auf einem Symposium stellten Wissenschaftler und Praktiker jetzt erste Erfahrungen vor. Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Prodromi-Buchten in acht Punkten von konventionellen Abferkelbuchten. Die Entwickler bezeichnen jede Neuerung als so genannten „Easy“: Vorteil des vorgelagerten Ferkelnestes ist außerdem, dass es vom Gang aus gut eingesehen werden kann. Allerdings ist es im Sommer schon passiert, dass die Ferkel das Ferkelnest als Toilette missbraucht haben. Die Kosten für das Ferkelnest sind vor allem abhängig von der Buchtengröße. Im Laufe der Erprobung mussten die Stäbe mehrfach verändert werden, da es vorkam, dass sich Ferkel einklemmten oder das Selbstfang-System überlisteten. Inzwischen funktioniert das Fangen gut. Investition: 100 € je Bucht Investition: 60 € je Bucht Investition: 160 € je Bucht Investition: 60 € je Bucht Investition: 50 € je Bucht Zur Beschäftigung der Sau dient ein Stück Sisal-Tau, das neben dem Futtertrog angebracht ist. Investition: 50 € je Bucht, plus 2 € je Wurf variable Kosten Von Vorteil ist auch, dass die Jutesäcke den Geruch der Mutter annehmen und die neugeborenen Ferkel entsprechend gerne darauf liegen. Legt der Landwirt den Sack direkt nach der Geburt ins Ferkelnest, bewegen sich auch die Ferkel zügig dorthin und ruhen darauf. Das verringert das Risiko für Totliegen. Kosten: 14 € pro Bucht und Jahr für Material, Arbeit und Entsorgung Eine mit allen acht Zusatz-Elementen ausgestattete Prodromi I-Abferkelbucht verursacht bei Neubau Mehrkosten von rund 600 € im Vergleich zu einer konventionellen Abferkelbucht. Bei Prodromi II betragen die Mehrkosten etwa 800 € pro Bucht. Was die Freilaufbucht verteuert, ist in erster Linie die größere Grundfläche. Die Wissenschaftler empfehlen für die Freilaufbucht eine Mindestgröße von 7 m2. Zum Vergleich: Für eine herkömmliche Bucht rechnen sie mit 5,4 m2. Andererseits entfallen bei der Buchteneinrichtung von Prodromi II zum Beispiel die Kosten für den Ferkelschutzkorb. Die sich darüber hinaus ergebenden variablen Kosten für Nestbaumaterial und Spielzeug fallen nicht weiter ins Gewicht. So sind beispielsweise die Kosten für den Jutesack schnell zurückverdient. Um neben den Materialkosten von 1 € pro Sack auch die Kosten für die Arbeit und die Entsorgung der Säcke auszugleichen, müssten etwa 0,1 Ferkel mehr pro Wurf abgesetzt werden. Das sollte durch die genannten Vorteile für das Wohlbefinden der Tiere gut gelingen. Trotz der Mehrkosten stoßen die neuen Abferkelbuchten in der Praxis auf großes Interesse. Die Landwirte begeistert insbesondere die größere Ruhe der Sauen beim Abferkeln und die damit verbundene schnelle Biestmilch-Aufnahme. Einige holländische Ferkelerzeuger haben daher sogar die neue Freilaufbucht in einen Teil ihrer Abferkelung integriert, um eigene Erfahrungen zu sammeln. Ob sich das System in der Praxis durchsetzen kann, hängt aber davon ab, ob die Mehrkosten durch höhere Verkaufserlöse für das Fleisch zurückverdient werden können. Im Rahmen des holländischen Tierwohl-Labels (Sterne-Fleisch) scheint dies realistisch. Zumal eine frei laufende Sau mit Ferkeln dem Verbraucher positiver zu vermitteln ist als zum Beispiel eine Vergrößerung der Buchtenfläche. Acht Unterschiede zur herkömmlichen Bucht Mehr Komfort für Sau und Ferkel Rund 600 € teurer als Standardbucht Wie geht es weiter? Easy Front: Das Ferkelnest ist separat vor Kopf der Sau zum Kontrollgang hin angeordnet. Es ist mit Ferkeltrog, -tränke und Wärmelampe ausgestattet. Ferkel- und Sauentrog liegen einander gegenüber. Durch ein Gitter können sich Mutter und Nachwuchs beim Fressen beobachten. Dadurch lernen die Ferkel das Fressen von der Sau. Die Materialien bestehen aus Kunststoff, damit sie einfach gereinigt werden können. Easy Catch: Dabei handelt es sich um einen Selbstfang-Mechanismus am Ferkelnest. Vor beiden Zugängen sind freischwingende Gitterstäbe aus Kunststoff angebracht. Diese können so fixiert werden, dass die Ferkel ins Nest nur noch hinein, aber nicht mehr heraus kommen. Das ist praktisch, um sie z. B. für eine Behandlung bequem einzufangen. Easy Clean: Dahinter steckt einerseits das Prinzip, nur leicht zu reinigende Materialien in der Abferkelbucht zu verwenden. Andererseits gehört zur Prodromi I-Bucht auch eine automatische Entmistung hinter der Sau. Schließlich steht die Sau, anders als üblich, mit dem Kopf zum Kontrollgang. Betätigt der Landwirt vom Gang aus einen Hebel, senkt sich hinter der Sau eine 30 x 50 cm große Bodenplatte. Ein mittels Druckluftzylinder betriebener Schieber befördert den Kot von der Platte in den Güllekeller. Der Landwirt muss die Bucht für das tägliche Kot-Entfernen also nicht betreten. Nur selten landet Kot neben der Platte. Easy Baby Climate: Mithilfe einer beheizbaren Abdeckung an der Seitenwand der Bucht wird am Abferkeltag ein Mikroklima für die neugeborenen Ferkel geschaffen. Die kippbare Abdeckung ist mit zwei Rohren ausgestattet, durch die warmes Wasser fließt. Dadurch kühlen die Ferkel nicht aus, auch wenn sie nicht gleich den Weg ins Ferkelnest finden. Easy Climate: Darunter verstehen die Entwickler eine Kühlplatte aus Metall für die Sau, die mittels wasserführender Rohre temperiert wird. Bei Prodromi I ist die Platte am Ferkelschutzkorb angebracht und kühlt das Tier von oben. Bei Prodromi II ist die Kühlplatte an der Buchtenwand angebracht. Sie ist leicht schräg gestellt, damit ein Fluchtweg für die Ferkel bleibt, wenn die Sau sich hinlegt. Die Forscher beobachten die Sau häufig an der Kühlplatte liegend mit dem Kopf im Ferkelnest. Easy Air: In Prodromi I kann sich die Sau per Knopfdruck selbst mit Frischluft versorgen. Der Luftzug wird zudem auch ausgelöst, wenn die Sau aufsteht. So sollen die Ferkel nach dem Prinzip „Ferkelbläser“ aus der Gefahrenzone unter der Sau verscheucht werden. Von dem Knopf, der am Trog angebracht ist, machen die Sauen jedoch noch nicht so häufig Gebrauch. Die Forscher überlegen nun, den Wippschalter anders zu gestalten oder für noch kühlere Luft zu sorgen. Easy Play: Die Bucht ist so konzipiert, dass die Ferkel ohne Hindernis rund um die Sau rennen können. Bei den Spielzeugen hat sich eine Seil-Roll-Leine bewährt, an der die Ferkel ziehen können und die sich automatisch wieder aufrollt. Zudem werden verschiedene Kau- und Beißspielzeuge an einem Balken an der Decke aufgehängt und nur zu bestimmten Zeiten in die Bucht abgesenkt. Laut Forscher verlieren die Spielmaterialien auf diese Weise nicht den Reiz. Easy Nesting: Ein wichtiger Punkt zur Beschäftigung bzw. Beruhigung der Sau ist auch die Bereitstellung von Nestbaumaterial vor der Geburt. Die Holländer setzen hier auf Jutesäcke. Wie Videoaufnahmen aus Sterksel zeigen, probieren die Sauen mit dem Sack tatsächlich, ein Nest zu bauen. Anschließend verhalten sich die Tiere ruhiger. -Mareike Schulte, SUS-Redaktion-