Tierschützer fordern breitere Kastenstände. Doch damit steigt die Verletzungsgefahr. Um den Platzbedarf zu bewerten, hat Köllitsch die Sauen vermessen.
Die Haltung von Nutztieren in käfigähnlichen Strukturen wird zunehmend kritisiert. So ist die Haltung der Sauen in Kastenständen seit Anfang 2013 nur noch im Abferkel- sowie im Besamungsbereich bis zum 28. Trächtigkeitstag zulässig. Der Kastenstand als wesentlicher Bestandteil des Gruppenhaltungssystems mit sogenannten Selbstfangbuchten steht dabei weniger im Fokus. Hier können die Sauen die Boxen freiwillig betreten und jederzeit wieder verlassen.
Streit um Kastenbreiten
Bislang wurde die tiergerechte Un-terbringung der Sauen in Kastenständen nach den Ausführungshinweisen zur Nutztierhaltungsverordnung festgemacht. Hier werden lichte Weiten von 65 cm für Jung- und 70 cm für Altsauen sowie eine Länge von 200 cm genannt. Obwohl die Maße nicht für alle Sauen eine optimale Größe darstellen können, wurden die Werte als guter Kompromiss gesehen und haben sich auch als solcher bewährt.
Bundesweit wurden neue Ställe entsprechend projektiert, obwohl die Vorgaben der Ausführungshinweise keinen Gesetzescharakter haben, sondern nur „Empfehlungen für das Verwaltungshandeln“ darstellen. Daraus entsteht heute ein Problem, weil sich Tierschützer auf die Formulierung der Verordnung berufen. Hier werden keine Maße genannt, aber gefordert, dass Schweine „in Kastenstandhaltung den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken können“.
Daraus wird eine lichte Weite der Kastenstände abgeleitet, die der Körperhöhe entspricht, obwohl eigentlich jedem Praktiker klar ist, dass bei Kastenstandweiten in der Größenordnung ausgewachsener Sauen (<= 90 cm) eine erhebliche Verletzungsgefahr durch Umdrehen und Einklemmen besteht. Solche Verletzungen schließt aber be-reits die EU-Richtlinie (61/630) aus. Kastenstände, die so weit sind, dass sich die Sauen darin verletzen, wären damit sogar CC-relevant.
Herde in Köllitsch vermessen
Um konkret zu bewerten, wie viel Platz unterschiedlich alte Sauen einer Herde im Kastenstand brauchen, wurden die Sauen im Lehr- und Versuchsgut Köllitsch über ein Jahr beim Einstallen in den Abferkelbereich gewogen und vermessen. Hierzu wurden ein Maßband sowie eine Schieblehre eingesetzt.
Es wurden die Körperbreite in Schulterblatthöhe, die Körperlänge von Rüsselspitze bis zum Schwanzansatz sowie die Körperhöhe (Widerristhöhe) erfasst. Zusätzlich wurde die Rumpftiefe gemessen, die der Körperhöhe im Liegen mit angezogenen Beinen entspricht.
Die Ergebnisse werden in der Übersicht 1 wiedergegeben.
- Gewicht: Ausgehend von Jungsauen legen die Tiere bis zum siebten Wurf fast 50 % zu (208 kg vs. 305 kg).
- Länge: Die Sauen wachsen bis zum neunten Wurf in die Länge und legen dabei 18 % zu (176 cm vs. 208 cm).
- Breite: Die durchschnittliche Körperbreite variiert zwischen 40 cm zum ersten Wurf und 44 cm ab sechstem Wurf. Die Streubreite ist hier deutlich geringer als bei der Körperlänge.
- Widerrist/Rumpfhöhe: Hier werden mittlere Werte von 90 cm (Widerrist) und 70 cm (Rumpftiefe) erreicht.
Das heißt: Die Sauen wachsen zeit ihres Lebens mehr in die Höhe und Länge als in die Breite. Anders als bei der Höhe und Länge gibt es schon re-lativ breite Jungsauen und schmale Altsauen. Auffällig ist auch, dass die für Fruchtbarkeit und Fütterung eher problematischen Sauen im zweiten Wurf sogar etwas schmaler sind als die Jungsauen vor dem ersten Wurf.
Wie breit muss der Stand sein?
Absolut gesehen entwickelt sich die Körperbreite mit etwa 4 cm viel weniger als die Körperlänge mit über 30 cm. Eine Differenzierung der Standweiten um 5 cm ist also zunächst angemessen.
Für das Liegen mit ausgestreckten Beinen innerhalb des Kastenstandes, so wie die Formulierung in der Verordnung suggeriert, sind dagegen Kastenstandweiten notwendig, die der festgestellten Widerristhöhe von durchschnittlich 90 cm und in der Spitze fast 100 cm entsprechen.
Spätestens bei dieser Größenordnung wären Unfälle oder Verletzungen vorprogrammiert. Deshalb sind die Möglichkeiten, die Kastenstandmaße zu erhöhen, begrenzt. Das stellen auch Autoren in der internationalen Literatur fest, die auf der Suche nach der optimalen Kastenstandweite bei Werten zwischen 70 und 80 cm eine Grenze sehen.
Um diesem Dilemma zu entkommen, sollte die Bodenfreiheit der Kastenstände es der Sau gestatten, ihre Füße in die Nachbarbox auszustrecken. Dies machen die Tiere gelegentlich, auch wenn sie in der überwiegenden Zeit in Seitenlage mit angezogenen Beinen liegen.
Für diese Variante des Liegens ist eine lichte Weite im Kastenstand erforderlich, die der in der Übersicht sogenannten Rumpftiefe entspricht. Daran gemessen fallen die überwiegend projektierten 65 cm für die Jungsauen eher weit aus, und für die alten Sauen sind die 70 cm eher schmal. Das heißt: Bei großrahmigen Sauenherkünften können 5 bis 10 cm größere lichte Breiten als die vorgeschriebenen 65 und 70 cm durchaus sinnvoll sein. Darin berücksichtigt ist der über das Liegen hinausgehende Zusatzbedarf an Platz für verletzungsfreie Bewegungsabläufe, d. h. für das Aufstehen und Abliegen.
Selbstfangbucht: Verletzungen vorbeugen
Diese Empfehlungen gelten streng genommen nur für den Kastenstand im Besamungsstall. Die Selbstfangbuchten im Wartebereich stellen zusätzliche Anforderungen, weil die Sauen diese selbstständig wechseln können.
Mit Aussicht auf Futter passen in einen Stand von 70 cm Weite nach den Messungen und praktischen Beobachtungen auch zwei schmale oder junge Sauen, was erhebliche Verletzungsgefahr, zumindest aber Geschrei und täglichen Stress für die Tiere bedeutet.
Schließlich kann man in Gruppenhaltung nicht voraussagen, welchen Stand die Sauen aufsuchen und ob er ihrer Größe entspricht. Auf Konditions- oder Altersgruppen abgestellte Kastenstandmaße könnten hier Abhilfe schaffen.
Für die Tiergerechtheit dieses Gruppenhaltungsverfahrens entscheidend ist aber die Gangbreite. Die Erfahrung zeigt, dass 2 m Gangbreite für die Doppelreiher grenzwertig sind. Die Beobachtung, dass die Sauen überwiegend in ihren Kastenständen liegen bleiben, findet hierin ihre Begründung. Damit die Sauen sich aus dem Wege gehen können, sind 2,60 m mindestens erforderlich. Gut funktionierende Systeme sehen 3 m Gangbreite vor.
Anforderungen an den Ferkelschutzkorb
Auch im Abferkelbereich werden zusätzliche Anforderungen gestellt. Hier muss der Kastenstand die Aufsteh- und Abliegebewegungen unterstützen und dafür optimal eingestellt sein. Insbesondere bei frei tragenden Ferkelschutzkörben kann der Landwirt dem Größenunterschied zwischen jungen und alten Sauen Rechnung tragen.
Altsauen stehen in einem optimal eingestellten Korb auch auf dem rutschigsten Kunststoffboden ohne Probleme auf, indem sie sich quasi im Korb hochstemmen. Um säugenden Sauen mehr Platz zu bieten, werden frei tragende Ferkelschutzkörbe oben eher eng und unten sehr weit ausgestellt. Die Ferkelabweiser werden hoch ausgestellt, um die Zugänglichkeit zum Gesäuge zu verbessern.
Doch Vorsicht: Gerade den schmalen Sauen wird dadurch das Umdrehen innerhalb des Standes sowie das Durchrutschen unterhalb des Kastenstandes ermöglicht. Um dies zu verhindern, müssen die Abweiser im Kopfbereich eng genug angeordnet sein, dabei eine Handbreit über dem Stallfußboden enden und nicht zu weit nach außen gewinkelt sein.
Problem Standlänge!
Während sehr viel über die Standbreiten diskutiert wird, müssen auch die Standlängen auf die Körperdimensionen angepasst werden. Hier werden unabhängig vom Alter 200 cm gefordert. Die in Köllitsch vermessenen Sauen erreichten im Mittel von der Rüsselspitze bis zum Schwanzansatz 191 cm. Alte Sauen werden deutlich über 2 m lang. Das heißt, dass die in den Ausführungshinweisen als Mindestmaß geforderte Kastenstandlänge vergleichsweise knapp ist.
Bei dieser Frage sollte aber auch die Form des Kastenstandes berücksichtigt werden. Häufig schließen Besamungsstände oder Selbstfangbuchten nicht mit geraden, sondern mit nach oben oder zur Seite schräg gestellten Türen ab, was für Tier und Arbeitsschutz sinnvoll sein kann. Auch hier sollte das verfügbare Platzangebot unter Berücksichtigung von Größe und Anatomie der Tiere als Grundlage dienen.
Bei einer Saloontür kann z. B. als Begrenzung die Verbindungslinie zwischen den Verschlusstüren gesehen werden. Der Winkel von ca. 45° erschließt eine zusätzliche Fläche, die uneingeschränkt für die Sau nutzbar ist (siehe Übersicht 2).
Behörde einbeziehen
Die Nutztierhaltungsverordnung für Schweine enthält mit einigem Recht auch unkonkrete Formulierungen, damit Raum für Ermessen unter der Maßgabe von Tierschutz, Wirtschaftlichkeit und dem technischen Fortschritt möglich wird. Dabei darf der Tierschutz nicht für alle Betriebe und Genetiken sowie für unterschiedliche Technik auf ein oder zwei Messwerte reduziert werden.
Vielmehr sollte das Gesamtsystem, aber auch die im Betrieb gehaltenen Tiere berücksichtigt werden. Das bedeutet aber auch, dass man im Vorfeld von Baumaßnahmen das Gespräch mit den Genehmigungsbehörden sucht und die Funktionsmaße verbindlich festlegt. Denn das letzte Wort, wie die Vorschrift auszulegen ist, hat der Amtsveterinär.
Schlussfolgerungen
Die gesetzlichen Vorschriften für die Kastenstandmaße sind mit Augenmaß auszulegen. Die Breiten sollten sich an der genetischen Herkunft, der Alters- sowie Größenstruktur der jeweiligen Herde orientieren.
Bei Neubau sowie großrahmigen Sauen sind Achsmaße von 80 cm, 70 cm und 60 cm für 25 % bzw. 40 % und 35 % der Herde für den Besamungsbereich einzuplanen. Bei Selbstfangbuchten in Gruppenhaltungssystemen sollten die Breiten jedoch nicht über 70 cm hinausgehen.
Kastenstandweiten von bis zu 100 cm, die ein Liegen der Altsauen mit ausgestreckten Beinen ermöglichen, sind in puncto Tierschutz kontraproduktiv.