Sauenhalter aus den Niederlanden haben vier neue Ideen für die Gruppenhaltung tragender Sauen entwickelt. Das Prüfzentrum Sterksel wird die Konzepte nun im Praxisalltag testen.Die Anforderungen an eine ideale Gruppenhaltung für tragende Sauen sind enorm. Zunächst einmal sollen sich die Tiere bewegen können. Gleichzeitig dürfen keine Beißereien auftreten, die zu Verletzungen führen könnten. Zudem müssen die Tiere individuell gefüttert werden können, die Sauen müssen die Buchten sauber halten, und der Landwirt muss den Überblick behalten. Damit aber nicht genug: Die Haltungssysteme sollen nicht nur tierfreundlich, kostengünstig, umweltschonend und effizient bei der Tierkontrolle sein. Im Idealfall sollen auch die Verbraucher erkennen können, dass man hier eine bestmögliche Form gefunden hat. Seien wir mal ehrlich: Jedes in der Praxis gängige Haltungssystem hat eine Schwachstelle: Um neue Ideen in bestehende Konzepte einfließen zu lassen, haben sich vierzehn niederländische Sauenhalter zusammengetan. Unter der Leitung von Stalleinrichter Bart Hooijer und Beraterin Anita Hoofs vom Schweine-Innovationszentrum Sterksel haben sie sich das Ziel gesteckt, den Wartestall der Zukunft zu entwerfen. Dieser soll ein Mehr an Tierkomfort bringen, ohne dass die Arbeitseffizienz und die Übersicht im Stall leiden. Zudem soll die Sau während der Futteraufnahme kontrollierbar sein. Dazu sammelten die Praktiker zunächst alle Vorschläge, ließen diese dann sowohl von rund 100 anderen Schweinehaltern als auch von ca. 300 Konsumenten bewerten und siebten anschließend gründlich aus. Übrig blieben folgende vier Ideen: zwei verschiedene Fress-Liegeplätze, ein neuartiger Buchtenboden und eine so genannte Schweinetoilette. Ob diese Ideen Eingang in die Praxis finden können, wird eine praktische Testphase im Prüfzentrum Sterksel zeigen, die im Juni beginnt. Dabei leisten das niederländische Landwirtschaftsministerium und das Branchennetzwerk für Innovationen finanzielle Unterstützung. Im Entwicklungsprozess des neuen Wartestalls kristallisierte sich schnell das Motto „Kontrolle haben und behalten und durch eine entspannte Trächtigkeit für eine hohe Lebensleistung sorgen“ als Leitmotiv heraus. Da Sauen mit Ruhen den größten Anteil ihrer Zeit verbringen, widmete man der Gestaltung des Liegebereichs besondere Aufmerksamkeit. Für einen besseren Liegekomfort wollen die Praktiker Liegekuhlen installieren (siehe Übersicht 1). Dabei liegen die Sauen in einer Reihe nebeneinander. Die einzelnen, vorgegebenen Liegeplätze sind nur durch zwei Stahlrohre voneinander getrennt. Als Bodenmaterial ist Gummi angedacht, aber auch Sand soll ausprobiert werden. Die Seiten jeder Liegekuhle sind von einer Art Rückenstütze begrenzt. Die Stützen können entsprechend der Umgebungstemperatur mittels integrierter Wasserleitungen erwärmt oder gekühlt werden, damit die Sauen dort im Winter wie im Sommer gern liegen. Der Liege- ist gleichzeitig der Fressplatz. Ihr Futter erhalten die Sauen über intelligente Futterdosierer. Anhand eines Senders im Ohr wird jede Sau durch den Futtercomputer sicher am Trog erkannt. Auf diese Weise ist die Forderung der Praktiker, die Tiere individuell entsprechend ihres Bedarfs füttern zu können, bei dieser Lösung sichergestellt. Alle Sauen fressen gleichzeitig, was dem natürlichen Verhalten der Tiere entspricht. Während der Fressenszeit werden die Sauen in ihrem Stand fixiert. Dazu kann automatisch oder mechanisch ein Bügel hinter den Sauen heruntergeklappt werden. Dreißig Minuten nach Beginn der Futterausgabe öffnet sich der Bügel automatisch wieder. Auf diese Weise kann der Sauenhalter seine Tiere vom Gang aus leicht kontrollieren und jedem Tier wenigstens einmal am Tag „in die Augen schauen“. Auch für eventuelle Behandlungen ist es für den Schweinehalter oder den Tierarzt nützlich, die Sauen kurzzeitig fixieren zu können. Der Landwirt soll laut der Entwickler jedoch keine Möglichkeit haben, die Sauen über einen längeren Zeitraum in den Boxen festzusetzen, um so die Haltungsverordnung zu umgehen. Diese schreibt ständige Bewegungsfreiheit für die tragenden Sauen vor – in den Niederlanden übrigens schon ab dem vierten Trächtigkeitstag. Als Extra haben die Sauenhalter des Netzwerks darüber hinaus über dem Trog vor Kopf der Sau einen Frischluft-Knopf vorgesehen. Betätigt die Sau den Knopf, wird ihr frische Luft um die Nase geblasen. So kann jedes Tier selbst bestimmen, wie viel Abkühlung es braucht. Dass die Technik von den Sauen gern angenommen wird, hat bereits der Einbau von Frischluft-Knöpfen in Abferkelbuchten im Prüfbetrieb Sterksel gezeigt. Auch die befragten Verbraucher betrachteten die Frischluft-Zufuhr als entscheidenden Punkt für das Wohlbefinden der Schweine. Man will daher versuchen, insgesamt das Klima im Stall so zu optimieren, dass es „drinnen so frisch wie draußen“ ist. Eine weitere Alternative für einen kombinierten Fress-Liegebereich zeigt Übersicht 2 (Seite 63). Hier wurde auf das Tierwohl noch stärker Wert gelegt. Dafür muss der Landwirt bei dieser Lösung unter Umständen Abstriche bei der Übersicht bzw. der Tierkontrolle hinnehmen, da er die Schweine nicht fixieren kann. Auch bei dieser Ausführung liegt der Boden etwas tiefer als die Lauffläche aus Spaltenboden. Die Liegefläche ist mit einer Gummimatte ausgelegt und soll den weichen Waldboden simulieren. Die Matte soll je nach Bedarf angewärmt oder gekühlt werden, um als Ruhezone besonders attraktiv für die Sauen zu sein. Der Liegebereich soll den Sauen zudem Schutz bieten. Denn auch in der freien Natur suchen sich Schweine zum Ruhen ein Versteck. Den schützenden Zweigen eines Baumes nachempfunden ist die ungewöhnliche Idee des so genannten „Astgeflechts“: Dabei handelt es sich um Gitterstäbe aus Kunststoff oder Metall, die vorne am Fressgitter angebracht und den Großteil des Tages heruntergeklappt sind, so dass die Sauen nur knapp im Stehen darunter passen. Diese Vorrichtung soll den Schweinen das Gefühl von Sicherheit vermitteln. Die einzelnen Tierplätze sind nicht voneinander getrennt, so dass die Sauen sich beim Ruhen aneinander anschmiegen können. Wie das „Astgeflecht“ genau praktisch umzusetzen ist und ob es sich lohnt, eine Kühlfunktion in die Stäbe zu integrieren, ist noch zu klären. Die Idee des Astgeflechts stammt aus Studien mit Plateauställen für Aufzuchtferkel und Mastschweine. Dort beobachtete man, dass die Schweine am liebsten unter dem Treppenaufgang lagen. Zum Fressen werden die Gitterstäbe hochgeklappt, so dass die Sauen dann bequem am Trog stehen können. Die einzelnen Fressplätze sind wie in der Milchviehhaltung mithilfe eines Fressgitters voneinander getrennt. Anders als bei den Milchkühen können die Köpfe der Schweine zum Fressen jedoch nicht im Fressgitter fixiert werden. Stattdessen sollen die Schweine durch die langsame Futterausgabe biologisch an ihrem Platz fixiert werden. Zunächst erhalten die Sauen eine Basisration aus normalem Mischfutter. Im Anschluss bekommen sie Rohfaser, zum Beispiel Silomais, damit die schnell fressenden Sauen länger auf ihrem Platz bleiben. In erster Linie eignet sich dieses Fütterungssystem daher für stabile Gruppen von Sauen mit dem gleichen Futterbedarf. Neben der Verbesserung des Liegekomforts liefern die Sauenhalter auch Lösungsansätze für mehr Hygiene im Aktivitätsbereich der Bucht. Damit die Sauen sich in der Bucht gut zurecht finden, müssen die Funktionsbereiche klar voneinander getrennt sein. Dies wollen die Tüftler dadurch erreichen, dass der Aktivitätsbereich bei allen Lösungen etwa 10 cm höher ist als der Liegebereich. Damit die Buchten und die Sauen sauberer bleiben und nicht verschmutzen, wählen die Praktiker des Netzwerks durchlässigen Boden für den Laufbereich. Zur Verbesserung des Laufkomforts sollen alle Spaltenböden und Roste mit einer festen Gummischicht überzogen werden, empfiehlt die Arbeitsgruppe. So werden scharfe Kanten im Bodenbelag vermieden, was die Klauengesundheit fördern soll. Auch ein klar definierter Liegeplatz trägt dazu bei, dass die Bucht weniger verschmutzt wird. Dies ist wichtig, denn verschmutzte Böden führen dazu, dass die Sauen ausrutschen und sich verletzen. Stehen die Sauen feucht, weicht das Klauenhorn auf. Nicht zuletzt erhöhen verdreckte Sauen das Risiko der Erregerverschleppung. Ideal wäre es also, einen Boden herzustellen, der geschlossen ist, wenn die Sauen darauf liegen, der sich aber öffnet, sobald die Sau aufsteht. So könnten Exkremente oder verschüttetes Tränkewasser jederzeit ablaufen. Wie dies aussehen könnte, zeigt der Entwurf in Übersicht 3. Dabei besteht der Boden ähnlich dem Spaltenboden abwechselnd aus Balken, die als Auftrittsfläche für die Tiere dienen, und aus Schlitzen. Die Balken sollen im oberen Teil mit Gummipuffern versehen werden. Betritt eine Sau die Fläche und legt sich ab, gehen die Gummipuffer durch das Gewicht des Tieres auseinander und schließen die Schlitze, so dass eine geschlossene Fläche entsteht. Beim Aufstehen sollen sich die Schlitze dann wieder öffnen. An der praktischen Umsetzung wird derzeit noch gefeilt. Als weitere Lösung gegen schmutzige Böden haben die Schweinehalter des Netzwerks eine Schweinetoilette entworfen (siehe Übersicht 4). Was sich zunächst verrückt anhört, könnte durchaus dazu beitragen, die Sauberkeit in der Bucht zu verbessern. Denn die Landwirte gehen davon aus, dass man den Sauen beibringen kann, ihr Geschäft nur an bestimmten Stellen in der Bucht zu erledigen. Bekannt ist, dass Sauen nur ungern über dem eigenen Kotgeruch liegen und innerhalb der Bucht in der Regel selbstständig eine Kotecke festlegen. Mit der Toilette in der Bucht gibt der Landwirt genau vor, wo die Schweine koten und urinieren sollen. Dabei handelt es sich um einen abgegrenzten Bereich mit an drei Seiten geschlossenen Wänden. Dadurch sollen sich die Sauen sicher fühlen. Pro Sauengruppe sollen ein bis zwei Toiletten eingerichtet werden. Ein „Güllegeruch-Versprüher“ soll die Schweine in den ersten Tagen nach dem Einstallen in die gereinigte Bucht zur Toilette locken, damit sie ihren Kot dort absetzen. Hintergrund ist, dass Schweine viel besser riechen als sehen können und sich wahrscheinlich mit dem Geruchssinn orientieren. Der Boden der Toilette liegt etwas tiefer und ist planbefestigt. Der Bodenbelag soll rau und griffig sein, damit die Tiere einen festen Stand haben. Zudem haben die Tüftler den Boden leicht schräg geplant, damit der Urin gut ablaufen kann. Ein- bis zweimal täglich fördert ein Schieber den festen Mist weg. Gelingt es, sämtliche Exkremente an bestimmten Stellen der Bucht zu sammeln und die flüssige und die feste Fraktion der Gülle, also Urin und Kot, direkt zu trennen, vereinfacht dies den Gülletransport, mindert die Ammoniakemissionen und sorgt für ein bessere Luftqualität im Stall. Kann diese Technik sogar einen Luftwäscher überflüssig machen, dann darf die Toilette auch ruhig etwas kosten. Denn im Gegensatz zur Schweinetoilette kostet eine Abluftreinigung viel Energie und Geld und hat keinen Vorteil für das Stallklima oder die Tiergesundheit. Ein Netzwerk aus niederländischen Sauenhaltern und Wissenschaftlern hat über zwei Jahre völlig neue Ideen für einen zukunftsfähigen Wartestall entwickelt. Dieser soll sowohl die Ansprüche von Landwirten als auch die Vorstellungen von Konsumenten erfüllen und zudem besonders tierfreundlich sein. Die neuartigen Fress-Liegebereiche, ein intelligenter Buchtenboden sowie eine Schweinetoilette wurden von Praktikern und Verbrauchern gleichermaßen als sinnvoll eingestuft. Die neuen Konzepte werden jetzt im Prüfzentrum Sterksel eingebaut und im Praxiseinsatz getestet und verfeinert. Gemeinsames Tüfteln Idee 1: Kombinierter Fress- und Liegebereich Idee 2: Dach für die Ruhezone Idee 3: Selbstreinigender Boden Idee 4: Toilette für die Sauen Fazit Bei den Selbstfangbuchten gibt es zu viel Stahl und die Verbraucher nehmen es uns nicht ab, dass sich die Tiere dort am liebsten ablegen, weil sie ungestört sind. Bei der Abrufstation müssen die Tiere nacheinander fressen. Das Warten passt vielen Sauen nicht und sie machen Radau. Zudem ist nicht jeder Landwirt bereit, sich in die Technik einzufuchsen. Wer seine Sauen wie Mastschweine in Buchten mit z. B. Flüssigfütterung oder am Automaten hält, nimmt auch in Kauf, dass sich einzelne Tiere am Trog abdrängen lassen und zu kurz kommen. -Mareike Schulte, SUS-Redaktion-