Schweinehalter Herbert Noordman hat beim Stallbau auf ein bislang einzigartiges Konzept gesetzt: Die Dachkonstruktion besteht aus Stahlbindern und zwei lichtdurchlässigen Folien.Schweine in einem geschlossenen Folienstall halten – wie soll das funktionieren? Das klingt nach gefrorenen Wasserleitungen im Winter und stickiger Luft und brütender Hitze im Sommer. Dass dies nicht so sein muss, merkt, wer den Folienstall von Herbert Noordman (45) betritt. Auch wenn draußen 30 °C herrschen, ist die Stallinnentemperatur noch angenehm. Die Masttiere machen einen fitten und vitalen Eindruck. Der Schweinehalter aus Lemelerveld bei Dalfsen hat vor gut zwei Jahren die ersten beiden zwangsgelüfteten Ställe dieser Art errichtet. Sie bieten jeweils Raum für 2 500 Mastschweine. Die Konstruktion der Abteile ähnelt nebeneinander aufgereihten Folienhallen. Die Außenwände bestehen aus Sandwichpaneelen. Die Dachkonstruktion basiert auf einem Trägergestell aus Stahl und wird von zwei Schichten transparenter Folie überspannt. Darüber liegt noch straff ein schwarzes Schattennetz. Jeder Bogen formt ein Abteil. „Zwar lassen sich gerade im Herbst Temperaturschwankungen nicht ganz vermeiden“, gibt Herbert Noordman zu. „Doch betragen die Unterschiede zu den Temperaturen in konventionellen Ställen dank passender Zuluftführung und reichlich Luftraum auch nicht mehr als zwei bis drei Grad nach oben oder unten“, ist sich der Landwirt sicher. 1,5 Jahre von der Idee bis zur Umsetzung Federführend bei der Planung des Stalles war Herbert Noordmans jüngerer Bruder Marco Noordman. Dieser arbeitet für das holländische Stallbau-Unternehmen ID Agro und konzipiert seit 2003 Folienställe für Milchvieh. Nach einem gemeinsamen Besuch bei einem dieser so genannten Verandaställe meinte Herbert zu Marco Noordman: „Wenn ich einen neuen Schweinestall baue, will ich genauso viel Licht wie ihr im Kuhstall!“ Daraufhin hat Marco Noordman der Ehrgeiz gepackt. Über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren hat er am Reißbrett gezeichnet, getüftelt, gerechnet, überlegt und immer wieder Änderungen vorgenommen, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war und der Plan in die Tat umgesetzt werden konnte. Das Besondere ist das lichtdurchlässige, aufgeblasene Dach, das den Stall isoliert wie ein Luftkissen. Ein kleines Gebläse pro Abteil hält die beiden Folien konstant mit 0,2 bar knapp 50 cm auseinander. Dabei wird die obere Folie leicht nach außen und die untere Folie leicht nach innen gewölbt. Insgesamt ist jeder Stall 44 m breit und 70 m lang. An der höchsten Stelle misst er trotzdem nicht mehr als 6,50 m. „Beim Bau mit einem Spitzdach hätte ein Stall gleicher Größe 12 m hoch sein müssen. Zudem wären die Ställe in traditioneller Bauweise viel wuchtiger ausgefallen“, erklärt Marco Noordman. „Um die Akzeptanz der Anwohner für den neuen Stall von Anfang an zu sichern, haben wir jedoch Wert darauf gelegt, die Gebäude gut in das Landschaftsbild einzupassen, sie also nicht zu hoch zu bauen“, ergänzt Herbert Noordman. Tagheller Stall Auch das Schattentuch, ein schwarzes engmaschiges Netz, das von außen auf den Folien aufliegt, hilft dabei, den Stall gut in die Landschaft einzupassen. Das Netz soll direkte Sonnenstrahlen abhalten, aber Licht durchlassen. Obwohl das Dach von außen dunkel aussieht, kommt unglaublich viel Tageslicht in den Stall hinein. Dass die Schweine durch den Tageslichteinfall mehr gestresst sind und an Leistung einbüßen, kann der Landwirt nicht feststellen. Im Gegenteil: „Durch das lichtdurchlässige Dach erleben die Tiere einen natürlichen Tag- und Nacht-Rhythmus. Das steigert ihr Wohlbefinden“, ist Herbert Noordman überzeugt. Nicht nur die Tiere sondern auch die Menschen fühlen sich im Folienstall wohl. Denn durch seine Helligkeit ist er ein beliebter Arbeitsplatz. „Mein Mitarbeiter füttert morgens zuerst in einem anderen, konventionellen Pachtstall. Erst wenn es hell wird, beginnt er mit der Arbeit im Folienstall“, so der Landwirt. Viel Luft macht das Stallklima beherrschbar Die Leistungen sind mit 820 g Tageszunahmen und unter 2 % Verlusten ordentlich. Zwischen Sommer- und Winterdurchgängen bestehen dabei keine Unterschiede. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das Stallklima auch an heißen Tagen gut beherrschbar ist“, berichtet der Schweinehalter weiter. Entscheidender Vorteil dabei ist aus seiner Sicht das enorme Raumvolumen. Jedes Abteil mit 16 Buchten à 15 Tieren hat eine Seitenwandhöhe von 3 m und eine Firsthöhe von bald 6 m. Die Tiere stehen auf Teilspalten. Der in der Mitte der Bucht gelegene Liegebereich ist planbefestigt und leicht gewölbt. Bis in 1 m Höhe sind die Seitenwände betoniert. Die Zuluft wird an der Kopfseite eines jeden Abteils durch Bodengitter eingesogen und zunächst unter dem geschlossenen Liegebereich der Schweine her unterflur bis zum Zentralgang geführt. Dabei wärmt sich die Luft im Winter um bis zu 10 °C auf, während sie sich im Sommer um bis zu 8 °C gegenüber der Außentemperatur abkühlt. Im Zentralgang steigt die Luft durch den Spaltenboden auf und strömt durch die Abteiltür auf den Futtergang. Die Abteiltüren sind als Klapptüren ausgeführt, der untere Teil ist offen. Über einen Unterdruck wird die Luft zum zentralen Abluftkanal abgezogen. Ein Messventilator erfasst den Luftwechsel, der dann entsprechend durch Drosselklappen reguliert wird. „Die zu Beginn eingestellte maximale Luftrate von 80 m3 pro Endmasttier pro Stunde habe ich auf 60 m3 abgesenkt.“ Der Abluftkanal befindet sich direkt über dem Zentralgang und hat einen Querschnitt von 4 m x 4 m. „Dieses Volumen ist notwendig, damit die Geschwindigkeit der Luft nicht zu hoch wird. Sie darf 2,5 m/s nicht überschreiten. Würden wir noch einmal bauen, würden wir allerdings den Zentralgang nicht so breit wie den Abluftkanal sondern schmaler gestalten, um überbaute Grundfläche zu sparen“, sagt der Stallbauexperte. Die Luft wird zentral an einem Punkt abgeführt. Ein Luftwäscher war nicht notwendig. Kosten: 320 € pro Platz Die Kosten für den Stall beliefen sich komplett mit Inneneinrichtung und Unterbau auf rund 320 € pro Platz. Damit fielen sie insgesamt 10 bis 30 % niedriger aus als bei einem traditionellen Stall. Allerdings muss alle zehn bis zwölf Jahre zumindest die äußere, der UV-Strahlung ausgesetzte Folie ausgetauscht werden. Denn mit der Zeit trübt sich diese ein und wird spröde. „Die Erneuerung kostet 8 bis10 € pro m2 Stallgrundfläche und ist wirtschaftlicher, als von Anfang an eine noch hochwertigere Folie zu nehmen“, hat Marco Noordman ausgerechnet. Beide Brüder sind überzeugt von dem System und glauben, dass Folienställe in Zukunft mehr gebaut werden. „Moderne Schweinehalter müssen flexibel auf sich ändernde Umstände am Markt reagieren können. Mit dieser Bauweise kann ich den Stall an alle Maße und Tierzahlen anpassen und ihn später schrittweise in jede Richtung vergrößern, indem ich weitere Tunnel hinzufüge oder bestehende Tunnel verlängere“, erklärt Herbert Noordman. Mareike Schulte